Kultur

Maxim Biller – Der gebrauchte Jude

Piritta Kleiner
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München in Büchern: Die Autorin erliest sich München. Das MucBuch.

„Im Sommer 1982 ging ich lieber in den Englischen Garten als ins Thomas-Mann-Seminar. Ich stand spät auf, duschte und fuhr mit dem Fahrrad zum Eisbach“. So fängt der neue Roman von Maxim Biller „Der gebrauchte Jude“ an, laut Untertitel ein Selbstportrait. Und eigentlich verraten diese beiden Sätze schon sehr viel über den Inhalt dieses Buches.

Es geht um Thomas Mann, den Biller für einen ausgemachten Antisemiten hält, es geht um München, wo Biller sich, verglichen mit Hamburg, gerne aufhält, und es geht darum, was Biller lieber tun will und was er lieber nicht tun will beziehungsweise was er lieber hätte lassen sollen. Schließlich fühlt er sich, rückblickend auf sein bisheriges Leben, als gebrauchter Jude.

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Der Journalist und Schriftsteller Maxim Biller, der als Zehnjähriger mit seinen russischen Eltern aus Prag nach Deutschland migrierte, problematisiert in seinen Büchern sein Jüdischsein oder das Deutschsein der Nichtjuden in Deutschland.

Und meistens beschwert er sich über die deutschen Nichtjuden. Henryk M. Broder, der Billers Band für den Spiegel rezensiert hat, schreibt, er richte sich ein im „Universum aus Weltschmerz, Wehmut und Wehleidigkeit” und stellt ihn ein bisschen als den Münchner Dandy dar, der nur an seinen nächsten Nachmittag im Schumann’s denkt, während Broder und Biller gemeinsam in Israel schlechtschmeckende Lasagne essen.

Nun, ein bisschen muss man schon an den Monaco Franze denken oder an den Tscharlie aus den Münchner G’schichten, liest man über Billers Zeit in München. Man stellt ihn sich vor mit seiner damals wuscheligen Haarpracht, wie er spät am Tag aufsteht, in den englischen Garten radelt und, man höre und staune, mit der Tochter von Joachim Kaiser flirtet. Aber bevor man denken kann: dieser Schlingel! – kommt er auch schon wieder, der Weltschmerz. Und trotzdem – oder gerade deshalb – ist „der gebrauchte Jude“ ein vielseitiges, scheinbar leichtfüßig geschriebenes Buch voller Esprit und auch Schwere.

Es ist ein schönes Buch und auch ein wichtiges Buch, zeichnet Biller doch auch ein Portrait seiner Generation, der jüdischen Nachkriegsgeneration in Deutschland. Er schreibt: „Nazis sind mir egal. Ich sehe nicht in jedem alten Mann, der mir in der Straßenbahn gegenübersitzt, einen Freisler oder das Mitglied eines Erschießungskommandos der Wehrmacht.“

Allerdings darf der vorigen Generation, dargestellt durch Marcel Reich-Ranicki, diese Vergangenheit nicht egal sein. Ein Generationenkonflikt der besonderen Art.

Und so versucht er ständig, Herrn Reich-Ranicki klar zu machen, dass dieser auch ein gebrauchter Jude ist. Erst am Ende des Buches lässt er davon ab und Biller gesteht Ranicki, dass er ihn für einen Juden hielt, der keiner sein will. Ranicki hielt Biller für einen jüdischen Antisemiten. Das ist er sicher nicht.

Aber was will Biller sein? Er schreibt, er sei Jude und nichts als Jude, aber will er das auch sein? Nach dem Zuschlagen des Buches denkt man an die schönen Beschreibungen, an Donny Gold und vielleicht auch an Giovanni di Lorenzo, dem man gerne mal die Hand schütteln würde. Und daran, was Biller wohl sein will. Ich denke seine Antwort wäre: „A bissl was geht immer, aber was soll ich machen? I love my Leid“.

Foto: Kiwi

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