Kultur, Was machen wir heute?

Polnisch vorbereitet

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Am kommenden Donnerstag, den 20. Oktober, kommt der deutsch-polnische Film „Wintertochter“ der Münchner Produktionsfirma „schlicht und ergreifend“ in die Kinos. Wir haben mit Produzent und Gründer von „schlicht und ergreifend“, Philipp Budweg, über die Arbeit eines Produzenten, die Auswahl eines „guten Stoffes“ und die Widrigkeiten eines Drehs im polnischen Winter gesprochen.

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Wie kann man sich denn den Beruf des Produzenten vorstellen? Ist es tatsächlich so, dass man viel mit ins Geschehen mit eingreift, oder ist man mehr der Manager, der im Hintergrund die Fäden zieht?

Aus meiner eigenen Erfahrung ist es so, dass ich den Stoff meist selbst entdecke, genau wie jetzt auch bei Wintertochter. Zusammen mit der Autorin habe ich den dann weiterentwickelt und ihn dann dem Regisseur Johannes Schmid vorgeschlagen. Die Managertätigkeiten gehören natürlich dazu, wie die Finanzierung, die im Voraus ablaufen muss und so. Aber bei den Dreharbeiten, gerade bei Wintertochter, auch weil es ein Auslandsdreh, also nicht in München, sondern Thüringen, Berlin und Polen war, bin ich schon jeden Tag dabei. Eher für den Regisseur aber auch fürs Team als Stütze. Es ist einfach wichtig, dass man dabei ist und mitbekommt geht der Tag gut los oder hängen wir schon, weil die Autobatterie stehen geblieben ist. Es ist ja immer was! Und natürlich auch am Ende dann, wenn man dabei ist auch mal sagt „so jetzt ist gut, mehr schaffen wir nicht“ und zieht dann auch mal im schlimmsten Fall den Stecker, weil wir sonst in Verspätung kommen und der nächste Drehtag sonst wieder später losgeht. Und ganz wichtig: Feedback. Natürlich vom Regisseur, von dem man wissen will, wie es gelaufen ist. Also ich glaube ich bin im Gegensatz zu anderen Producern einer, der nicht immer neben der Kamera steht und sich alles ganz genau anguckt, jede Ausspiegelung, weil naja ich finde es … langweilig. Das ist der Job des Regisseurs und des Kameramanns. Die haben diesen Job und schaffe eben die Bedingungen, dass das so ist. Aber auch beim Mustergucken am Ende des Tages, lief es gut oder muss man es vielleicht noch mal machen? Dafür muss dann man auch wieder Räume schaffen, muss man einen Drehtag kürzen, so was dann wieder.

Sie haben ja gesagt, sie hätten das Drehbuch ausgewählt, machen sie das auch mit den Schauspielern? Wer hat da beim Casting mehr das Sagen? Letztendlich doch er Regisseur letztendlich oder auch ein Produzent?

Da spielt auch wieder Verschiedenes mit rein, glaube ich. Wir speziell arbeiten immer mit einer Castingagentin zusammen, geben es also noch mal außer Haus, holen uns so noch ne fremde Meinung rein, also: Hier lies das Buch, wen kannst du dir vorstellen? Die macht gute Vorschläge, sehr breit, und dann engt man das ein. Gerade auf der Suche nach Kinderdarstellern ist das… Also Schulhofcasting können wir uns gar nicht leisten. Aber um zurückzukommen: Es ist dann schon eher so, dass der Regisseur mit den Schauspielern auch kann. Was nützt die berühmte Nase, wenn es nicht funktioniert? Ist es die richtige Besetzung, also bloß weil er berühmt ist? Man muss aber immer mit der Redaktion Rücksprache halten und denen nicht eine völlig unbekannte Besetzung liefern. Gerade bei einem Kinofilm spielt mit rein, dass vielleicht der Verleiher sagt, an der Stelle hätte ich ganz gerne den ein oder anderen, den die Leute kennen. Damit sich dann auch ne gute Pressearbeit machen lässt. Komplett ohne Anhaltspunkt wird es schwierig. Und mit der Ursula Werner jetzt, das ist natürlich eine Traumbesetzung. Die hat das toll gespielt, trotzdem gibt es immer Überlegungen. Wer könnte das auch spielen? Was dann natürlich auch sein kann ist, dass genau die dann aber nicht den Mut hat und mit nach Polen fahren will. Dann heißt es abwägen. Wir wollten es dann authentisch machen, vor Ort sein. Wir wussten auch nicht, wie der Dreh im Winter dort ist, aber da müssen sich alle drauf einlassen. Und manchmal gibt’s das eben, dass man eine Besetzungsidee hat, die dann aber nicht will.

