Kurios, Leben

Oktoberfest“ Der Tag danach

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Endstation München, Theresienwiese. Der Bahnsteig ist leer. Ein Phänomen.
Vor kurzem noch taumelte an diesem Ort eine riesige Menschenmenge in bayrischer Trachtenkleidung.
Eine freie U-Bahntreppe fährt hinauf zu dem Platz, an dem sich gestern noch die Wiesn, samt ihrem enormen Lärmpegel, befand.
Dunst und Staub liegen über Münchens Theresienfeld. Der Alltag ist eingekehrt.

Das Flair von Lederhosen und Dirndl ist bereits verflogen und falls doch eine Dame in ihrem Trachtenkleid umherwankt, so erweckt dies den Eindruck, als sei sie einer längst vergangenen Zeit entsprungen. Somit ruht ein Hauch Nostalgie in den Lüften, wenn man das nach solch kurzer Zeit schon sagen darf.
Nichts ist mehr von dem Biergeruch, der stickigen Luft und dem Gepolter der vergangenen Tage zu spären.
Ein trauriges und wehmütiges Szenario bietet sich jedem, der über das Gelände läuft: Papierschnipsel und Pappdeckel wehen durch die Lüfte oder liegen herum.

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Ein Bierzelt legt sein Gewand aus Plane ab und lässt somit seine ganze Pracht fallen. Nackt und unbekleidet steht es nun da; ein Gerippe aus Stahl, nur noch Knochen.
Totenstille, lediglich das Brummen der Motoren ist zu hören.
Die ganzen Wege, die einst der Besucher Pfade bildeten, stehen voll mit Lastkraftwagenägen und Autos. Ihr Schnurren klingt unruhig und eilig. Sie stehen stramm wie kleine Soldaten bereit, ihre schwere Last auf sich zu nehmen und behutsam zu transportieren.
Hektische Radfahrer müssen sich an den haltenden Fahrzeugen vorbei winden, gleich den Passanten, die im Zick-Zack elegant, beinahe wie Slalomlufer, ihre Strecke finden.

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Ein Hupen hier, eines dort. Alle Akteure behindern sich gegenseitig. Ein kleines Chaos entsteht. Vorbeilaufende Kinder treten zum Ausweichen in Pfützen, die die gesamte Straße schmücken, wie Tupfen ein Kleid.
Alle Stände sind verlassen; die Lebensmittelsuchen bergen längst keine Leckereien mehr in sich, lediglich Fischer Vroni Stockfischgeruch schwebt noch über dem Platz, obgleich auch dieses Ständchen seine Jalousien heruntergelassen hat, um sich von den Strapazen der letzten Tage zu erholen.
Zerschlagene Glühbirnen liegen auf dem Boden, die vermutlich beim Abmontieren kaputt gegangen sein müssen. Keiner kümmert sich um die Kleinen. Zertreten von Menschenfüßen liegen sie da.

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Der Geruch von Putzmittel erstreckt sich in den Winden. überall, in welche Richtung einen der Blick auch hinführen mag, wird geschrubbt, Staub gesaugt und gewischt. Hochdruck-Reiniger werden eingesetzt, um den hartnäckigen Schmutz zu bekämpfen. Braunes Abwasser fließt die seitlichen Straßenrillen entlang, während gleichsam unter Hochdruck abgebaut wird.
Am frühen Morgen sind viele Bewegungen der Arbeiter noch etwas gähnend und langsam. Sie wirken träge, beinahe verschlafen, ja sogar entseelt. Gen Mittag jedoch gewinnt die Arbeit an Intensität und Schnelligkeit.

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Für die Einen ist alles vorüber, für Andere fängt es erst richtig an: Männer klettern auf den Dächern herum. Trotz Kälte bekleidet sie lediglich ein T-Shirt. Männer, die schaffen, frieren nicht! Meint lächelnd ein Helfer. Dieser, wie auch der Rest der Arbeiter, ist zum Stehen verdammt, da gestapelte Bierbänke, die allesamt auf den Straßen abgestellt sind, längst keine Sitzgelegenheiten mehr bieten.
Ein buntes Kinderkarussell wird allmählich fortgetragen. Im Inneren eines riesigen LKWs legt es sich zur Ruhe. Ein manches muss auch frieren, da es auf ein Fahrzeugdach verfrachtet wird. Und doch haben alle einen Wunsch gemein: Bald neues und frisches Kinderlachen hören zu dürfen.

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Der Abbau dauert keine acht Stunden, dann beginnen die Räder des Transporters gen Thöringen zu rollen, da dort der kommende Weihnachtsmarkt auf sie wartet. Nun kommt auf der Wiesn tatsächlich allmählich grüne Wiese und Kies zum Vorschein, auf welchen vor kurzem noch Fahrzeuggeschäfte standen.
Auf den Dächern einiger noch stehenden vergangener Attraktionen wehen bayrische Fahnen, doch auch ihnen wird bald der Wind genommen werden. Sie werden sich einrollen und vielleicht sogar einen Winterschlaf halten, bis es schlielich nächstes Jahr um dieselbe Zeit wieder heit oh zapft is!. Von Anna Groß

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Fotos von Susanne Weißenbach

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