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München, Millenials, Quarterlife-Crisis: Die neue Serie Damaged Goods

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde vor der aktuellen Debatte um Sophie Passmanns Interview im Annabelle-Magazin verfasst. Wir möchten uns von den von ihr getätigten Aussagen zum Thema Antirassistischem Aktivismus distanzieren. Dennoch möchten wir in diesem Text die neue Serie Damaged Goods vorstellen und besprechen, da sie sich mit relevanten gesellschaftlichen Themen und neuen Ansätzen auseinandersetzt, was sie unserer Meinung nach sehenswert macht.

Endlich mal wieder eine Serie, die nicht Berlin spielt! Als ich Damaged Goods startete und Gebäude in 100 Meter Entfernung von meiner Wohnung wiedererkannt, den Olympiapark und den Hofgarten gesehen habe, ging mein Herz ein bisschen auf. Mit Themen wie Erwachsenwerden, Karriere, Freundschaft, Beziehungen und Dating – über die man als twenty-something eben viel nachdenkt – hatte mich die Serie dann komplett und das Binge-Watchen fing so richtig an.

Damaged Goods handelt von fünf Freund*innen in München: Hennie, die Karriereorientierte, die die Norm von Zusammenziehen, Heiraten, Kinderkriegen repräsentiert. Mads, der Fuckboy, der aber eigentlich total tiefgründig ist. Tia, die als Künstlerin ihrer Leidenschaft (trotz Ablehnung) nachgeht. Hugo, der Sensible, der es schwer hat als Beziehungsmensch in der Gay Community. Und dann noch Nola, die Protagonistin, die besonders lost ist, von der Uni fliegt, anfängt Frauen zu Daten, generell alles, was mit Verpflichtungen einhergeht, als Spießbürgertum abtut – und schließlich als „Küchenpsychologin“ heimlich einen Podcast startet und so die Probleme ihrer Freund*innen offenlegt.

Das coole an Serien ist ja, dass wir uns direkt über diese Charaktere Gedanken machen und uns gerne in ihnen wiederfinden. Wir fangen doch zwangsläufig an, Gemeinsamkeiten zu suchen und spielen dann in unseren Köpfen ein bisschen Buzzfeed-Quiz: Wer in meinem Freundeskreis ist am ehesten ‘ne Nola, ein Mads oder ‘ne Hennie? Bin ich so beziehungsunfähig wie Mads? Erkenne ich mich in Tias Kreativität wieder? Oder gleiche ich Nola in ihrem andauernden Zynismus?

Bin ich meine Meinung zu Matrix?

Die Serie thematisiert insbesondere das Verlorenfühlen im Alter von Mitte zwanzig bis Anfang dreißig. Selbst wenn man das Studium abgeschlossen, die Selbstfindungsreise im Ausland hinter sich hat und irgendwie im Arbeitsleben angekommen ist, fragt man sich doch ständig: Bin ich das wirklich? Bin ich mein Job? Bin ich meine Weinbar? Bin ich das Kochen von Ottolenghi Rezepten nach einem anstrengenden Tag? Bin ich meine Meinung zu Matrix? Bin ich wöchentliches Techno-Feiern oder eigentlich eher „zu alt für den Scheiß“? Bin ich jetzt erwachsen? Wann kommt man an im Leben? Oder ist das ganze Leben eine einzige Selbstfindungstour, nur, dass die Generationen vor uns das nicht so ganz zugegeben haben? Und: Hat das ständige Infragestellen und Umorientieren nicht eigentlich auch etwas Gutes?

Am Ende der ersten Folge spricht Nola dieses (hier ungewollte) Umorientieren an: „Ich habe bis vor ein paar Tagen gedacht, dass das Schwierige im Leben die ganzen Erwachsenensachen sind. Wohnung bezahlen, Versicherung bezahlen, Altersvorsorge. Jetzt habe ich das Gefühl, der schwierige Teil im Leben ist, dass man sich traut einen Lebenstraum zu haben und es dann schafft nicht durchzudrehen, wenn er nicht in Erfüllung geht“. Sie stellt sich die Frage, wer wir eigentlich sind, ohne Erfolg in unserem Job.

Ich finde, das Schöne an unserer Generation ist, dass unsere Selbstverwirklichung einen so hohen Stellenwert einnimmt beziehungsweise einnehmen kann. Natürlich funktioniert das nur, weil wir so privilegiert sind. Schließlich sind wir in unserem bisherigen Leben irgendwann alle Maslows Bedürfnispyramide begegnet. Wir können also von einer Woche auf die andere gekündigt werden oder kündigen, weil wir so eine neue brillante Idee haben, mal schnell einen Auslandsaufenthalt planen oder einfach unsere Meinung zu Matrix ändern. Indem die fiktiven Freund*innen diskutieren, fängt man also auch an, über das eigene Leben und seine realen Freund*innen reflektieren.

Nola, die moderne Carrie Bradshaw

Damaged Goods knüpft da an, wo Sex & The City und Friends in den 2000ern aufgehört haben. Nola erzählt die Geschichte von sich und ihren Freund*innen, anstatt in einer Kolumne in einem Podcast – als eine Art moderne Carrie Bradshaw. Ich sage modern, weil Damaged Goods gesellschaftspolitische Themen integriert. Man spricht über Sexismus, kennt Endometriose und Vagnismus, denkt über offene Beziehungen nach. Und zwar nicht so wie das Sex & The City Sequel. Kaum etwas auf dem Bildschirm war je so schlimm, wie diese zehn Folgen, in denen zwanghaft in jeder einzelnen Szene auf Diversität, Rassismus und Gender aufmerksam gemacht wird. Damaged Goods schafft es, diese Themen aufzugreifen, ohne überzogen zu wirken.

Zu überspitzt oder einfach nicht witzig sind aber auch einige Szenen in Damaged Goods. Zum Beispiel, als Mads einen Zementsack in ganz München umherträgt, um das Vatersein zu üben oder wenn Nola und Hennie sich kurz vor dem Schlafengehen „Liebe?“ „Liebe!“ zurufen. Letztendlich gibt uns diese neue Serie aber doch das, was Sex & The City und Friends uns bereits gegeben haben: Sie geben uns ein wohliges Gefühl, wie wenn wir an WG-Tischen zusammen kochen und trinken, wenn wir uns umarmen und jedes noch so kleine Detail des eigenen Lebens mit den Freund*innen durchgekaut wird.


Noch nicht genug von Coming of Age aus und in München? Dann schaut euch Einmal bitte alles von Regisseurin Helena Hufnagel oder Fett und Fett an! Und ohne München-Kontext unbedingt Sex Education und Please like me anschauen!


Beitragsbild: ©Amazon Prime Video / Marc Reimann

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