Echt?

Ja, das gibt’s auch!

Wie kommt dann der Produzent zu seiner Arbeit? Sie haben gesagt sie suchen sich den Stoff selbst aus. Wird man manchmal als Produzent nicht auch angeworben?

Zum Glück bekomme ich nicht so viele Angebote. Die, die unangefordert reinkommen, sind sowieso schwierig. Die Mühe machen, vorher anzurufen und in Kontakt zu treten, sollte sich jeder machen. Das wird dann geprüft. Aber um ehrlich zu sein habe ich noch nie einen Stoff genommen, das von außerhalb reingekommen ist. Weil mich bisher noch nichts überzeugen konnte und da trotzdem noch überall so viel Arbeit drin stecken würde alles produktions- und fernsehreif zu machen. Bisher haben wir tatsächlich die Stoffe immer selber gefunden. Beim letzten Film „Blöde Mütze“, haben wir auch mit dem Johannes gearbeitet und das war eine Romanvorlage seines Bruders. Da war immer klar er will diesen Stoff machen und so war es dann auch. Und bei „Wintertochter“ hatte ich auf dem Filmfest „Goldener Spatz“ hatte ich die Gelegenheit neue, extra fürs Kinderkino geeignete Stoffe zu höre und vorgestellt zu bekommen. Damals hieß das ganze noch „Zwischen den Jahren“. Später kommt dann noch der Verleih dazu und legt den besten Titel fest, und darauf muss man dann auch hören. Da ist es wichtig, dass Kinobesucher, wenn sie das Filmplakat sehen, schon eine Idee im Kopf entwickeln und überlegen, worum es denn gehen könnte und ob sie es sehen wollen. Will ich als Kinobesucher eine alte Frau mit einem jungen Mädchen nach Polen reisen sehen? Also war es bisher immer so, dass ich die Stoffe gefunden oder der Johannes hat etwas aufgetan. Wie jetzt auch das nächste Projekt, das wieder eine Romanprojekt wird.

Sie haben gerade schon das unterschiedliche Alter der beiden Hauptcharaktere erwähnt. War es für sie etwas Neues zwei so verschiedene Protagonisten zu haben und was war das besondere daran?

Damals, als ich die Geschichte zum ersten mal gehört habe, hat die Autorin wirklich in nur fünf Minuten erzählt und da steckte schon dieser Kern drin, dass das Mädchen sich auf die Suche nach ihrem Vater macht und die alte 70-jährige Lene, die widerborstig ist. Trotzdem will sie helfen und entdeckt so diesen Mut in dem Mädchen und ergreift dann ihre vielleicht letzte Chance um nach Polen in ihre Heimat zu reisen. Und genau das fand ich sehr reizvoll, diese zwei Generationen darzustellen, die Elterngeneration bewusst außen vor zu lassen und nur nebenbei zu erzählen. Und auch in der Gegenwart zu bleiben und trotz Krieg und Vertreibung keine Rückblenden zu machen. Und auch eine Kriegszeugin zu zeigen. Die Überlegung war auch: In zehn bis 15 Jahren werden alle Kriegszeugen ausgestorben sein. Dann haben de Kinder niemanden mehr, den sie fragen können. Und genau diese Geschichte wollten wir erzählen. Ohne jetzt zu pädagogisch zu sein , aber wenn man aus so diesem emotionalen Film rauskommt, hat man eher das Bedürfnis mal die Oma anzurufen oder hat Lust mal die Familiengeschichte zu erforschen. Und das haben wir sogar beim Dreh gemerkt. Einige aus dem Team kamen aus Schlesien und die sind dann in der Freizeit und am Wochenende wirklich auf Spurensuche gegangen. Und das war toll! Das trifft dann doch den einen oder anderen Nerv.

