Rathausschau, Stadt
Neuer Konzertsaal für München: nein, doch, ohh?
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Braucht München einen neuen Konzertsaal? Erst heißt es jahrelang Ja, dann sagen Land und Stadt überraschend Nein, jetzt sagt Ministerpräsident Seehofer vielleicht. Wer ist jetzt dafür, wer ist dagegen? Wer blickt überhaupt noch durch? Der Versuch einer Bestandsaufnahme:
Vorgeschichte:
Wir blicken zurück in das Jahr 2009. Im Januar machte Horst Seehofer (CSU) dem Chefdirigenten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunk Mariss Jansons ein Versprechen. Wörtlich sagte er: „Maestro Jansons hat mich überzeugt, dass wir in München einen Konzertsaal brauchen“.
Drei Jahre später wird Seehofer noch konkreter. Während eines Gastspiels des BR-Symphonieorchesters in Berlin verkündet er öffentlich, er werde sich persönlich für mehr Kultur in ganz Bayern einsetzen. An vorderster Stelle stehe ein neuer Konzertsaal für München, den sich das Orchester schon lange wünscht. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, der Grund für die plötzlichen Zusagen zur Kulturförderung rührten daher, dass die Steuereinnahmen weitaus höher als berechnet ausfielen. Seehofer ist so begeistert, dass er das Thema 2013 sogar in die Regierungserklärung mitaufnimmt. Als Standort favorisiert der Ministerpräsident den Standort des leerstehenden Kongressbaus im Deutschen Museum. Damaliger Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) wird schon konkret damit beauftragt ein Gutachten zu erstellen, inwiefern sich der Standort tatsächlich eignet.

Chefdirigent Maestro Mariss Jansons (©Lelli e Masotti via flickr.com)
Aber wieso eigentlich ein neuer Saal?
Weil das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks das so möchte
München kann sich mit drei Spitzenorchestern rühmen: Dem bayerische Staatsorchester, den Münchner Philharmoniker und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Zwei der drei Orchester haben fixe Spielstätten: Das Staatsorchester ist in der Oper beheimatet und die Philharmoniker in der Philharmonie am Gasteig. Lediglich das BR-Symphonieorchester, ausgerechnet jenes, das vom internationalen Musikmagazin Gramophone als sechstbestes Orchester weltweit gekürt wurde, muss zwischen Herkulessaal in der Residenz und Philharmonie pendeln. Der Stammplatz Herkulessaal ist für die großen Symphonischen Werke zu klein und langsam aber sicher sogar baufällig. Die Philharmonie am Gasteig steht von Beginn an aufgrund der schlechten Akustik in Verruf, außerdem haben hier die Münchner Philharmoniker das Sagen. Auch die Proben- und Garderobensituation am Gasteig ist katastrophal. Verständlicherweise stinkt das einem Top-Ten Weltklasseorchester.

Viel beschimpft, kaum gelobt. Der Gasteig – Münchens einziger großer Konzertsaal (cc: sanfamedia.com via flickr.com)
Mal so, mal so
April 2014: In den nächsten drei Jahren war das Thema wieder still, solange bis sich auch Heubisch Nachfolger Ludwig Spaenle (CSU) für einen neuen Konzertsaal ausspricht. Er setzte die bestehende Arbeitsgruppe neu ein, um einen geeigneten Standort zu finden, berichtete der BR. In den Blick gerät nun auch der Finanzgarten unweit der Staatskanzlei, den die Arbeitsgruppe letztlich favorisiert.
September 2014: Oberbürgermeister Reiter und Ministerpräsident Seehofer bringen einen „Ein-Konzerthaus“ Vorschlag ein. Demnach soll geprüft werden, ob der Gasteig nach einer Renovierung Platz für sowohl das BR-Symphonieorchester als auch die Münchner Philharmoniker bieten kann. Sollte das nicht durchführbar sein, sei man offen ein neues Konzerthaus zu bauen, berichtete der Münchner Merkur.
