Aktuell, Bezahlbarer Wohnraum, Kultur, Leben, Soziales, Stadt

Ohne Wohnung ist der Schutz vor Hitze schwer: Wie man Obdachlose in extremem Wetter unterstützen kann

MUCBOOK Redaktion

Wenn in Nachrichten Anfang Juli, mit Temperaturen über 35 Grad, vor den Gefahren großer Hitze gewarnt wurde, wurden hauptsächlich zwei Gruppen genannt: alte Menschen und jene mit chronischen Erkrankungen. Nicht erwähnt wurden Menschen, die auf der Straße leben. Dabei ist diese Gruppe der Hitze, aber auch Regen, Überschwemmung oder Kälte viel unmittelbarer ausgesetzt. Ihnen fehlen Rückzugsmöglichkeiten: Eine trockene Wohnung, heruntergelassene Jalousien oder eine Klimaanlage und im Winter die Heizung.

Wo sie Hilfe erfahren und was man als Einzelne*r tun kann, um Menschen auf der Straße bei extremen Wetterlagen zu unterstützen. 

Jetzt, im Hochsommer, kratzen die Temperaturen wieder an der 30-Grad-Marke. Dabei staut sich die Wärme vor allem in stark versiegelten Ecken der Stadt: in der Altstadt, Maxvorstadt oder im Lehel. Bei 30 Grad und Sonneneinstrahlung heizt sich der Asphalt schnell auf 60 Grad auf und strahlt diese Wärme wieder ab. Das kostet den Menschen Energie. Man schwitzt, verliert Flüssigkeit und viele fühlen sich träge und schlapp.

Schutzloser und kränker

Dem Münchner Sozialreferat zufolge leben in der Stadt rund 8900 Menschen ohne eine Wohnung. Sie haben keinen Mietvertrag, aber einen festen Schlafplatz in einer Unterkunft. Die Zahl der Menschen, die obdachlos sind, also ohne festen Schlafplatz, schätzt das Sozialreferat auf 550 Personen. Allerdings sind die Zahlen von 2012 und damit veraltet, eine aktuelle Erhebung wird derzeit ausgewertet.  

“Unter obdachlosen Menschen ist die Zahl derer mit chronischen Erkrankungen, wie Diabetes oder Blutdruckerkrankungen deutlich höher”, sagt Waltraud Jobst. Die 72-jährige Ärztin für Allgemein- und Innere Medizin arbeitet ehrenamtlich für die Straßenambulanz Openmed. Die Anlaufstelle in der Dachauerstraße ist speziell für Menschen ohne Krankenversicherung. Mit einem Behandlungsbus fahren Jobst und ihre ehrenamtlichen Kolleg*innen, aber auch einmal pro Woche vor den Hauptbahnhof und zwei mal für ärztliche Sprechstunden vor die Bayernkaserne. “Es wird jeder behandelt, auch Leute ohne Ausweisdokumente.” 

Die Menschen auf der Straße seien von der Hitze in doppeltem Maß betroffen, wegen ihres schlechteren Gesundheitszustandes und weil sie sich weniger schützen können.  “Viele  von ihnen sind gezwungen zu betteln und sitzen in der Sonne auf dem glühenden Asphalt”, sagt die Ärztin. So kommt es schnell zu einem Flüssigkeitsmangel und Kreislaufproblemen. Unter ihren Patienten sind viele Diabetiker, bei denen Dehydrierung sogar zu gefährlichen Folgen wie Funktionsstörungen von Herz und Nieren führen können.

In Tagesaufenthalten duschen und Wäsche waschen

Sozialarbeiterin Anne Götz ist Streetworkerin. Sie ist regelmäßig auf den Straßen im Münchner Westen unterwegs, um obdachlose Menschen an ihren Schlafplätzen und Aufenthaltsorten zu besuchen. “Jetzt bei der Hitze, gucken wir auch, wie es ihnen kreislaufmäßig geht und ob sie genug Wasser haben”, sagt sie. Mit der aufsuchenden Arbeit versuchen die Streetworker auch, die Leute auf die Hilfsangebote aufmerksam zu machen. Anne Götz gehört zum Team der “Teestube Komm” eine Anlaufstelle der Diakonie im Münchner Schlachthofviertel.  “Dort können die Leute duschen, Wäsche waschen und seit diesem Jahr gibt es auch eine Klimaanlage.” Der Tagesaufenthalt in der Zenettistraße öffnet täglich, auch am Wochenende, von 14 Uhr bis 20 Uhr. 

