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“What are you burning for?” – Jan Kuck im Porträt

Anjuscha Nitsche

Jan Kucks Werke sind momentan im Copenhagen Light Festival, bei HOTO in Berlin und in Köln im Maison Marsil sowie in seiner Einzelausstellung WORDS ARE OVERESTIMATED / Galerie Koppelmann zu sehen. Und bis vor kurzem mit einer Neonarbeit auch in einem unserer Clubhäuser. Sie sind kaum zu übersehen und ziehen einen mit bunten Farben und zum Nachdenken anregenden Sprüchen in den Bann. Höchste Zeit also euch den Wahl-Münchner Jan Kuck, seine Kunst, Inspirationen und Ideen vorzustellen.

Jan Kuck und sein langer Weg zur Kunst

Geboren und aufgewachsen in Berlin kam Jan Kuck erst über Umwege nach München und zur Kunst. „Es war ein langer Weg, gegen den ich mich lange gewehrt habe.“ Nachdem er zuerst Jura studierte, brach er dieses Studium erfolgreich ab, um stattdessen Konzeptkunst zu machen. Dennoch war für ihn wichtig, eine geistige Grundlage für diese Form der Kunst zu haben und eine andere Art und Weise des Denkens zu erlernen, weswegen er beschloss ein Studium der Geschichte und Philosophie aufzunehmen.

Nicht zuletzt dieses Studium ist einer der Gründe, warum Jan Kucks Kunst nun so ist wie sie ist. Seine Werke sind eine Art Spiegel der Gesellschaft, die Menschen dazu bringen sollen über sich selbst, aber auch gesellschaftliche Missstände nachzudenken. Bevorzugt arbeitet er mit Glas, Holz oder Beton: Inspirierend sind für ihn das Harte und Fragile zugleich im Glas, die Lebendigkeit des Holzes und die Widersprüchlichkeit des Betons, weil dieses Material seiner Aussage nach zum einen die Brücken der Obdachlosen und zum anderen die Lofts der Reichen erbaut. Kuck wählt seine Arbeitsmaterialien mit Bedacht und misst ihnen stets eine tiefere Bedeutung bei.

Viele Werke von Kuck sind politisch motiviert oder beziehen sich gezielt auf politische Ereignisse oder Missstände. Es geht hierbei nicht darum, mit dem Zeigefinger auf Menschen zu zeigen, sondern viel mehr darum, die Konsequenzen individueller und kollektiver Entscheidungen aufzuzeigen, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen.

‘Arachne’ – Eine Kritik an der Gesellschaft und eine Hommage an die Frauen


Eines von Kucks erfolgreichsten und eindrucksvollsten Werken ist ‘Arachne’. Mit dem Ziel ein Werk zu erschaffen, das die Themen Frauenrechte und Textilhandel thematisiert, erarbeitete Kuck eine leuchtende Installation. Was auf den ersten Blick wie ein Teppich mit hineingewebten Mustern erscheint, erzählt auf den zweiten noch viel tiefere Geschichten: Auf Glasfasergewebe malte Kuck mit Säure Bilder in den Teppich. So sieht man zum Beispiel ein vierfach gespiegeltes Bild der Textilfabrik in Bangladesch, die 2013 einstürzte und 1100 Menschen das Leben kostete oder die Umrisse einer Näherin in Bangladesch.

Der Teppich soll einerseits Kritik daran äußern, dass hauptsächlich Frauen unter den menschenunwürdigen Bedingungen der Textilindustrie leiden und zugleich eine Hommage an die Stärke und Kraft genau dieser Frauen sein. Der Titel ‘Arachne’ bezieht sich auf eine Geschichte aus der griechischen Mythologie, in der sich die Weberin Arachne nicht von der Göttin Athene unterkriegen lässt und zur Strafe in eine Weberspinne verwandelt wird. Kuck möchte damit ausdrücken, dass Frauen noch immer bestraft werden, wenn sie für sich und andere einstehen, obwohl wir doch genau solche Frauen brauchen. Solche, die sich nicht unterkriegen lassen und für das kämpfen, was wichtig ist: Gerechtigkeit und Gleichstellung.

