Anzeige, tagebook von Talal und Amjad

Talal und Amjad: Ankunft in der Bayernkaserne

Vom Roten Kreuz gerettet und in einem Flüchtlingslager in Catania untergebracht, wollen Talal und Amjad trotzdem gleich weiter. Ihr Ziel ist Deutschland. In Italien wollen sie nicht bleiben. Lest in dieser Episode den vorerst letzten Teil der Geschichte von Talal und Amjad:

Foto: Wikipedia

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Wasser, etwas zu Essen und Decken bekommen sie vom Roten Kreuz in Catania. Sie befinden sich in einem Erstaufnahmezentrum auf Sizilien. eigentlich könnten sie hier sofort einen Asylantrag stellen, aber sie wissen, dass Italien völlig überfüllt ist mit Flüchtlingen. Sie wissen auch, dass in Italien Flüchtlinge nicht sehr willkommen sind. Und sie sehen am Zustand des Flüchtlingslagers in Catania, dass der italienischen Regierung wohl auch das Geld ausgeht, um die Leute anständig zu versorgen. Talal wollte von Anfang an nach Deutschland. Er ist großer Fussballfan und hat sich über den Fussball hinaus schon viel mit Deutschland beschäftigt. Es ist das Ziel seiner Träume.

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Nach der ersten Nacht in Cantania und der verweigerten Erstaufnahme, sollen sie gemeinsam mit anderen Flüchtlingen nach Mailand gebracht werden. Erst müssen sie jedoch fünf Tage auf ihren Zug warten. Sie schlafen in der Turnhalle einer Schule. Die beiden fahren in getrennten Zügen nach Mailand und treffen sich erst am Statione Centrale wieder. In Mailand schlafen sie wieder in einer Schule und lernen dort einen Typen kennen, der Italienisch spricht und der ein Auto organisiert hat, um damit nach Kopenhagen zu fahren. Zu sechst quetschen sie sich in einen Kleinwagen und fahren Richtung Norden.

Kurz nach der deutschen Grenze, kurz vor Rosenheim, werden sie von der Polizei aufgehalten und sie werfen sich vor den Beamten auf die Knie. Sie flehen um Asyl. Man gibt ihnen die Adresse der Bayernkaserne und lässt sie weiterfahren. Ihr Fahrer lässt sie in München am Hauptbahnhof raus und sie stehen wieder einmal völlig orientierungslos in einer fremden Stadt. Doch sie finden einen Taxifahrer, einen Afghanen, der die Adresse kennt und der sie umsonst in die Bayernkaserne bringt.

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Nach drei Monaten Flucht stehen Talal und Amjad endlich auf dem Boden der Bayernkaserne. Zuallererst werden Fotos von ihnen geschossen, sie müssen eine Selbstauskunft ausfüllen, was schwer fällt, denn die Formulare sind deutsch. In einem Warteraum zieht man eine Nummer und wird aufgerufen, um mit seiner Herkunft in das bundesweite Verteilungssystem aufgenommen zu werden. Es wird ein Termin mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vereinbart, bei dem dann auch ein Dolmetscher anwesend sein soll.

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Der zweite Termin betrifft die Gesundheitsuntersuchung. Die findet normalerweise in der ersten Woche des Aufenthalts auf dem Gelände der Bayernkaserne statt. Wegen der Überzahl an Neuzugängen ist man gerade mit ca. 400 Untersuchungen im Verzug. Der freiwillige Arzt sucht insbesondere nach ansteckenden Krankheiten wie offene TBT oder Krätze. Die Ankömmlinge sollen geröngt werden und geben eine Stuhlprobe ab. “Die Muttersprache der Bayernkaserne sind Hände und Füße”, sagt eine Mitarbeiterin.

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In einem Büro des Sozialreferats findet der Asylbewerberleistungsgesetztvollzug statt, das heißt es wird kleines Taschengeld von 130 Euro im Monat ausgegeben. Die ersten drei Tage verbringen Talal und Amjad in Feldbetten in einer alten Garage, bevor sie in eines der Häuser verlegt werden. Maximal 50 Tage sollen sie in der Heidemannstraße bleiben, wo sie sehr zufrieden sind. “Hier behandelt man uns wie Menschen”, sagt Talal, “auch unter den Bewohnern gibt es keine Schwierigkeiten, keine Gewalt, keine Drogendeals – alles gut.”

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Garagen werden zu Schlafsälen umfunktioniert

Doch nicht alle sind so glücklich mit der Bayernkaserne wie die beiden Jungs. Den Grünen fehlt eine langfristige Planung der Regierung Oberbayern. Die flüchtlingspolitische Sprecherin, Christine Kamm kritisiert, dass man nicht besser auf die täglich 150 bis 200 Neuzugänge vorbereitet ist:

“Völlig klar, dass man nicht im Winter übers Mittelmeer fährt, sondern im Sommer, weil da die Möglichkeit, das lebend zu schaffen, größer ist. Und das ist überhaupt kein Wunder, wie sich diese Entwicklung abzeichnet. Was wir kritisieren an der bayerischen Flüchltingspolitik ist, dass man letzendlich wartet und kurz bevor alles zusammenbricht dann Notlösungen schafft. Es ist aber nicht damit getan zu hoffen, dass das wieder vorbeigeht, was aber viele tun.”

Auch auf Seiten der Anwohner gibt es Verstimmungen. Es wurden eigens Facebook-Gruppen ins Leben gerufen, die – einige aggressiver als andere – gegen den Verbleib der Flüchtlingseinrichtung aufrufen. Sogar eine Demonstration gegen das Asylbewerberheim sollte es nächste Woche geben, die wurde allerdings aus Angst vor übermäßiger rechter Präsenz wieder abgesagt. Mehr dazu findet ihr in unserem Artikel Geschlossene Facebookgruppen und die Bayernkaserne.

 

Autoren: Christoph Kürbel und Sophie Mathiesen

Hier gehts zu den vorherigen Artikeln:

1. Talal und Amjad: Wege in die Bayernkaserne

2. Talal und Amjad: Die Heimat verlassen

3. Talal und Amjad: Libyen und die Sahara

4. Talal und Amjad: Die Überfahrt

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