In den letzten Jahren kommen ja auch immer mehr Filme aus Bayern und aus München. „Wer früher stirbt ist länger tot“ war ja ein Wahnsinnserfolg, über den sich nicht nur Bayern totgelacht haben. Wie erklären sie sich das?

(Zögert) Das ist schwierig. Die Entwicklung ist aber ganz schön, die konnte man ja vorher gar nicht so absehen oder erwarten. Auch der Erfolg von „Wer früher stirbt ist länger tot“ nicht. Da war natürlich der Kinostart im August sehr gut gewählt. Und der Film zog ja dann erst an, hat sich dann bis Weihnachten gemausert, und man hat gemerkt, „also so einen Million wird da schon reingehen“. Und das war natürlich eine Riesen-Ãœberraschung. Der war aber auch in der bayerischen Art, wie er erzählt war, so lustig. Ich hab ihn als schönes Kinoerlebnis empfunden. Das war so was in der Art, dass die Leute einfach Lust hatten ins Kino zu gehen und gemeinsam zu lachen, weil im Fernseher nichts Gescheites kam. Ich weiß auch gar nicht, ob andere Filme auch in Bayerisch erzählt waren. Das war eben so ein Phänomen, das auch beim Bayerischen Rundfunk umgeht, dass man wieder lokal erzählt. Ich kanns ja nicht aussprechen, aber dieses „dahoam is dahoam“ – das sind einfach Entwicklungen. Wenn man was Neues ausprobiert und merkt, dass da ein Publikum da ist, das man ansprechen kann. Ich glaube der neue jetzt, „Sommer in Orange“ läuft auch in Bayern ziemlich gut. Und da war es auch ähnlich. Auch den haben sie im August gestartet, wie so ein bisschen Blaupause zu „Wer früher stirbt ist länger tot“ und haben es einfach noch mal probiert. Und man sieht: Es funktioniert. Klar kann es auch nicht funktionieren. Das ist das mit den Wellen, ich kann es mir auch nicht erklären. Warum scheitert ein Vampirfilm wie „Wir sind die Nacht“? Ist die Welle schon rum, will keiner mehr Vampirfilme sehen? Oder funktionieren sie nicht für ein Erwachsenen-Publikum? „Twilight“, jetzt im November wird wieder krachen…Ich weiß echt nicht woran es liegt. Ich glaube, wenn es einfach ein guter Film ist, dann hat er die Chance verdient, dass er gesehen wird. Und wenn er dann so ein Alleinstellungsmerkmal hat, löst er auch wieder eine Welle aus. Wie diese „Desperate Housewives“. Das wurde nie erzählt vorher und dann hat sich da einer hingesetzt und gesagt, „so jetzt mach ich mal“.

Ist es nicht auch so, dass wenn ein Film sehr gut ist, dass dann Schauspieler und Regisseure hochgelobt werden, aber wenn ein Film floppt, der Produzent der Hauptschuldige ist?