Aktuell ist dieses Werk beim Copenhagen Light Festival zu sehen, was für Kuck eine große Ehre und Freude ist. Denn es ist nicht nur das größte Light Festival Europas, sondern auch entgegen aller Annahmen äußerst energieeffizient. “Der Direktor Jesper Garde Kongshaug hat es geschafft, spannende Positionen internationaler Künstler so zu zeigen, dass sie sich gegenseitig befruchten, anstatt in Konkurrenz zueinander zu stehen”, so Jan Kuck.

Zwischen politischer Message und der Anregung zur Selbstreflexion


Für Kuck geht es in seinen Werken vor allem darum, etwas bei den Betrachter*innen auszulösen: Sei es, zum Nachdenken oder zur Reflexion anzuregen oder auch Menschen auf bestimmte Missstände aufmerksam zu machen. Beeinflusst von Kant findet Kuck, dass es darum gehe, die Grenzen der menschlichen Erkenntnis aufzuzeigen. Es geht um den Wunsch immer mehr zu erkennen und doch nie zum Ende zu gelangen.

Während sich manche Werke wie beispielsweise ‘Arachne’ auf politische Themen konzentrieren, beschäftigen sich andere damit, den Menschen zum Nachdenken über sich selbst zu bringen. Seine Installation ‘The Burning River’ an der Münchner Praterinsel im Jahr 2020 stellte die Frage „What are you burning for?“ Eine scheinbar simple Frage, die viele doch fast ratlos zurücklässt. Denn wofür brennt jede*r einzelne eigentlich?

Und dann gibt es wiederum Werke, die das Politische mit Selbstreflexion verbinden. Die Neon-Installation, die die Worte ‘who cares’ zeigt, beschäftigt sich mit dem Thema social responsibility und fasst zusammen, welche Verantwortung jede*r einzelne sich selbst zuschreibt, wenn es darum geht Missstände zu bekämpfen. Es verdeutlicht die oftmals verankerte Grundannahme, dass man als einzelne*r nicht viel verändern kann und somit auch kaum Verantwortung trägt für die Bekämpfung von Problemen wie Klimawandel oder struktureller Ungerechtigkeit.

“Kunst kann Menschen zum Nachdenken bringen, aber man sollte die Rolle der Kunst nicht überbewerten, denn am Ende ist es doch ‘nur’ Kunst”

©Olaf Wiehler

Die Werke von Jan Kuck brillieren durch eine gewisse Klarheit. Kunst muss nicht kompliziert sein, um zu berühren. Seine Werke leben durch Vielschichtigkeit, die nicht zwingend für alle auf den ersten Blick erkennbar ist und es auch nicht sein muss.
Die Intention hinter Kucks Kunst bleibt doch immer die gleiche: Menschen emotional und intellektuell zum Nachdenken zu bringen über sich selbst. Er selbst ist der Auffassung, dass die Kraft von Kunst etwas zu verändern nicht überwertet werden sollte, denn am Ende ist es doch ‚nur‘ Kunst. Dennoch kann Kunst bewegen und auf einen Weg lenken sich Gedanken zu machen über sich selbst oder die Welt.

Was ihn inspiriert wollten wir noch von ihm wissen: „Inspiration finde ich permanent. Wenn ich einfach durch die Gegend laufe, wenn ich Zeitung lese, wenn ich mich mit Menschen unterhalte und mit offenen Augen umherschaue. Die wirkliche Inspiration finde ich im alltäglichen Leben. Und darum soll es auch gehen in meiner Kunst.“

Aktuell hat Jan Kuck gemeinsam mit seiner Agentin Isabel Bernheimer verschiedenste Projekte weltweit in Planung. Im kommenden Jahr wird seine Installation ‘THE BURNING CANAL’, die das erste Mal 2020 in München als ‘THE BURNING RIVER’ realisiert wurde, groß in Kopenhagen umgesetzt. “Dieses in München geborene Projekt kann ich nun in die Welt hinaustragen, wofür ich München immer dankbar sein werde”, sagt Kuck uns zum Abschluss. Wer es also nicht bis nach Kopenhagen schafft, sollte die Augen und Ohren offen halten wo Kucks Werke in nächster Zeit zu sehen sind.


Beitragsbild: © LÉROT – Leon Greiner

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