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Clara Nitsche ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen und jüngste Stadträtin Münchens. Sie ist in die Politik gegangen, um zu verändern. Doch das ist mühsam – weiter macht sie trotzdem.
Clara Nitsche ist Poltikerin aus Leidenschaft. Muss sie auch sein. Denn Stadträtin ist ein Ehrenamt. Reich wird davon niemand. Dennoch kann der Arbeitsaufwand einem Vollzeitjob gleichen. Nitsches ist studierte Sozialarbeiterin und arbeitet nach wie vor in dem Job. Ihre Ausbildung ist auch der Grund, warum sie in die Politik ging. Sei es in der Jugendhilfe oder im Nachtdienst einer psychiatrischen Klinik: “Immer wieder fiel mir auf, wie viele Steine den Menschen teilweise in den Weg gelegt werden, zum Beispiel durch komplizierte Anträge oder weil es kaum Kitaplätze gibt”, sagt Nitsche. Ein Problem, dass sie als Sozialpädagogin nicht lösen konnte. Im Einzelfall unterstützte sie, doch an den strukturellen Barrieren konnte sie nicht rütteln. “Nach mehreren solcher Erlebnisse wollte ich politisch etwas ändern, da wuchs dann langsam der Wunsch in mir selbst Politik zu machen.”
2017 trat sie der Grünen Jugend bei, mit damals 20 Jahren. “Als Sozialpolitikerin habe ich mir natürlich auch SPD und JuSos angeschaut, aber der Klimaschutz war mir besonders wichtig. Bei den Grünen gefällt mir besonders gut, wie Klimaschutz und Soziale Gerechtigkeit zusammen gedacht werden”, sagt sie. Heute, mit 27, ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen/Rosa Liste im Stadtrat. Ist ihr Elan geblieben?
Alle waren dafür, trotzdem dauert es
Im vergangenen Jahr hat Nitsche federführend mehrere fraktionsübergreifende Anträge in den Stadtrat eingebracht, um die Sicherheit rund um den Bahnhof zu verbessern und das umliegende Viertel aufzuwerten. Die Anträge forderten etwa mehr öffentliche Toiletten, mehr Angebote für Obdachlose, Baustellenbegrünung oder verbesserte Beleuchtung. Teilweise sind die Anträge von CSU, Grünen/Rosa Liste, FDP/Bayernpartei und SPD/Volt gemeinsam getragen. “Diese Unterstützung zu organisieren ist ein komplizierter Prozess”, sagt Nitsche. Jede Fraktion entsende Delegierte, die für ihre Fraktion verhandeln und die Ergebnisse aber auch wieder mit ihrer Fraktion besprechen müssen. Oft haben einzelne Fraktionen dann nochmal Änderungswünsche, die sich teilweise auch widersprechen können. Seit 2022 arbeitet Nitsche an der Initiative. Der Elan war also schonmal da. Na dann Mehrheiten organisiert und ab an die Umsetzung. Oder?
Nicht ganz, denn die städtische Verwaltung muss die Vorschläge der Stadträt*innen erstmal prüfen: Viele Initiativen verzögern sich hier oder versanden gar. Was die Verwaltung mit ihren zahlreichen Vollzeitkräften bearbeitet, können die ehrenamtlichen Stadträt*innen kaum überblicken:
“Es gibt wahnsinnig viele Regelungen, die können wir alle gar nicht kennen als ehrenamtliche Stadträte. Ich verstehe, dass die Verwaltung ihren Job macht, der ist auch wichtig, aber es fühlt sich manchmal an, als kämpfe man gegen Windmühlen.”
Nitsche will die Schuld dabei auf keinen Fall bei der Stadtverwaltung abladen. “Es ist ja der Job der Stadtverwaltung, für uns zu erarbeiten, was rechtlich und insgesamt überhaupt machbar ist”, sagt Nitsche. “Es ist ihre Pflicht, uns auf Risiken und auf Probleme aufmerksam zu machen.” Dennoch könne es frustrieren, wenn man immer weider an die Grenzen etwa des Denkmalschutzes stoße oder Anträge wiederholt geprüft und neu gefasst würden. “Das kann schon zäh sein, aber am Ende braucht es gegenseitiges Verständnis für eine gute Zusammenarbeit.”
Die Toilette am Karl-Stützel-Platz
Ein Beispiel, wie lange so etwas dauern kann, ist die öffentliche Toilette am Karl-Stützel-Platz aus dem großen gemeinsamen Antrag, für den sich neben den Regierungsparteien auch CSU und FDP/Bayernpartei einsetzten. “Es gab einen großen Konsens, dass es mehr Toiletten im Bahnhofsviertel braucht”, erinnert Nitsche sich. Doch der Standort ist denkmalgeschützt, und eine sogenannte “städtebaulich markante Stelle”. Das bedeutet: Für die Umsetzung der Toilette muss die Stadt erstmal einen Wettbewerb ausschreiben und Entwürfe sammeln. Dann brauche es noch mehrere Beschlüsse. Am Ende dauert das Verfahren mehrere Jahre. Nitsche versteht, dass die Stadt bestimmten Vorgaben zu folgen hat. Doch da die Blase rund um den Karl-Stützel-Platz bei vielen nunmal drückt und dabei nicht auf den besten Entwurf wartet, setzte Nitsche sich für eine Zwischenlösung ein. Sie hatte sich einen Container oder etwas ähnlich robustes vorgestellt. Heute steht am Karl-Stützl-Platz ein Dixi-Klo. “Das war natürlich nicht wirklich das, was wir uns vorgestellt hatten”, sagt Nitsche.
Trotz der schleppenden Umsetzung mancher Projekte wie eben der Toilette, bleibt Nitsche zuversichtlich.”Es ist auch schon viel passiert”, sagt sie. Dass es im Alten Botanischen Garten jetzt etwa Spiel- und Sportangebote gebe etwa, freue sie. Nitsche sagt: “Ich habe gelernt, dass man an den Sachen hartnäckig dranbleiben muss.” Denn bei aller mühsamen Realpolitik im Stadtrat: Den Elan hat Nitsche sich erhalten.
Foto: Clara Nitsche