(Lacht) Weiß ich jetzt gar nicht. Natürlich ist klar, dass in der Außenwirkung der Regisseur und die Schauspieler im Vordergrund stehen. Wenn einfach ein Film gut läuft, wie jetzt auch „Männerherzen 2“ wieder, dann ist das Simon Verhöfens Erfolg und der der Schauspieler. Mit Sicherheit färbt das aber auch auf die Produzenten ab, innerhalb der Branche. Wenn was nicht funktioniert geben wir Produzenten meist den Verleihern die Schuld. So in der Art „ihr hab ja schlecht rausgebracht, der Starttermin war nicht gut und die Sonne hat geschienen und das Plakat sah schrecklich aus”. Aber da ist dieses Nadelöhr. Man arbeitet ewig darauf hin. Hat eine Stoffentwicklung, eine Finanzierung, dann ist man soweit, dass tatsächlich produziert wird, es wird gedreht, man hat den fertigen Film, der auch noch gut ist, nicht mal misslungen, was auch passieren kann. Aber am Ende entscheidet man durch das Kinoplakat oder Mund-zu-Mund-Propaganda. Es gibt ja die zehn deutschen Filme, die jeder kennt, mit Til Schweiger oder „What a Man“, aber über hundertfünfzig deutsche Filme werden im Jahr produziert, die keiner kennt. Und wenn diese dann keiner kennt, geht auch keiner ins Kino und dann ist der nach einer Woche raus, weil natürlich die Kinobesitzer auch ihr Geld verdienen wollen und keine leeren Säle haben wollen. Und so haben diese kleinen Filme keine Chance und es gibt sie nur noch im Fernesehen oder auf DVD. Misserfolg ist für keinen erfreulich. Das macht es für keinen leichter zu sagen „jetzt haben wir was neues“. Nicht für den Regisseur und nicht für die Firma. Und dann muss man argumentieren. Der Stoff ist anders, die Aussichten, dass ein Publikum reingeht sind besser. Schlussendlich musst du immer überlegen wofü man den Film macht. Für Jugendliche? Und da ist „Wintertochter“ nicht leicht und steht etwas zwischen den Stühlen, weil er einerseits ein Kinderfilm ist, wenn man sich die zwölfjährigen Protagonisten anschaut. Aber er funktioniert bei zehn- bis zwölfjährigen extrem gut, wir sind viel für Schulvorstellungen gebucht und auch für Festivals. Andererseits wollen wir auch das „Arthaus“-Publikum haben, das Ursula Werner auf Wolke 9 gesehen hat. Da darf dann natürlich nicht groß Kinderfilm drüber stehen, weil dann guckt sich derjenige den Film nicht an. Wobei Kinderfilme, genauso wie Jugendbücher, tolle Bücher sind und meist besser. Deswegen lese ich die gerne und finde einfach immer wieder Stoffe, die man erzählen muss. Und man findet immer wieder Mitstreiter, die es mit einem wagen. Das ist auch unser Auftrag: Den Großproduktionen wie „Twilight“ oder „Harry Potter“ was kleines, deutsches entgegenzusetzen, das zwar nicht mithalten kann, aber anders ist, anders sein soll. Und von Jugendlichen wird das extrem gern angenommen, wenn es eine deutsche Geschichte ist und mit ihnen was zu tun hat. Nicht nur, dass sie die Schauspieler kennen, sondern weil es ihre Welt ist und nicht Fantasy.

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Zu der Arbeit in Polen: Haben sie das ganze Team mit nach Polen genommen?