Dezember 2014: Der Architekturstudent Markus Krempels entwirft ein Konzerthaus auf dem Gelände des Finanzgartens. Die Region um den Finanzgarten soll durch eine attraktive Verbindung zwischen Odeonsplatz und Englischem Garten aufgewertet werden. Der Entwurf trägt den Namen „Neues Odeon“ angelehnt an das im 19. Jahrhundert und im zweiten Weltkrieg zerstörte Konzerthaus am Odeonsplatz. (SZ)
Ende Dezember 2014: Während eines Treffens zwischen OB Reiter, Seehofer, Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD) und Kunstminister Ludwig Spaenle einigt man sich einen Neubau zwar weiter zu verfolgen, eine Sanierung von Herkulessaal und Gasteig aber zu bevorzugen. (SZ)
Die aktuelle Lage
Anfang Februar 2015: Die Generalsanierung des Gasteigs und zugleich „Ertüchtigung“ des Herkulessaales ist die beschlossene Strategie zwischen Freistaat und Stadt. Überlegungen die Philharmonie abzureißen habe es nicht gegeben. Im Zuge der Sanierung soll der Herkulessaal um Sitzplätze erweitert werden und das BR-Symphonie Orchester zusätzliche Räume in der Philharmonie zugesprochen bekommen. Auch die Münchner Philharmoniker müssten nach der Sanierung öfter für Konzerte in den Herkulessaal umziehen, womit diese etliche Abonnements nicht mehr bedienen könnten, so die Süddeutsche Zeitung. Baubeginn ist auf 2020 festgesetzt, die Dauer des Umbaus wird auf zwei Jahre geschätzt.
Auch die CSU Landtagsfraktion stellt sich hinter Seehofers Pläne. Der Umbau solle nur 50 Millionen Euro kosten. Bei einem Neubau sei dagegen mit 200 bis 300 Millionen Euro gerechnet worden. (SZ).
Ludwig Spaenle entwirft dazu ein Konzept: Nach dem Umbau soll es zu einer Doppelnutzung im Gasteig kommen. Die Münchner Philharmoniker und die BR-Symphoniker sollen in 14-tägigem Abstand die Säle tauschen. Werke von Barock bis Wiener Klassik sollen vermehrt im Herkulessaal aufgeführt werden, Werke aus der Romantik bis zur Moderne eher im Gasteig. Sollte sich die Zwillingslösung als nicht durchführbar herausstellen, sei ein Neubau am aber Finanzgarten noch im Gespräch, äußert sich Spaenle. (SZ)
20. Februar 2015: Ministerpräsident Seehofer reagiert auf die heftige Kritik von Seite kultureller Verbände. Er relativiert seine Entscheidung: Es sei “nichts aufgegeben und nichts endgültig entschieden”, versichert er der SZ. In dem Gespräch mit OB Reiter sei lediglich beschlossen worden, die Zwillingslösung zu prüfen. Wer noch neue Standortvorschläge einbringen möchte, muss aber nachweisen können, dass die Adresse für einen Konzertsaal geeignet sei.
Die Tore sind zwar geschlossen, die Hintertür bleibt aber angelehnt. Inwiefern es hier um Wählerbesänftigung geht oder ob Seehofer tatsächlich zu seinem langjährigen Versprechen stehen möchte, bleibt vorerst offen. Wahrscheinlich ist letzteres eher nicht. Darum:
Karten auf den Tisch: Wer unterstützt den bisherigen Beschluss der Regierung?
Pro:
CSU Landtagsfraktion: Die CSU Landtagsfraktion steht geschlossen hinter Horst Seehofer. Die Generalsanierung des Gasteigs koste schließlich nur den Bruchteil eines Neubaus.
SPD Stadtratsfraktion: Die SPD Stadtratsfraktion unter Fraktionsvorsitzendem Alexander Reissl begrüßt den Vorschlag, da es endlich zu einem Beschluss gekommen sei. Der Gasteig werde zu einem erstklassigen Konzerthaus umgebaut, über die finanzielle Unterstützung des Freistaats sei man erfreut. Auch im SPD Landtag stimmte die Mehrheit der Abgeordneten für Seehofers Konzept und damit auch verheerend gegen ihren Fraktionschef Markus Rinderpacher, der sich bis zu letzt für einen neuen Konzertsaal starkmachte.
