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Meine Halte – Folge 2: Ostbahnhof

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„Und wo wohnst Du?“
„Haidhausen“
„Schön! Wo genau?“
„Ostbahnhof“
„Oh.“

Diese Reaktionen folgen häufig auf die Erwähnung meiner Haltestelle. Mittlerweile sage ich auch nur noch Haidhausen oder Orleansplatz, da ich sonst mit einem längeren Vortrag über die Vorteile des Ostbahnhofs starten muss.

Schuld am Negativimage dieser Haltestelle sind sowohl die Alkoholiker, die mit Vorliebe auf den Bänken des Orleansplatzes bzw. Busbahnhofes sitzen als auch die Kultfabrik. Dank Letzterer kommt es vor allem am Wochenende zu einem Überhang an stark nach Billigparfüm riechenden Heranwachsenden. Diese irren entweder mit viel zu hohen Schuhen suchend durch die Bahnhofsgänge oder versuchen sich mit stimmbrüchigen Lauten, pavianartig Gehör zu verschaffen.

Doch der Ostbahnhof kann auch anders!

Dennoch, ich liebe meine Halte! Sieht man hinter die Kulissen dieses ein wenig schäbigen Ortes hinweg, erkennt man die Schönheit auf den zweiten Blick. Meine Haltestelle bietet Anbindungsmöglichkeiten in allen Formen und Direktionen. Dank S-Bahn Stammstrecke kann jede Bahn genommen werden. Die U5 bringt einen, wenn auch eingequetscht, zwischen tausenden von Wiesnbesuchern, sicher und innerhalb von 10 Minuten vom Oktoberfest nach Hause. Reichen diese Bahnen nicht aus gibt es noch Busse, die in alle Richtungen Münchens fahren oder eben die Tram, die sogar nachts fährt und wieder Taxigeld spart.

Steht ein Heimatbesuch an, laufe ich nur bis Gleis 8, steige in den nächsten Meridian und bin innerhalb von 30 Minuten in Rosenheim. Egal wo in München ich gerade herumspaziere, es fährt immer ein Bus mit der Aufschrift „Ostbahnhof“ vorbei, so als wollte mir meine Halte sagen: „Mach dir keine Sorgen du kommst immer zu mir zurück Baby!“

`Das alles kann der Hauptbahnhof auch´ könnte nun so manches Münchner-Gscheidhaferl sagen. Ja, das stimmt vielleicht, aber wer kennt sich bitte im neuen Sperrgeschoss des Hauptbahnhofes aus? Sogar Münchner Kindl irren dort herum und verpassen so S-Bahnen und Züge. Der Ostbahnhof hingegen ist so übersichtlich gestaltet, dass das Umsteigen nur wenige Minuten dauert!

Kulinarisch ist ebenfalls einiges geboten, wobei die Ansprüche hier gering gehalten werden müssen, – aber mal ehrlich um 5 Uhr morgens schmeckt fast alles! Ob Döner, Le Crobag, Hofpfisterei, Burger King, Dunkin Donuts oder der Rubenbauer-Späti – zu fast jeder Uhrzeit wird man hier versorgt. Bemerkt man Sonntags, beim routinierten Blick in den Kühlschrank, dass dieser mal wieder leer ist, läuft man geschwind zum dm Drogeriemarkt – meinem persönlichem Hotspot dieser Haltestelle. Mit täglichen Öffnungszeiten von 7- 23 Uhr rettet er jeden Sonn- und Feiertag, denn er bietet nicht nur Drogerieartikel sondern auch Lebensmittel aller Art. Meine Empfehlungen: Der Elsässer Flammkuchen von Alnatura aus dem Tiefkühlfach, dazu trüber Traubensaft und als kleiner Nachtisch Mango-Lassi!

Der Ossi gibt mir –als Kind vom Lande- ein abstraktes Gefühl des Dorflebens wieder, da es an dieser Haltestelle fast alles geboten ist was man zum täglichen Leben braucht. Bank, Apotheke, Zeitschriftenladen, Drogerie- und Lebesmittelläden, Post, KVR, Schuhreparaturservice, Bäcker, und und und.
All das liegt in meinem selbst festgelegten Jogginghosenradius, was das Leben für mich einfacher macht, für Neuankömmlinge jedoch durchaus verstörend sein kann. Aber so ist es nun mal am Ostbahnhof. Hier darf jeder so sein wie er möchte. Ob Umsteiger, (Hobby-)alkoholiker, Kultfabrikgänger, Rosenheimer Pendler, Wiesnbesucher oder eben Haidhausener. Jeder ist am Ostbahnhof willkommen und jeder darf hier verweilen!

Ob ich jemals an einer anderen Halte in München wohnen könnte, frage ich mich selbst immer wieder. Es würde mir definitiv schwer fallen – sehr schwer.

Text und Bild von Stefanie Manna

 

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