Ja. Ich habe zwar schon sehr früh auf der Filmakademie in Ludwigsburg den Niklai Pokomski, meinen Co-Produzenten getroffen, weil der da diese Master-Class gemacht hat und fließend Deutsch konnte. Und den Stoff gab es schon ein Jahr. Als ich ihn dann getroffen habe, hab ich zu ihm gesagt: „Komm, lass uns das gemeinsam machen, ich brauch dich als Partner und ich will keine ausführende Produktion, sondern einen Co-Produzenten!“ Das bedeutet, dass er auch in Polen Gelder für den Film aufgetrieben hat. Service-Produktion wäre: „Hier hast du Geld wir müssen in Polen drehen, für das Budget. Ich kenn mich nicht aus. Mach du!“ Und so was wollten wir nicht. Wir sind gemeinsam nach Polen gefahren. Vor drei Jahren sind wir im Sommer da hoch gefahren, zu acht in einem Bus. Da haben wir dann realisiert, dass Polen keine Autoahn hat, man fährt ständig auf der Landstraße. Berlin, Danzig dauert acht Stunden im Sommer. Aber es war sehr toll. Auch weil er sehr früh da war und bei der Drehbuchentwicklung immer mal wieder Tipps gegeben hat. So konnten wir auch ein paar deutsch-polnische Witze einbauen, natürlich weil er auch immer paroli gegeben hat und das Polenbild geschärft, wenn wir da irgendwas verkehrt gemacht haben und uns vielleicht etwas zu pitoresk uns vorgestellt haben , hat er gesagt, dass das so nicht mehr stimmt. Natürlich hat er extrem geholfen beim Finden der Locations vor Ort. Auch diese Deals zu machen, die meistens nur mündliche Vereinbarung sind, von denen ich gar nicht wissen will, wann er die wirklich unterschreiben hat. Also dieses essentielle Motiv „Schiff“ hatte er glaube ich einen Tag vorher. Das war eingefroren und stand schon seit Oktober im Danziger Hafen, und wenn aber ein Auftrag reingekommen, wäre das rausgefahren. Am Ende hat sich aber alles wunderbar gefügt und das ist ein großer Nährwert für das Team gewesen. Es war hauptsächlich ein deutsches Team. Konzept war es aber, dass sobald es über die Grenze geht, gibt es nur noch polnische Schauspieler. Es wird ja auch nur noch Polnisch geredet, bis dann eine Übersetzerfigur auftaucht. Und auch Lene, die da mal herkam, kann kein Polnisch. Sie war eine Deutsche, die dort gelebt hat. Das haben wir erzählen wollen und das haben wir auch alle selber erlebt. Da hilft dann nur Englisch. Viele der Teammitglieder haben wir aber danach ausgesucht, ob sie beides, also Deutsch und Polnisch konnten.

Und haben Sie auch Teammitsprache?

Ja, total. Der Kameramann zum Beispiel ist für den Regisseur ein ganz wichtiger Mann. Da haben wir den gleichen wie bei „Blöde Mütze“, weil er auch Kinderfilme mag. Da muss man auch mal sagen „Man muss jetzt auch mal drehen, man kann die Kinder nicht die ganze Zeit im Winter stehen lassen“. Er darf niemand sein, der sich da jetzt künstlerisch verwirklichen will und die Lampe noch fünfmal herumschiebt, bis es so aussieht wie es aussehen soll. Aber es muss natürlich auch zwischenmenschlich funktionieren. Aber es gibt auch von unserer Seite aus Vorschläge bei der Teambesetzung, mit denen wir schon gut zusammengearbeitet haben bei vorherigen Projekten. Da muss man auch immer aufs Budget achten. Was bringt uns eine Ausstatterin, die zwar tolle Sets baut, aber ihr Budget nicht einhält. Am Ende zahlen wir, die Produktion, drauf. Und da kann man eben durch die Zusammensetzung von Teams schon vorbeugen. Und im allerschlimmsten Fall muss man den Nothahn ziehen und auswechseln. Das wäre so der Worst Case, weil man natürlich dem, der neu hineinkommt Zeit geben muss, um sich einzuarbeiten und das viel zeit und Geld kostet. Deshalb ist es wichtig, dass man teamkompatibel ist. Natürlich sind das alles Kreative, aber man muss sich da … aber das ist eigentlich Standard.

Und wie ist da der Einfluss des Produzenten? Entscheidet der Produktionsleiter oder der Produzent?

