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Obdachlose: Vertreiben ist keine Lösung

Moritz Müllender
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Oberbürgermeister Dieter Reiter und CSU-Fraktionschef Pretzl wollen Obdachlose vertreiben. Das ist antisoziale Politik, meint unser Redakteur.

Zwei der wichtigsten Persönlichkeiten der Münchner Stadtpolitik pflegen einen unwürdigen Umgang mit Obdachlosen. CSU-Fraktionsvorsitzender Manuel Pretzl gefällt sich im Interview mit der Abendzeitung als Law-and-Order Bürgermeisterkandidat. Seine erste Amstshandlung – sollte er gewählt werden – wäre es, die “zunehmende Verwahrlosung in der Stadt zu stoppen”. Damit meint er obdachlose Menschen. Pretzl möchte Menschen, die auf der Straße schlafen aus dem Sichtfeld der sich gestört fühlenden Münchner*innen vertreiben. Pretzl behauptet: Niemand müsse auf der Straße campieren, die Stadt gebe genug Geld für Obdachlose aus. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter ließ sich im vergangenen Winter von Pretzl treiben und sagte, die Menschen seien zwar in einer Notlage. “Das heißt aber nicht, dass sie unsere Hilfsangebote einfach ignorieren und ihr Lager irgendwo aufschlagen können.”

Doch dass es genügend Betten gibt, ist gar nicht belegt. Es gibt keine aktuellen Zahlen, wie wiele Menschen auf den Münchner Straßen leben. Das geht aus einer MUCBOOK-Anfrage an das Sozialreferat hervor. Die Stadt geht aktuell von etwa 550 Obdachlosen in München aus. Doch die Zahlen basieren auf einer Erhebung aus 2012. Seitdem ist deutschlandweit die Zahl der Wohnungslosen gestiegen. Die Stadt hat zwar auch ihr Angebot an Unterkünften ausgebaut und geht daher davon aus, dass die Zahl der Obdachlosen nicht maßgeblich gestiegen ist und es genügend Betten gibt. Ob das wirklich stimmt, wird aber erst klar, wenn die Stadt auch die aktuellen Zahlen erfasst und veröffentlicht hat. Das soll im Frühsommer 2024 passieren.

Recht auf freie Entscheidung

Es ist also unklar, ob es genügend Betten gibt. Doch selbst wenn die Stadt Recht behält: Dass niemand auf der Straße schlafen müsse, ist verkürzt. Denn es gibt Gründe dafür, dass Menschen nicht in die Unterkünfte gehen. Manche Menschen haben Angst vor Gewalt oder Diebstahl. Andere leiden vielleicht unter psychischen Krankheiten, die es ihnen erschweren oder verunmöglichen, in Unterkünften zu übernachten. Auch wer suchtkrank ist, hat nicht immer Zugang zu Unterkünften, in denen teilweise Konsum- oder gar gänzlich Drogenverbot (betrifft Alkohol und illegale Drogen) herrscht. Diese Menschen einfach zu vertreiben, löst keine Probleme. Pretzl betreibt inhaltsleeres Wahlkampfgetöse, weil er Bürgermeister werden will und sich deshalb als Macher inszeniert. Reiter lässt sich davon treiben.

Und ganz grundsätzlich: Auch obdachlose Menschen sind freie Menschen. Sie zur Verfügungsmasse zu erklären, nur weil sie die Angebote von Übernachtungsmöglichkeiten nicht annehmen wollen oder können, ist unwürdig. Menschen zu vertreiben, nur weil manche Münchner*innen bei ihrem Shoppingtrip nicht von sichtbarer Armut und Obdachlosigkeit gestört werden wollen, ist antisoziale Politik. Reiter und Pretzl handeln nach dem Prinzp: Aus den Augen aus dem Sinn.

Beitragsbild: Jon Tyson // Unsplash

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