Kultur

„Lernt einen bürgerlichen Beruf!“

Markus Michalek

Herbert Rosendorfer bei seiner Abschiedvorlesung. (Copyright LMU)

Herbert Rosendorfer ist einer der berühmtesten Autoren des Landes. Bei seiner Abschiedsvorlesung an der LMU haben wir mit dem Richter über die Zukunftsaussichten junger Literaten gesprochen. Der gebürtiger Bozener lebte knapp sechzig Jahre in München und setzte mit seinem Bestseller “Briefe in die chinesische Vergangenheit” nicht nur der BRD, sondern insbesondere auch München ein Denkmal. Am 4. Februar hielt er seine Abschiedsvorlesung an der LMU.

Im Berufsleben war er Jurist (Richter), der sich immer noch als “wirklich freier” Schriftsteller bezeichnet, dazu noch Professor für bayerische Gegenwartsliteratur, außerdem ist Herbert Rosendorfer Maler. Allein sein literarisches Werk umfasst mehr als 50 Veröffentlichungen. Gerade gesellschaftliche Themen, aber auch die Frage des Rechthabens ist oft Gegenstand seiner Texte, sie glänzen durch einen feinen Humor und eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe. Ein menschlicher Gesamtkünstler? Herbert Rosendorfer ist ein Beispiel dafür. mucbook.de traf den charmanten und redegewandten Autor am Abend seiner Abschiedsvorlesung zu einem Gespräch übers Schreiben und die heutige Literatur.

mucbook: Herr Rosendorfer, wie fühlen Sie sich an einem Abend wie diesem?

Rosendorfer: Eigentlich nicht anderes als an jedem Abend. Etwas nervös vielleicht, weil es doch größer wurde als erwartet – aber ansonsten fühle ich mich sehr wohl.

mucbook: Sie blicken mittlerweile auf ein Leben voller Literatur zurück – ihre erste Erzählung schrieben Sie mit 18 Jahren. Wie denken sie über den heutigen Literaturbetrieb?

Rosendorfer: Ich habe ja einen bürgerlichen Beruf, den des Richters. Ich habe mich wenig darum gekümmert ehrlich gesagt. Dankenswerterweise hat sich der Betrieb aber um mich gekümmert. (lacht)

“Literarische Eintagsfliegen”

mucbook: Aber den Markt beobachten Sie?

Rosendorfer: Ja. Zwar nicht allzu intensiv, aber was ich leider beobachten musste: die Zahl der „Eintagsfliegen“ wird immer größer. Andererseits existiert auch ein Trend dazu, dass Trivialliteratur ihr Niveau und ihre Qualität gesteigert hat. Das kann man nicht mehr mit den Heftchenromanen der 50er Jahre vergleichen.

mucbook: Als Beispiel?

Rosendorfer: Dan Brown wäre so ein Fall – für eine literarisch höhere Form. Nur: Trivialliteratur bleibt eben trivial und sie nimmt gleichzeitig immer weiter zu. Das meine ich aber keinesfalls wertend, es ist lediglich eine Einteilung.

“Die Marktstrategie der Verlage”

mucbook: Woran liegt dieser Zuwachs in Ihren Augen?

Rosendorfer: An der Marktstrategie der Verlage. Die wachsen, werden größer, und gleichzeitig wird auch die Lebensdauer dieser hervorgebrachten, literarischen Eintagsfliegen immer kürzer.

mucbook: Im Gegensatz dazu: Der von Ihnen beschriebene freie, vom Markt unabhängige Schriftsteller, ist das heute noch möglich?

Rosendorfer: Ja. Das ist sicherlich möglich. Allerdings nur, wenn man einen bürgerlichen Beruf ausübt. Der Münchner Rechtsanwalt und Autor Georg M. Oswald, in dieser Hinsicht ein „doppelter“ Kollege von mir, den ich sehr schätze, wäre beispielsweise so ein Fall.

mucbook: Was wäre also ihr Ratschlag an junge Münchner, die sich entschließen, Schriftsteller zu werden?

Rosendorfer: Ein bürgerlicher Beruf natürlich! Sich einen konkreten, vor allem finanziellen Lebensrückhalt zu sichern, bedeutet wirklich „frei“ zu sein. Ein solcher Autor muss weder dem Markt noch den Verlegern hinterherlaufen. Und Schreiben kann man oder man kann es nicht, aber man muss vor allem leben können. (lacht)

mucbook: Ein schönes Stichwort – was halten Sie von Schreibschulen, wie beispielsweise auch an der LMU (manuskriptum) unterrichtet wird?

Rosendorfer: Man kann sicherlich gewisse Tricks und Techniken lernen. Man kann das Gedächtnis trainieren. Auch die Fähigkeit zu beobachten, eine extrem wichtige Eigenschaft für einen Schriftsteller, ist lernbar. Talent und Genie allerdings kann man sicherlich nicht lernen.

mucbook: Blickt man wie Sie auf ein beeindruckendes Werk zurück – haben Sie eigentlich immer noch Vorbilder, Autoren, an denen Sie sich messen?

Rosendorfer: Natürlich! Namen möchte ich zwar nicht nennen, aber ich stelle auch fest, dass jüngere Schriftsteller eine Vorbildfunktion einnehmen können. Ich merke dann, dieser Mensch kann etwas, das möchte ich auch probieren.

mucbook: Herr Rosendorfer, wir hoffen auf viele weitere Bücher und danken Ihnen für das Gespräch!

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Ein subjektiver Nachtrag:

In seiner Abschiedsvorlesung zum Thema “Goethe und die französische Revolution” sprach Herbert Rosendorfer getreu der Anmoderation von Prof. Hanuschek, der ihn als Wissenschaftler bezeichnete, der auch mal eine Meinung habe und sich nicht schade sei, diese im wissenschaftlichen Diskurs preiszugeben. Herbert Rosendorfers Vortrag, in welchem er nicht scheute, zwei nahezu heilige Lieblingsautoren der deutschen Literatur, sowohl Johann Wolfgang von Goethe, als auch Thomas Mann den Anforderungen des Themas entsprechend zu “demontieren”, zeugt von diesem Mut. So bleibt das Wesen dieses Autors  ein Gewinn für die Literatur – und ist zugleich durch die Bedeutung des Abends doch ein Verlust für die universitäre Lehre.

Foto: LMU

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