Kultur, Live

Raz Ohara erspielt sich ein Wohnzimmer

Vor gut einem Jahr haben Raz Ohara and the Odd Orchestra in der damals noch sehr lebendigen Registratur gespielt. Heute Abend sind sie wieder in München. Ein Rückblick als Ausblick.

Es war Samstag und sie gingen relativ spät auf die Bühne der Registratur, nach 24 Uhr muss es gewesen sein. Jedenfalls war die Stimmung im Club schon gut, es lief Bassmusik, mächtig und dröhnend und die Menschen waren in Partystimmung. Nach dem Konzert, es muss kurz nach zwei Uhr gewesen sein, saßen alle auf dem Boden vor der Bühne, völlig in sich selbst versunken.

Musik kann einen Raum, auch die Menschen darin, grundlegend verändern. Vorher ging es um kollektive Leidenschaften. Um Spaß, zum Beispiel. Danach – kaum einer, der das nicht spürt – war der Raum erfüllt von individuellen Emotionen, von Traurigkeit, von  Sehnsucht.

Raz Ohara, der als schwierig, introvertiert gilt, hat das hinter seinem Rhodes Piano geschafft. Ohara, bürgerlich Patrick Rasmussuen und Däne, jetzt in Berlin lebend, schaute nichts an, schaute durch alle hindurch. Der Belgier Oliver Doerell – er nennt sich The Odd Orchestra – drehte derweil vor seinem Laptop völlig entspannt seinen Kopf im Takt. Es sah aus, als säßen die beiden bei sich zu Hause, im Wohnzimmer. Live, unterstützt von einem Schlagzeuger und einem Gitarristen, entfaltete der elektrifizierte, minimalistische, wehmütige Songwriter-Pop in dieser Nacht einen ungeheuren Sog. Die beiden verschwanden auf der Bühne hinter ihren Songs, wirkten so zugleich demütig und hochmütig, scheu und arrogant. Nach vier Liedern ließ Ohara das Licht herunterdimmen.

[Update: Gerade im Zündfunk gehört: Das neue Album klingt luftiger, optimistischer als das alte Material. Heute Abend also wahrscheinlich weniger Traurigkeit, dafür mehr Ermutigungs-Melancholie. Auch schön.]

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Raz Ohara and the Odd Orchestra spielen heute, 10. Dezember um 20 Uhr im Hansa 39 (Feierwerk, Hansa Straße 39). Der Sog kostet 14 Euro.