Portrait von DJ Stenny
Aktuell, Kultur, Kunst

„Meine Vorstellung von Techno“: Stenny über Münchens Szene, Ilian Tape und seine neue Clubnacht im Blitz

Münchens elektronische Musikszene ist ein vielfältiger Mikrokosmos – und Stenny, ursprünglich aus Turin, ist längst ein integraler Bestandteil davon. Seit 2014 prägt er nicht nur das Line-up von Clubs wie der Roten Sonne oder dem Blitz, sondern hat auch mit Veröffentlichungen auf dem renommierten Münchner Label Ilian Tape internationale Wellen geschlagen. Im Interview spricht er über seine musikalischen Wurzeln, den Einfluss des Labels und seine neue Veranstaltungsreihe Aural Instances, die er als Blitz-Resident ab jetzt  regelmäßig veranstaltet und kuratiert.

Aus Labelpartnern wurden Freunde – Stennys Ankunft in München

Hi Stenny, schön dich bei uns zu haben. Fangen wir mal musikalisch an, um dich etwas kennen zu lernen. Eine Platte, die dein Leben verändert hat?

Amber von Autechre. Dieses Album hat mir eine ganz neue Welt der elektronischen Musik eröffnet.

Du kommst ursprünglich aus Turin: Wie unterscheidet sich das Nachtleben dort von dem in München?

Es gibt keinen großen Unterschied. Die Szenen sind sich ziemlich ähnlich, obwohl die lokale Szene in Turin in den letzten Jahren stark gewachsen ist und durch neue, talentierte Akteure bereichert wurde. Im Gegensatz dazu sehe ich hier viele Künstler, die München zugunsten von Berlin verlassen.

Seit wann bist du in München und was hat dich damals hierher gezogen?

Ich bin 2014 nach München gezogen, nachdem ich hier einige meiner ersten internationalen Auftritte gespielt hatte. Das Label Ilian Tape hat mich in die Stadt gebracht, und die Menschen um das Label wurden schließlich meine Freunde. Ich habe auch im Optimal Record Store gearbeitet, was eine prägende Zeit in meinem Leben war.

Dein bislang einziges Album Upsurge [2019] hast du – wie zahlreiche EPs – auf Ilian Tape veröffentlicht. Wie verbunden bist du mit dem Label und warum passt das so gut zusammen?

Ich liebe einfach die Art und Weise, wie das Label arbeitet. Es ist super professionell, so wie man es von einem Major-Label erwarten würde. Die Zusammenarbeit ist makellos. Und natürlich mag ich fast jede Veröffentlichung, die sie herausbringen.

„Maha“ ist meine Rückkehr zu meiner Vorstellung von Club-Techno“

Dein aktuellster Release ist die „Maha“-EP. Was hat dich inspiriert und beeinflusst bei der Produktion?

„Maha“ ist meine Rückkehr zu meiner Vorstellung von Club-Techno. Nichts zu Komplexes—einfach solide Clubmusik oder zumindest meine Idee davon. Ich hatte das Gefühl, dass ich diese Seite meines Sounds nach dem Album eine Weile nicht erforscht hatte, also wollte ich eine sehr perkussive und raumgreifende Techno-Platte machen.

Momentan sind schrille Pop-Edits, Trance und schnelle Beats sehr angesagt. Kannst du damit auch etwas anfangen?

Ich mag Popmusik, wenn ich sie bewusst hören möchte, aber nicht, wenn sie in Räume gedrängt wird, wo sie nicht hingehört. Popmusik kann im richtigen Kontext Spaß machen und frech sein, und sie kann während langer Sets Lächeln und Euphorie bringen. Aber für mich sollten Underground-Räume die Grundlagen ihrer Kultur respektieren und die Künstler ehren, die ihr Leben dafür gegeben haben. Es geht nicht darum, starr zu sein – es geht darum, absichtlich und authentisch zu handeln.

Ich wollte dein Album Upsurge für dieses Interview nochmal anhören. Auf Spotify findet man’s aber nicht mehr. Eine bewusste Verweigerung gegenüber dieser Plattform, die immer wieder in der Kritik steht?