Man arbeitet da zusammen. Natürlich hat man den Produktionsleiter fest installiert, dass er im schlimmsten Fall der Bad Boy ist und sagt „Nein geht nicht. Den Drehtag streichen wir. Das Set ist zu teuer“ und so was. Man entscheidet aber zusammen. Aber er setzt auch Schwerpunkte im Film, wenn ein Bild, eine Szene sehr teuer ist, aber für den Film sehr wichtig und der Regisseur sie haben möchte, dann behält man sie im Hinterkopf und schaut, ob man vielleicht wo anders etwas schenken oder weniger aufwändig machen kann. Aber das muss der Regisseur dann auch zu würdigen wissen. Immer nur „ich will, ich will, ich will“ geht nicht, auch wenn sie es am Anfang natürlich immer versuchen.

Noch zum Dreh im polnischen Winter. Ist da alles soweit glatt abgelaufen, oder gab es auch Tage oder Situationen, an denen sie erleichtert waren, dass es vorbei ist?

Also grundsätzlich (klopft auf Holz) ist alles sehr gut gelaufen. Es war gut vorbereitet, oder wie ich es gesagt habe, polnisch vorbereitet. Aber es gibt Mentalitätsunterschiede, an die man sich gewöhnen muss. Wir können denen dort ja nicht das deutsche System aufoktroyieren. Wir haben deutsch-polnische Dispos gemacht, damit alle es lesen können. Wann ist Arbeitsbeginn, was wir gedreht, was machen wir? Aber gelegentlich, kommen wir Deutschen eher am Vorabend auf die ein Motiv anzuschauen, oder wenn es über Nacht viel geschneit hat eine Stunde früher aufzustehen, um Schnee zu räumen. Aber die polnischen Kollegen sind dann sehr improvisationsfreudig und dann zum Beispiel mit Traktoren ankommt, mit denen man den Schnee noch schneller wegkriegt. Insofern führt alles zum gleichen Ergebnis du ist im Endeffekt auch witzig, wenn man sic eingespielt hat und weiß, wie die das machen. Also nein, alles ist toll gelaufen. Obwohl ein Dreh im Winter immer ein bisschen aufwändiger, weil du ans ganze Team denken musst, an Kleidung, an Versorgung. Es waren auch alle daruf vorbereitet, es stand keiner in Sandalen rum. Den Schauspielern wurden von der Kostümabteilung Wärmepeds auf die Haut geklebt, weil deren Kostüme im Film nicht übermäßig warm waren und immer Leute mit Decken zum Wärmen bereit standen, sobald abgedreht war. Oder es gibt heißen Tee am Set, oder Wärmezelte werden aufgestellt. So etwas fällt natürlich beim Sommerdreh weg. Da muss jeder eher die Sonnencreme draufpacken und es muss mehr Wasser und Obst geben. Aber diese Unterschiede sind schön und deshalb wollten wir den Film unbedingt im Winter drehen, weil man das eher selten sieht – eine Geschichte, die nur im Winter spielt. Und der Film soll von jetzt an ruhig immer an Weihnachten in der ARD ausgestrahlt werden, das ist auch so ein Hintergedanke.

Letzte Frage noch: Wie wird man Produzent? Sie haben ja Germanistik und Kunstgeschichte studiert.