Es gibt mehrere solcher Anlaufstellen in München, auch Otto und Rosi von der Arbeiterwohlfahrt in der Nähe des Ostbahnhofs oder das Haus St. Bonifaz in der Karlstraße. Der Leiter, Robert Greiner und sein Team versorgen die Menschen dort täglich mit Eintopf, Obst und anderen Essensspenden. Es gibt Beratungsangebote, eine Kleiderkammer und ebenfalls Duschmöglichkeiten. Robert Greiner hofft, dass die angekündigten 100 zusätzlichen Trinkwasserbrunnen im Münchner Stadtgebiet schnell eingerichtet werden. “Für unsere Leute sind solche Angebote ohne Konsumzwang sehr wichtig.” Da seine Einrichtung aber täglich nur von 7 bis 13 Uhr geöffnet hat, kämen sie dort vor den besonders heißen Stunden an. 

Auch eine Erkältung kann für obdachlose Menschen gefährlich werden

Neben der Hitze sind aber auch über Tage mit anhaltendem Regen und Nässe wie Anfang August ein Problem. “Wenn wir eine Erkältung haben, legen wir uns halt ins Bett, aber draußen sind die Leute oft weiter mit ihren nassen Sachen unterwegs”, sagt Sozialarbeiterin Anne Götz. Erkältungen würden häufiger verschleppt. In ihrer Sprechstunde sähe die Ärztin Waltraud Jobst dann immer wieder Menschen mit Lungenentzündung oder Bronchitis. “Aber es ist nicht leicht, für jemand ohne Versicherung einen Krankenhausplatz zu bekommen”, sagt die Ärztin. 

Im Winter ist die Obdachlosenhilfe auch mit Bussen unterwegs: Der “Wärmebus” von der Diakonie und der “Kältebus”, von einem eigenständigen Verein. Deren Helfer*innen verteilen warmen Tee, schauen, ob jemand noch eine Isomatte oder einen Schlafsack braucht. Im Winter fährt auch Anne Götz im Wärmebus mit. Sie würden auch Gespräche führen, um den Leuten anzubieten, sie in eine Unterkunft zu bringen. “Aber es kommt leider selten vor, dass die Leute wirklich mitkommen”, sagt Götz. Grund dafür seien zum Beispiel psychische Probleme, die unter vielen Menschen schlimmer werden. In der Bayernkaserne, einer der größten Notunterkünfte, stünden in einem Zimmer fünf bis acht Betten. 

In der Bayernkaserne einer der größten Notunterkünfte stünden in einem Zimmer fünf bis acht Betten. “In den Notfallunterkünften ist nicht wirklich was mit Intim- oder Privatsphäre”, sagt Robert Greiner, vom Tagesaufenthalt St. Bonifaz. Der Einrichtungsleiter hält das für kontraproduktiv. Es setze die Menschen unter zusätzlichen Stress und würde nicht dazu beitragen, dass sie wieder in ein eigenständiges Leben zurückfinden. “Es fehlt an qualifizierten Unterkünften mit Einzelzimmern”, sagt Greiner.

Mit Hinschauen und Wasserflaschen kann auch der Einzelne helfen

Für ihn, wie für die Ärztin Waltraud Jobst und Streetworkerin Anne Götz ist der Kontakt zu obdachlosen Menschen Alltag. Aber auch Einzelpersonen könnten etwas tun. An heißen Tagen am ehesten mit Wasserflaschen, frischem Obst oder auch mit Schirmen. Anne Götz sagt auch: Nicht alle Menschen auf der Straße wüssten von den Anlaufstellen der Obdachlosenhilfe. Es gäbe immer wieder Neuankömmlinge und Geflüchtete. Da helfe es Adressen für sie rauszusuchen, dass sie künftig wissen, wo sie Schutz vor Sonne, Regen oder Kälte finden können. 

Wenn man jemanden anspricht und merkt, dass die Person Kreislaufbeschwerden hat oder kollabieren könnte, lieber den Notruf verständigen. “Die Scheu ist größer wegen der anderen Optik und weil die Leute Angst haben, dass sich jemand dann nicht adäquat verhält”, sagt Robert Greiner. Er wünscht sich mehr Aufmerksamkeit der Stadtbevölkerung und weniger Hemmungen obdachlosen Menschen gegenüber. 

Beitragsbild: Jon Tyson on Unsplash

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons