Leben

Lykke Li: Dunkler Engel

lykke
Lykke Li
Kesselhaus, 6.11.2014

“I think I’m a little bit, little bit, a little bit in love with you.” Lykke Li streckt die Arme im 90-Grad-Winkel vom Körper, herunter hängen weite Trompetenärmel aus Glitzerstoff – natürlich in schwarz. Auch sonst ist das Kesselhaus heute düster: Die langen Schleier, die von der Decke fallen, die Anzüge der Band, die komplette Bühne. Nur die tanzenden Lichtkegel und der weiße Nebel malen ein wenig Licht und Schatten darauf.

“But only if you’re a little bit, little bit, little bit in love with me.” Trotz der starken Stimme droht Lykke Li am Mikrofon zu zerbrechen, vor lauter Schmerz. Was auf der Bühne passiert, wirkt surreal. Zwischen den Rauchwolken steht ein dunkler Engel mit hohen Wangenknochen und gestreckten Armen. Das Bild klingt so übertrieben dramatisch, weil dieser krasse Pathos genau das ist, was Lykke Lis Auftreten ausmacht. Ihre Aura. Was man bei anderen Sängern und Sängerinnen gekünstelt oder gar kitschig finden würde, nimmt man Lykke Li bei ihrem Auftritt im Kesselhaus ab. Vielleicht liegt es daran, dass diese Frau mit den ausgeprägten Wangenknochen und elfenhaften, esoterischen, manchmal auch abgehakten Tanzbewegungen im Tiefschwarz ohnehin wie ein Kunstwerk aussieht.

Auf der dunklen Bühne kostet Lykke Li jedes Gefühl in jedem Song voll aus. Das Mikrofon verstärkt den Schmerz im Gesang so sehr, dass er majästetisch klingt. Die ruhigen Stücke, allein in Begleitung der Gitarre, lassen ihrer Stimme genügend Raum, um das Kesselhaus zu füllen. Bei den schnelleren, rhythmischen Liedern tanzt das Publikum mit geschlossenen Augen. Die Band spielt Lieder vom neuen Album „I never learn“, zwischendurch kommen die alte Stücke – allen voran „I follow rivers“ – und die Halle singt im Chor. Wer das gesehen und gehört hat, der konnte aus seinem gehetzten Alltag fliehen und in eine andere Welt eintauchen: surreal, voller Schmerz und dabei wunderschön. So schön, dass sich der Saal ein bisschen wehmütig leerte, als nach einer Stunde viel zu früh das letzte Lied verhallte.

Bildquelle: MCT