Durch Zufall (lacht). Nein, also es war schon immer eine Liebhaberei aber ich hab mich nie getraut mich an der Münchner Filmhochschule zu bewerben, war aber immer eng in Kontakt und habe dort mittlerweile fünf Abschlussfilme von Studenten produziert, von Spielfilm bis Dokumentarfilm. Ich habe im Kino gejobbt und Film, das war schon immer mein Ding. Aber zum Produzieren kam ich eigentlich wie die Jungfrau zum Kind. Ich hab den Johannes kennengelernt, der seinen nächsten Film machen wollte und natürlich nicht immer die gleichen Mühlen und vom JFF Geld bekommen, damals so um die 8000 Mark, sondern wollte ganz anständige Filmförderung vom Bayerischen Rundfunk bekommen, Filmmaterial bekommen, in Farbe drehen und so weiter und so haben wir diese Firma „schlicht und ergreifend“ gegründet. Dann haben wir ein Firmenkonto eingerichtet, diese Förderung beantragt, ein Stipendium…und so ging es los. Man wird aber sofort bei allen Dienstleistern ernstgenommen. Ob Kopierwerk, Kameraverleih, Licht oder sonst was, weil die dich natürlich schon als zukünftigen Kunden sehen. So „Dann kriegen wir die mal einen guten Preis und dann helfen wir denen da mal. Und wenn die dranbleiben und beharrlich sind und den ersten langen Film machen, dann holen die uns wieder ins Boot.“ Und so bleibt man denen auch immer treu. Wenn die uns am Anfang geholfen haben, helfen wir denen, wenn wir wachsen und vielleicht mal Budget haben, was trotzdem nie reicht. Bei jedem Film ist es so, dass das Budget zu knapp ist und man wieder bei den Partnern betteln gehen muss. Es ist nicht auf einmal so, dass man dann das Füllhorn ausschütten kann, sondern es ist jedes Mal wieder eine neue Situation. Jedes Mal denkt man, man weiß, wie es läuft aber jedes Projekt ist anders. Aber das macht es jedes Mal interessant und so wähle ich auch die Filme aus. Jetzt ist Polen erledigt, jetzt hab ich vielleicht Lust, was in Kanada zu drehen.
Aber Quereinsteiger. Nach dem Germanistikstudium habe ich mir ein Jahr Zeit gegeben und es probiert. Dann bin ich zur Filmhochschule gegangen, weil ich wusste, dass die in den Semesterferien immer ihre Prüfungsfilme drehen. Dann hab ich angeboten, natürlich nicht Kamera, weil das eine technische Sache war, aber alles andere, ob als Fahrer oder beim Ausstattungsdepartment irgendwelche Möbel trägt. Hauptsache man ist dabei. Kurzfilme dauern so ungefähr eine Woche und dann wird man so durchgereicht. Und dann wird man gefragt ob man nicht da noch helfen könnte und so lernt man Leute kennen, bis dir einer anbietet: „Mensch die drehen da einen Fernsehfilm und denen ist ein Praktikant ausgefallen. Meld dich doch mal!“ Und so kam ich ans Set und hab gesehen, wie das läut. Dann hab ich immer en Kabel in der Hand gehalten dass sie mich ja nicht wegjagen und dann wurde es Winter und dann bin ich ins Büro gekommen, zum Produktionsleiter. Da war es aber schon klar, dass ich mit Johannes diese Firma gründe. Und die ganzen Schauspielkataloge, die ich als Praktikant wegwerfen sollte, habe ich abends nach Hause getragen und meine eigene Bibliothek aufgemacht. Und so fängt man an zu wissen, dass es Agenturen gibt und Castingfrauen. Oder ich habe in der Buchhaltung mitgemacht und gemerkt was an der Abwicklung eines Filmes noch für ein Rattenschwanz mit dranhängt. Der Produzent ist bein einem solchen Projekt immer am längsten beschäftigt. In der Stofffindung, der Vorbereitung, dem Dreh, der Fertigstellung, der Abwicklung und dem Vertrieb. Wenn man einen fertigen Film hat muss der ja auch veröffentlicht werden. Kommt der ins Kino, oder auf DVD, oder auf Festivals natürlich. Ich bin jetzt seit einem Jahr auf Festivals. Das ist auch so was. Man schreibt zehn Festivals an und zwei, vielleicht drei nehmen dich. Dann muss man eine Festivalstrategie entwickeln. Aber selbst wenn man abgelehnt wird, reiche ich den nächsten Film da gleich wieder ein, um zu zeigen, dass wir wieder da sind. Vielleicht passt der dann besser ins Programm. Wenn es nun mal in einem Jahr viele Großmutter-Kind-Geschichten gibt, braucht man vielleicht nicht noch einen und nur weil man abgelehnt wird, ist der Film ja nicht schlecht.