Kulturreferat: Das Kulturreferat sieht eine gleichberechtigte Bespielung eines modernisierten Saals im Gasteig durch die beiden Orchester und private Veranstalter möglich, wenn der Herkulessaal als Ausweichstätte zur Verfügung steht und genutzt wird.
Münchner Philharmoniker: Die Münchner Philharmoniker loben die Entscheidung für eine Generalsanierung des Gasteigs und nennen es eine Chance die Philharmonie wettbewerbsfähig mit den Konzerthäusern in Tokio, Berlin oder Luzern zu machen.
Werkstatt für Ökodesign und lebendige Kunst GbR: Die Werkstatt für Ökodesign und lebendige Kunst spricht sich auf ihrer Seite finanzgarten.net klar gegen eine Bebauung des Finanzgartens aus. Mit der These „Öffentliche Grünanlagen sind keine Baulandreserven für Konzertsäle“ werben sie für den Erhalt der innerstädtischen Grünflächen. Gegen einen neuen Konzertsaal an sich spräche nichts, nur eben nicht im Finanzgarten.
Freie Wähler Landtagsfraktion: Die Freien Wähler fordern einen neuen, internationalwettbewerbsfähigen Konzertsaal für München, damit die Stadt auch zukünftig ihrem Ruf als Kunstmetropole gerecht werde (SZ). Michael Piazolo hielt der Regierung und der Stadtspitze vor: „Sie haben für viele einen Traum zerstört.“ Auch die Grünen äußern einzeln Kritik.
Konzertsaal München e.V.: Der Konzertsaal München e.V. argumentiert, die Zwillingslösung löse die gravierende Unterversorgung des Münchner Konzertsaal Bedarfs nicht. Mit zunehmendem Wachstum der Stadt sei auch ein zunehmendes Interesse an klassischer Musik zu erwarten.
Bayerischer Rundfunk: BR Intendant Ulrich Wilhelm sieht in einem neuen Konzertsaal neue Perspektiven über die Stadt München hinaus. Angesichts der steigenden Bevölkerungszahlen hält er einen zusätzlichen, neuen Konzertsaal für dringend notwendig.
Symphonie Orchester des Bayerischen Rundfunks: Das Symphonie Orchester des Bayerischen Rundfunks stellt das 14 Tage Wechsel Konzept in Frage. Die Planungssicherheit würde dadurch stark beeinträchtigt, womit man Stardirigenten und –solisten nicht nach München holen könne, sagt Orchestervorstand Werner Mittelbach.
Münchner Musikhochschule: Der Umbau des Gasteigs bedeutet für die Musikhochschule, dass sie aus den Nebenräumen ausziehen müsste um Platz zu machen für das Symphonieorchester, so der BR. Präsident der Hochschule Bernd Redmann fürchtet zudem um Auftrittsmöglichkeiten.
Anne Sophie Mutter: Starviolinistin Anne Sophie Mutter wirft Horst Seehofer „Wortbruch“ vor und spricht von einer „katastrophalen Fehlentscheidung“. Sowohl die Philharmonie im Gasteig als auch der Herkulessaal der Residenz seien nicht mehr zeitgemäß und wettbewerbsfähig, sagt Mutter im SZ Interview. Fehlende Räumlichkeiten hielten Musiker in der Folge davon ab, in München aufzutreten.
Christian Gerhaher: Der Weltklassebariton Christian Gerhaher sorgt sich um die Position Münchens in der Welt. München gehöre zu den wichtigsten Musikstädten der Welt, ohne einen neuen Konzertsaal würde München zu einer Schlafstadt verkommen, sagte Gerhauer im BR Interview und ruft öffentlich zum Protest auf.
Valentina Babor: Starpianistin Valentina Babor gründete zusammen mit Fotograph Marcus Freisem die Online-Petition “Errichtung eines neuen Kultur- und Konzertzentrums in München” auf openpetition, die schon jetzt über 25000 Unterstützer gefunden hat.
cc Titelbild: Markus Krempels, Visualisierung DIMENSIONhoch3


