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Schöne neue Arbeitswelt?

Kristin Ofer

So könnten Nachrichten im Jahr 2050 klingen. Auch wenn Zukunftsprognosen ein schwieriges Unterfangen sind, sind sich Forscher weitgehend einig, dass die Deutschen 2050 im Durchschnitt älter, kulturell vielfältiger und weniger sein werden. Das Statistische Bundesamt rechnet damit, dass dann jeder Achte Deutsche über 80 Jahre alt sein wird. Und trotz deutlich steigender Zuwanderungszahlen geht die Behörde davon aus, dass 2050 etwa 13 Millionen weniger Menschen in Deutschland leben werden als heute.

Besonders stark wird die Bevölkerungsgruppe der 20- bis 60-Jährigen schrumpfen. Also die Menschen, die klassischerweise einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung ausmachen. Und dann? Schließlich bescheinigt die soziologische Fachliteratur ausgerechnet dieser Gruppe, besonders viel zur „Wertschöpfung einer Gesellschaft“ beizutragen, weil sie mit ihren Steuern und Beiträgen den Löwenanteil der Finanzierung des Sozialstaates leistet und mit ihrer Arbeits- und Kaufkraft das Wirtschaftswachstum auf hohem Niveau hält.

Vielleicht nicht schön, aber neu

Muss der Sozialstaat dann radikal umgebaut werden? Verliert Deutschland seinen Status als internationale Wirtschaftsmacht? Wird dann jeder hier ankommende Zuwanderer wegen seiner potenziellen Arbeitskraft bejubelt? Eindeutige Antworten auf diese und andere große Fragen wird es wohl erst im Laufe der kommende 34 Jahre geben.

In diesem Beitrag steht der Schlüssel zum besonderen gesellschaftlichen Wert der am stärksten schrumpfenden Bevölkerungsgruppe im Mittelpunkt: Arbeit. Ob die deutsche Arbeitswelt 2050 schön wird, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, dass einiges neu werden wird, dagegen schon. Hier erklären ein Arbeitsmarktexperte, Start-Up-Berater und junge Menschen, die gerade am Anfang ihres Berufslebens stehen, ob sie Angst haben, in Zukunft von einem Roboter ersetzt zu werden, warum Arbeitslosigkeit auch in Zukunft ein Problem bleiben wird und wie „tinder“ für Jobs funktioniert.



Arbeitsmarktexperte Jochen Semmler hat es bereits angedeutet: Unternehmen müssen attraktive Rahmenbedingungen schaffen, wenn sie gut ausgebildete Mitarbeiter für sich gewinnen wollen. Firmen, die das heute bereits vormachen sind die großen IT-Giganten aus dem Silicon Valley: Google, Facebook und Co.

All diese Unternehmen haben eine große Gemeinsamkeit: Sie haben als Start-Ups angefangen und sind die Erfolg gewordenen Träume zahlreicher potenzieller Nachahmer. Entweder selbst Gründen oder im „nächsten großen Ding“ als Mitarbeiter anheuern – Start-Ups üben schon heute große Faszination auf die jungen, bestens ausgebildeten Menschen aus, die in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt schwer umkämpft sein werden.

Ob die Start-Up-Szene die Arbeitswelt der Zukunft revolutionieren wird, lässt sich schwer vorhersagen, beeinflussen wird sie sie auf alle Fälle. Mehr dazu weiß Start-Up-Berater Thomas Kösters.


Airhockey und Arbeit

Schöne neue Arbeitswelt – in Zukunft können wir also, wenn es uns irgendwo besonders gut gefällt, einfach auf dem Smartphone kurz nachsehen, ob dort in der Nähe ein passender Job frei ist. Zumindest für die gut ausgebildeten Fach- und Führungskräfte, sieht die Arbeitswelt der Zukunft rosig aus. Seltenheit macht schließlich kostbar. Die arbeitende Bevölkerung schrumpft und die Konkurrenz um Talente wird härter.

Die großen IT-Giganten aus dem Silicon Valley bieten schon heute einen Vorgeschmack auf den drohenden Kampf um die besten Köpfe. Am Münchner Googlestandort gibt es beispielsweise ein Musikzimmer, um sich für kreative Pausen zurückzuziehen; einen Hometrainer mit dem man einen Smoothie-Mixer antreiben kann, eine Eisbar, einen Airhockeytisch, Barista-Kurse für das perfekte Muster im Cappuccinoschaum und noch so viel mehr, dass die kostenlosen Mahlzeiten nach Rezepten von Jamie Oliver und das firmeneigenen Fitnessstudio kaum noch überraschen. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind hier fließend. Feste Arbeitszeiten gibt es auch nicht. Wann und wo man seine Projekte erledigt, ist nicht so wichtig, so lang das Ergebnis stimmt.

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps – oder doch nicht?

Während sich vor allem junge Menschen um die Jobs bei Google, Facebook und Co. reißen, rümpfen Ältere oft die Nase über die vermeintliche Infantilisierung des Arbeitsplatzes, schließlich ist Dienst Dienst und Schnaps ist Schnaps. Doch die aktuell jungen Erwachsenen, besser bekannt als „Millennials“ oder „Generation Y“, die noch relativ am Anfang ihres Berufslebens stehen, fragen sich, „why“, warum darf Arbeit nicht auch Spaß machen?

Wenn man genug arbeitet und viel Geld verdient, dann kann man in ein paar Jahren das Leben genießen – diese Spekulationsblase der alten Arbeitswelt ist geplatzt. Wenn die heute 18- bis 35-Jährigen 2050 langsam ins Rentenalter kommen, wird es das Rentensystem, das bereits heute immer schlechter funktioniert, weil nur noch zwei Beitragszahler einen Rentner finanzieren müssen, vermutlich nicht mehr geben.

Auch wenn sich noch nicht voraussagen lässt, was genau in Zukunft mit der Rente in Deutschland passiert, ist sicher: Die Deutschen werden länger arbeiten müssen, viele von ihnen vielleicht so lang wie es ihnen körperlich und geistig irgendwie möglich ist. Und wenn ein Airhockey-Turnier mit den Kollegen zwischen zwei Besprechungen dabei hilft, auch mit 70 noch gern zur Arbeit zu gehen, ist ein bisschen mehr Freizeit beim Arbeiten vielleicht gar keine so schlechte Idee.

 


 

Maschinen, wo früher Menschen Fahrkarten, Zigaretten und Snacks verkauft haben.

Maschinen, wo früher Menschen Fahrkarten, Zigaretten, Snacks und Souveniers verkauft haben. Die spannende Frage, in welchen Bereichen im Jahr 2050 Automaten “wegrationalisierte” Mitarbeiter ersetzen und wo sich die Menschlichkeit durchsetzen wird, kann wohl nur die Zeit selbst beantworten.

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