Ich bin ehrlich gesagt nicht sicher, was ich von der ganzen Situation halten soll. Die Entscheidung, das Album von Spotify zu entfernen, war eine gemeinsame Entscheidung mit dem Label, vor allem, weil der Besitzer von Spotify in vielerlei Hinsicht keinen Respekt gezeigt hat. Andere Labels und unabhängige Künstler schienen jedoch nicht wirklich auf diese Haltung zu reagieren, und die Medien berichteten darüber, als wäre es eine persönliche Entscheidung von einer Person, die zum Label gehört, was die Nachricht, die wir senden wollten, falsch interpretiert.

Mit Ilian Tape habt ihr weltweit Erfolg – hast du das Gefühl, dass das hier in München ausreichend wahrgenommen wird?

Ehrlich gesagt, sehe ich diesen weltweiten Erfolg nicht so, wie andere es tun. Einige Leute erkennen, was ich tue, und das ist wirklich schön, aber viele Clubs und Festivals interessiert es immer noch nicht. Ich schätze, ich bin ein bisschen wie eine kalte Suppe (lacht). In München denke ich nicht wirklich darüber nach, ob ich anerkannt oder unterrepräsentiert werde. Ich mache meinen Job, ich bin Resident im Blitz Club. Ich spiele und versuche immer, neue Musik zu spielen, um neue Menschen zu erreichen.

Aural Instances – Stennys neue Clubnacht im Blitz!

Du machst jetzt eine regelmäßige Veranstaltung namens Aural Instances im Blitz. Was ist das Konzept dahinter und wie gestaltest du den Abend?

Es gibt kein großes Konzept, außer großartige Künstler und Fans an einem Ort zusammenzubringen, mit einem Line-up, das Sinn ergibt. Keiner der Künstler wird wirklich als Headliner betrachtet, aber was zählt, ist die kollektive Energie der Nacht.

Beim Kuratieren lege ich viel Wert darauf, den Ablauf zu durchdenken, um sicherzustellen, dass jeder Künstler sich mit dem, was er präsentieren möchte, wohl fühlt. Ich sehe mich als Gastgeber, bin also flexibel und kann je nach Stimmung den Abend eröffnen oder beenden.

Kannst du uns die Künstler der kommenden Ausgabe etwas näher vorstellen?

DjRUM braucht eigentlich keine große Einführung – er ist ein sehr bekannter DJ aus Oxford, und meiner Meinung nach einer der besten DJs, die momentan aktiv sind. Diesmal wird er den ersten Slot spielen, was besonders spannend wird. Ich habe Felix schon mehrfach spielen sehen und jedes Mal war ich absolut überwältigt. Es spielt keine Rolle, welchen Stil oder welches Genre er spielt – wenn du ihn einmal gesehen hast, weißt du, was ich meine. Wenn nicht, solltest du es auf jeden Fall nachholen, es ist absolut mind-blowing.

Dann haben wir One Morning aus Los Angeles, der seinen funky, Detroit-inspirierten, groovigen und bunten Techno mitbringt. Er ist auch ein sehr versierter Vinyl-Only DJ, also werden die Vinyl-Liebhaber sicher auf ihre Kosten kommen. Und zum Schluss haben wir die Zenker Brothers, die eine feste Größe im Blitz sind und Ilian Tape gegründet haben. Sie werden ein brandneues Live-Set spielen, das ich in Berlin bei einer Ilian Tape Nacht gesehen habe. Es war absolut fantastisch, und ich freue mich sehr, dass sie hier spielen werden. Den Abend werde ich selbst abschließen.

Ein Song zum Aufwärmen für Samstag?

1morning – Groove la funk

Danke.

 

Die „Maha“-EP von Stenny findest du auf Bandcamp, ebenso sein Album Upsurge.  Die „Maha“-EP ist auch auf Spotify.

Ein hörenswertes Radio-Feature über Stennys Ilian Tape-Labelkollegen Jichael Mackson im BR Zündfunk findest du hier.

In aller Kürze:

Was? Aural Instances – mit DjRUM, 1morning, Zenker Brothers, Stenny uvm. (VVK-Tickets ab 10 EUR)

Wann? Samstag 29. November 2024 – Beginn 23 Uhr

Wo? Blitz Club, Museumsinsel

Bilder: © Stenny / Blitz