Rathausschau, Stadt

München auf dem Weg zurück zur Autostadt

Sina Beckstein

Gibt München das Ziel, Radlhauptstadt zu sein, nun endgültig auf? Wird die Verwaltung in ihrem Ressort der Verkehrsplanung entmündigt? Muss der Stadtrat wirklich über jede Fahrbahnmarkierung abstimmen? Diese Gefahren sehen einige, wenn sich die CSU mit ihrem Radweg-Vetorecht durchsetzt.

In ihrem Antrag fordern die Münchner Christsozialen, bestimmte Fahrradwege künftig nur noch mit Stadtratsbeschluss und vorheriger “Verkehrsverträglichkeitsprüfung” zu genehmigen. Dies betrifft insbesondere die Planung von Radlwegmarkierungen, durch die eine oder mehrere Autofahrspuren entfallen würden.

Die Entscheidung über solche Markierungen war bisher nicht von der Legitimation des Stadtrats abhängig, sondern wurde von den zuständigen Stellen des KVRs nach eingehender Prüfung beschlossen. Verwunderlich ist auch die Dringlichkeit des Antrags, der bereits am 12.08.2015 vom Feriensenat des Stadtrats diskutiert werden soll. Die Münchner Umweltorganisation Green City e.V. zeigt sich in ihrer Presseerklärung über den Vorschlag empört. Andreas Schuster, Mobilitätsexperte bei Green City e.V., sagt:
„Hier werden die Expertenstellen der Stadt München zu Statisten degradiert, denen man scheinbar nur Milchmädchenrechnungen zutraut.“
Befürchtet wird der planerische Stillstand des Ausbaus von Fuß- und Radverkehr. Auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) zeigt sich in einer Mitteilung entrüstet: Die sogenannte “Verkehrsverträglichkeit” bedeute in den Augen der CSU die Bevorzugung des Autoverkehrs vor den Radfahrern. Diese Ansicht sei nicht nur “völlig überholt und absolut nicht mehr zeitgemäß”, sondern gar rechtswidrig, falls die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer hinter dem Ziel des schnell laufenden Verkehrs zurück gestellt wird.

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Als eine Art Präzedenzfall gilt die Rosenheimer Straße. Dort gibt es bis heute starke Differenzen über die Planung eines Fahrradweges. Die Straße ist wegen des starken Verkehrsaufkommens für Radler sehr gefährlich und es kam bereits zu mehreren Unfällen. Entgegen der Forderung des KVRs, Green City und der Grünen, einen Fahrstreifen mit einem Fahrradweg zu ersetzen, entschied sich der Stadtrat für eine „Schmalspurvariante“. Dabei wäre der Radlweg von ursprünglich vorgesehenen zwei Metern auf 1,50 Meter gekürzt – viele Umweltverbände kritisieren diese Breite als viel zu schmal und äußerst gefährlich, zum Beispiel, wenn es um Ausweichmanöver geht, bei denen Fahrradfahrer dann auf die Autospur wechseln müssten.

Die Radlobby hat bei ihren Forderungen durchaus die Stadtentwicklung als Ganzes im Blick. Denn mehr Autos in München bedeuten vor allem noch etwas: weniger Platz. Und der wird in der Stadt, die gerade die 1,5 Millionen Marke geknackt hat, dringend benötigt. Für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs muss zwangsläufig Wohnraum geschaffen und das Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder attraktiv gemacht werden.

Mit der Förderung von Car-Sharing und dem zukünftigen öffentlichen Leihradsystem (MVG Rad) versucht die Stadt zum Beispiel, unabhängig vom eigenen Auto, mobil zu machen und die platzintensiven Parkplätze zu minimieren. Daher brüskiert sich der Vorsitzende des ADFC, Martin Glas, über den Vorschlag: “Uns ist schleierhaft, wie die Stadtrats-CSU da die Verkehrsprobleme lösen will, die der für München prognostizierte Bevölkerungszuwachs mit sich bringen wird.”

Fotocredit: Fahrradstraße Englischer Garten 2012 von Andreas Schebesta © Radlhauptstadt München

2 Comments
  • Hege Wiedebusch
    Posted at 04:12h, 04 Oktober

    Bisher 0 Kommentare hier auf MUCBOOK bei diesem Artikel – nach fast einem Monat?

    In der Zwischenzeit waren die Straßenumbau-PlanerInnen beim Münchner Baureferat schon sehr fleißig gewesen und haben ohne Rück- und Absprache mit dem Kreisverwaltungsreferat und dem Planungsreferat (wahrscheinlich auch nicht mit der Polizei, die ist als Freistaats-Institution administrativ noch weiter weg angesiedelt) einen ersten Entwurf der Radwege-Schmalspur-Lösung vorgestellt. Jetzt wird es zur bürgerschaftlichen Pflichtaufgabe werden müssen, der eigenen Stadtverwaltung beizubringen, was die eigentliche Aufgabe – und damit auch die einzige Daseinsberechtigung als große Behörde – tatsächlich zu sein hat: Eine Stadtverwaltung setzt die eigenen personellen Ressourcen und Fähigkeit dazu ein, das gedeihliche Zusammenleben von sehr vielen Menschen auf einem vergleichsweise engen Stadtraum organisieren zu helfen.
    Auch das Münchner Baureferat wird das noch lernen und dann auch entsprechend besser verstehen können.

  • Hege Wiedebusch
    Posted at 05:06h, 04 Oktober

    Noch ein utopischer Nachtrag => http://www.utopia.de/blog/hege-wiedebusch/wenn-ein-teil-der-muenchner-stadtverwaltung-nur-noch-im mit dem interessanten Zeitungs-Artikel “ADFC hält Radweg-Pläne für rechtswidrig” aus dem Münchner Merkur vom langen Wochenende Freitag bis Sonntag, 2./3./4. Oktober 2015 und hier => https://www.facebook.com/hege.wiedebusch.1/posts/880336568700208 ist noch eine kleine Bilderschau vom PARK(ing) DAY am 18. September 2015 in der Rosenheimer Straße zu sehen.

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