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Und was macht dich so zuversichtlich macht, dass dieses sperrige Thema Deutschland-Polen, Mädchen-Oma angenommen wird und schlussendlich das Geld, das Sie hineinstecken wieder herauskommt.

Das ist ja überhaupt nicht sicher! Da fallen wir mit Sicherheit bei der Finanzierung in den Topf „Kulturell wertvoll“, „Gewünscht“. Wir hatten den Stoff, da war Polen noch nicht in der EU. Als die dann drin waren haben wir sofort Anträge gestellt, deswegen dachte ich, dass das auch politisch gewollt wurde. Wir sind Originalstoff, keine Jugendbuch-Bestseller-Verfilmung, wie es alle machen und das ist auch gemocht bei den Sendern. Und uns hat inhaltlich die Emotionalität de jungen Mädchen und der alten Frau gereizt. Dass die sich gegenseitig helfen können und müssen und voneinander erfahren. Es ist ja nicht die eigene Oma. Und trotzdem jemanden lieben zu lernen, über eine solch lange Zeit und einer unfreiwilligen Autofahrt, hat man ja als Zuschauer auch einen Einblick vom Leben der beiden bekommen. Ansätze bei der Vermarktung sind natürlich Schulkinos und –vorstellungen, dazu ist extra Arbeitsmaterial erstellt worden und kann ja immer in Erdkunde oder Deutsch oder Geschichte eingebaut werden. Und das ist der Vorteil daran, dass wir nicht Harry Potter sind weil den die Kinder sowieso schon gesehen haben. Und das ist toll für Schulausflüge ins Kino, wenn man dann tatsächlich einen unbekannten Film sieht und den aufbereiten kann. Der Ansatz deutsch-polnisch liegt daher, dass es in Deutschland rund fünfzig polnische Gemeinden gibt, das wusste ich vorher gar nicht. Fürs Filmfest in München hab ich dann die polnische Studentenschaft in München kurzfristig kontaktiert und bin in den Verteiler gekommen. Deren Freunde sind zwar so zwanzig, dreißig aber trotzdem interessiert, wenn ihre Sprache gesprochen wird und die ganzen polnischen Superstars drin sind. Diese eine Darstellerin ist gerade sehr upcoming, das haben wir gemerkt, als all die Hafenarbeiter ganz gschamig mit ihren Handys rumgelaufen sind und Fotos gemacht haben. Ich kannte die nicht und sie war wirklich ganz bezaubernd und hat Deutsch studiert und es war eine tolle Begegnung.

Bist du der Meinung, dass die Deutschen dringend mehr über Polen wissen sollten?

Wir sind ja deshalb zum rbb gegangen. Die Geschichte beginnt in Berlin, die haben eine Affinität zu Osteuropa, zu Festivals in Cottbus oder Chemnitz. Dann läuft man in der Redaktion Türen ein, bis sich dann herausstellt, dass Polen in den Sommermonaten immer mehr als Reiseland entdeckt wird. Und vor drei Jahren habe ich Polen zum ersten Mal besucht, im Sommer in Danzig. Es ist eher so, ich finde das junge Europa wächst immer mehr zusammen und diese Berührungsängste gibt es nicht und es gibt diese Initiativen, die auch von den Förderern in den letzten Jahren immer mehr aufgegriffen wurden und da haben wir wie die Faust aufs Auge draufgepasst, deswegen war das auch politisch gewollt, aber wir werden sehen, ob das Publikum findet ob es wichtig ist das zu sehen.

Das Interview führten: Marco Eisenack, Julian Zeh, Britt-Kerstin Schmitt, Tanja Ahrend und David Kreisl

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