Kultur, Leben

What really grinds my gear – Julia Engelmann

Jan Rauschning-Vits
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Bildschirmfoto 2014-01-22 um 16.36.08

Die Postings überschlagen sich.
Meist mit einem lustigen Smiley oder einem Zitat aus dem Video, haben in den letzten 10 Tagen gefühlte 150 Personen in meiner Facebook Freundesliste den Auftritt von Julia Engelmann beim Bielefelder Hörsaalslam geteilt. Mittlerweile hat sie so viel Öffentlichkeit auf sich gezogen, dass selbst Jan ‘Diss-Gott’ Böhmermann sich zu Wort gemeldet hat, um sie und ihren Text zu diskreditieren. Auf anfängliche Begeisterung folgte der Shitstorm.

Es wird bemängelt, dass besagte Julia Engelmann mit leeren Phrasen und Zitaten aus einem Schmetterling Pop-Elektro Track Quote machen will.
Mit den für die aktuelle Jugend angesagten Themen (faul sein, Smartphones etc.) versucht sie wach zu rütteln, Leute dazu zu bringen mehr zu wagen, sagen ihre Fans.

Das Leben voll leben.
Wer will das nicht? Und vor allem, wer tut das nicht?

Jeder will heute engagiert sein und sich für das Klima, Tierschutz oder Frieden einsetzten. So viele Leute halten sich für politisch gebildet und belesen. Doch der Pseudoaktivismus den viele Poster an den Tag legen könnte kaum geheuchelter sein.

Jeder hält sich für einen Abenteurer. Ausland hier, Trecking Tour da. Schnell mal nach New York jetten, um ein neues Facebook Titelbild zu schießen. Doch die Urlaube sind dann doch meistens vorher gut geplant, mit Hotels und sicheren Flugverbindungen. Wer packt denn heute noch den Rucksack und stellt sich mit dem Daumen an die Straße, um richtig was zu erleben?

Warum teilt man ein solches Video, wenn man schon hip, politisch und aktiv genug ist? Oder teilt man es nur, weil man immer noch diesem Traum nachjagt, die Zeit auf Erden mit möglichst viel Sinn zu füllen?
Das Erstaunliche an der ganzen Julia Engelmann Thematik ist, dass gerade die, die sich am meisten in die Tasche lügen wenn es um Aktivität in ihrem Leben geht, dieses Video geteilt haben. Gerade die Leute die meinen Artikel zu posten, deren Inhalte die Missstände der Welt sind, reiche aus um etwas zu verändern, gerade die Leute, die in den seltensten Fällen aus ihrer Comfort-Zone ausbrechen, stehen auf Julia Engelmann.

Das macht die arme Dame zu einer tragischen Figur.
Vielleicht will sie ja wirklich nur aufrütteln. Vielleicht fliegt sie in ihren Ferien nach Afrika um Brunnen zu graben, oder trampt in den Semesterferien in die Mongolei. Doch ihre Fans sind eben jene Selbstbetrüger, die feuchte Augen bekommen bei ihrem Text. Menschen die rufen: “Genau so muss man es machen!”.
Menschen, die die NSA mit Likes bekämpfen und traurigen, gequälten Hunden einen Platz auf ihrer Seite gewähren.
Vielleicht haben aber auch ihre Kritiker recht und sie benutzt dieses widerlich emotionsbeladene, polarisierende Thema um Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Auch der von ihr verwendete Song, der seiner Zeit mit billigsten Samplern nach Aufmerksamkeit geheischt hat, lässt diesen Schluss zu.

Am Ende des Tages muss sich aber jeder Einzelne fragen:
Was ist mit dem Aktivismus passiert? Wieso stellt man sich nicht mehr auf die Straße wenn einem etwas nicht gefällt? Sind wir tatsächlich zu bequem geworden? Sind wir schon die Generation die mit Fernsehen und Discounterfraß ruhig gestellt wurden?

Hier noch einmal das boomende Video:

Und hier die geniale Satire von Jan Böhmermann:

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