Kultur, Live

Roman Fischer Рganz sch̦n uneindeutig

Sebastian Gierke
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Ganz am Ende, nach der letzten Zugabe, legt er sich seine Hände auf die Brust. Ein paar Haarsträhnen, nass von Schweiß, kleben ihm im Gesicht, das langsam ein Lächeln erobert. Der Blick ist wie so oft während des Konzertes auf einen Punkt in der hier, im engen Atomic Café gar nicht vorhandenen Ferne gerichtet. Roman Fischer sagt: „I love you all from the Bottom of my Heart.” Er breitet die Arme aus. Und Abgang. Was für ein Kitsch! Oder war das Ironie?

War das Lächeln ein Hinweis auf die Ironie? Schon wieder: uneindeutig.

Roman Fischer verbirgt unter seinem Scheitel feine Gesichtszüge, ist hochgewachsen, extrem schlank. Der Wahlberliner, der lange in Augsburg lebte, wirkt androgyn, inszeniert das allerdings auf der Bühne nicht offensiv.

Doch er spielt auf viele Arten mit der Uneindeutigkeit – und genau deshalb gelingt ihm und seiner dreiköpfigen Band ein großartiges Konzert. Weil er einen Warten lässt auf die Erlösung und im Warten so viel Erwartung steckt. Weil er sich nicht für die Melancholie oder das Glücksgefühl entscheidet, sondern die beiden in einigen Augenblicken sogar so nahe zusammenbringt, wie das eigentlich nur in den selten Momenten der Ekstase geschieht. Weil er, talentierter Songwriter, irritierend mystische, düster wirkende Liedteile und poppige, hymnische bruchlos zusammenfügt.

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So verharrt er auch auf der Bühne in einer Position des Übergangs, zwischen den musikalischen Welten und Identifikationen. Und man spürt bei dem 25-Jährigen die Sorge, sich möglicherweise nicht brillant genug auszudrücken und dadurch als das Klischee zu erscheinen, das er ständig bekämpft. Nicht alles klingt total aufregend oder gar eleboriert, aber im Übergang vom Seichten zum Dramatischen entsteht eine Spannung, die live überrascht. Der Kitsch stört nicht, gerade im Pop ist die Unterscheidung zwischen Kunst und Kitsch sowieso schon lange obsolet. Es ist ein bisschen wie bei einem Gedicht, das man nur in dem Moment ganz und gar versteht, in dem man es liest. Nicht vorher nicht nachher. Denn schon kurz nach dem Konzert ist nicht mehr ganz klar, warum das gerade so gut war. Aber gut, das war es.

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