Aktuell, Kultur, Leben

“Die Leute im Westen wissen vom Krieg, aber sie können ihn nicht fühlen” – Ein Gespräch mit Filmemacherin Mariia Shevchenko

Immer wieder hört man Explosionen im Hintergrund, sieht zerbombte Häuserfassaden. Eine Frau läuft durch Scherben in ihrer Wohnung. Ein Vater beugt sich über seinen toten Sohn und spricht ein Gebet. Ein Künstler schreibt an eine Hauswand „You are my city“. 

Das sind Bilder des Krieges, die Mariia Shevchenko, 31, in ihrer Kurzdokumentation INTO THE DARKNESS zeigt. Zusammen mit Kameramann Sashko Brama ist sie drei Monate lang an die Front gegangen. Entstanden ist ein Film, direkt aus der Mitte des Krieges, wie Mariia im Zoom-Gespräch erzählt. Sie sitzt vor einer kahlen Wand bei Freunden in Polen, bevor sie am Freitag, am Jahrestag des Kriegsbeginns, nach München kommt, um ihren Film vorzustellen. Sie spricht englisch, mit stark ukrainischem Akzent. Den Blick hält sie nicht.

Mariia Shevchenko (links), Sashko Brama (rechts)

Mariia ist in der Stadt Berdjansk aufgewachsen, die jetzt von russischen Truppen besetzt ist. Ihre Familie ist immer noch da. Alle paar Tage nimmt sie Kontakt auf, gesehen haben sie sich aber nun fast ein Jahr nicht mehr. Sie hat Journalismus studiert und erst bei einem Verlag, dann beim Fernsehen in Kiew gearbeitet. Dann kam der Krieg. „Ich war keine Kriegsberichterstatterin, für mich war das auch alles neu“, sagt sie. „Aber ich konnte nicht nichts machen.“ Also ist sie nach Charkiw an die Front gefahren und hat dort gefilmt. „Ich wollte zeigen, wie Menschen in Kriegszuständen tagtäglich weiterleben.“

Die Ukraine und der Westen

Jeder ihrer Sätze beginnt mit einem Seufzen. Man merkt, dass sie emotional wird, obwohl sie weit weg wirkt. Mit diesem Film will sie die Menschen außerhalb der Ukraine mit den Ukrainern zusammenbringen. „Die Leute im Westen wissen vom Krieg, aber sie können ihn nicht fühlen“, sagt sie. „Wir wollen ihnen zeigen, was die Ukrainer für ihr Land machen“, nicht nur die Soldaten, sondern auch Feuerwehrmänner, Ärzte, Polizisten, alle, die hier geblieben sind. „Was sie machen, um den Krieg zu gewinnen“, ergänzt sie und betont das letzte Wort. „So formuliere ich das jetzt einfach mal“, sagt sie und lächelt das einzige mal aufrichtig im ganzen Gespräch.

Mariia Shevchenko

Der Film als Medium

Wenn man sonst Nachrichten über die Ukraine konsumiert, macht man das vielleicht fünf oder zehn Minuten lang. Bei einem Film, mit 40 Minuten, wenn wir länger in dieser Welt bleiben, haben wir auch länger Zeit, diese Welt zu verstehen“, sagt Mariia. Es geht in ihrem Kurzfilm nicht um Informationen, es geht um Emotionen, nicht nur um Wissen, sondern auch um Empathie.

Der Film ist mehr eine Momentaufnahme, ein „work in progress“. Denn solange der Krieg nicht beendet ist, so lange ist ihr Film das auch nicht. In den kommenden Wochen wird sie also gemeinsam mit ihrem Kameramann wieder an die Front zurückkehren und weiterfilmen. An einem Film, bei dem kein Ende in Sicht ist.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Trailer INTO THE DARKNESS

Der Dokumentarfilm wird am Freitag Abend, 24. Februar, um 19 Uhr in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste gezeigt. Mariia Shevchenko wird selbst vor Ort sein und mit Philip Gröning, Leiter der Film- und Medienabteilung der BADSK, darüber sprechen.

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons