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Arbeiten fürs Gemeinwohl: faire Unternehmen in München

Florian Kappelsberger

Umweltverschmutzung, Klimakrise, wachsende soziale Ungleichheit: Die Herausforderungen, vor denen die Politik steht, scheinen heute dringender als je zuvor. Doch auch in der Wirtschaft finden sich Akteure, die schon jetzt versuchen, diese Probleme anzugehen. Hier ist besonders die Gemeinwohl-Ökonomie ein zentraler Begriff; sie orientiert sich am sozialen Wert eines Unternehmens – etwa anhand von Kriterien wie Nachhaltigkeit, Diversität und fairen Lieferketten.

In München gewinnt dieses Modell seit Jahren an Bedeutung. Dutzende Unternehmen sind Teil der Gemeinwohl-Ökonomie Bayern, die sich für ein soziales und nachhaltiges Umdenken in der Wirtschaft einsetzt. Auch in der Politik bewegt sich etwas: Grüne, SPD und Volt haben vor Kurzem einen entsprechenden Antrag im Stadtrat eingebracht, um soziale Innovation stärker in der Politik zu verankern. Die Parteien fordern eine Fachstelle, die für Weiterbildungsprogramme, Schulprojekte und die Entwicklung einer langfristigen Strategie zuständig ist.

Wir stellen euch deshalb drei Münchner Unternehmen vor, die diesen Ansatz auf unterschiedliche Weise verfolgen:

Ökostrom von Polarstern

Seit mehr als zehn Jahren vertreibt die Firma Polarstern Ökostrom, der in Laufwasserkraftwerken produziert wird, und Biogas an Haushalte und Gewerbekunden. Zudem verfolgt das Unternehmen dezentrale Projekte in ganz Deutschland, um Mietshäuser mit Photovoltaikanlagen auszustatten. So werden die Bewohner*innen mit ökologisch produziertem Strom versorgt und können an der Energiewende teilhaben. Polarstern koppelt sein Angebot an ein globales Modell: “Man wechselt hier zu Ökostrom oder Ökogas und unterstützt damit eine Familie in einem Entwicklungsland, das Gleiche zu tun”, erklärt Geschäftsführer Simon Stadler. Mit jedem Vertrag wird in den Ausbau von erneuerbaren Energien in Ländern wie Kambodscha und Madagaskar investiert.

Neben der Arbeit engagiert sich Stadler ehrenamtlich als Vorstandsmitglied der Gemeinwohl-Ökonomie Bayern. Der Geschäftsführer von Polarstern hofft, dass die Firma einen Beitrag zum ökologischen und sozialen Wandel der Gesellschaft leisten und so vielleicht auch Impulse setzen kann, um andere Unternehmen zu inspirieren. Zudem sieht er auf Seiten des Staates verschiedenste Möglichkeiten, diese Entwicklung zu fördern – sei es durch Starthilfen, Kooperationen oder Steuerentlastungen für umweltbewusste Unternehmen.

Dem Antrag von SPD und Grünen im Stadtrat steht Simon Stadler zwiegespalten gegenüber. Einerseits sieht er darin eine Chance, die Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie in München zu stärken. Andererseits ist es in seinen Augen absurd, dass dieser Ansatz als völlig außergewöhnlich verstanden wird: “Ich finde es Wahnsinn, dass man sich erklären muss, wenn man das macht, was eigentlich normal sein sollte: nicht auf Kosten anderer zu wirtschaften oder sich zu bereichern.”

Das Team der Werbeagentur © Bioculture

Nachhaltiges Marketing mit Bioculture

Die Agentur Bioculture ist dagegen in einer völlig anderen Branche tätig: Sie bietet nachhaltige Lösungen in den Feldern Marketing und Design. Dabei verfolgt die Firma ein klares Prinzip: “Wenn schon Druckprodukte und Kommunikationsmittel produziert werden müssen, wollen wir sie mit möglichst hohem ökologischem Anspruch herstellen”, so Geschäftsführerin Henrietta Lorko. Werden Plakate, Verpackungen und Broschüren gestaltet, achtet die Agentur beispielsweise streng auf die Auswahl des Materials, die Produktionsbedingungen und die Transportwege.

Dasselbe gilt auch im Online-Marketing: So wird ausschließlich mit Webhostern kooperiert, die transparent mit dem Energieverbrauch ihrer Rechenzentren umgehen und die versuchen, ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren – ein Aspekt, der in der Digitalbranche oft vergessen wird. Heute arbeitet die Agentur vor allem für ökologisch und sozial engagierte Unternehmen.

Lorko blickt positiv auf den Antrag im Stadtrat, eine Fachstelle für Soziale Innovation zu schaffen: “So wird auch den aus eigener Motivation heraus sozial agierenden Unternehmen der Rücken gestärkt. Diese Bemühungen werden hoffentlich in den nächsten Jahren ein großes Bewusstsein und einen Wandel in unserem Unternehmertum bewirken.” Insgesamt wünscht sich die Geschäftsführerin von Bioculture einen ganzheitlicheren Blick auf Themen wie Klimaschutz und Ökologie. So sollten besonders Unternehmen, die sich selbst als nachhaltig begreifen, diesen Anspruch auch in allen Bereichen verfolgen, die außerhalb des eigenen Betriebs stattfinden – etwa in der Wahl von Dienstleistern wie Marketingagenturen.

Tierfreundliche Merinowolle von Rosy Green Wool

Wer dagegen hochwertige Wollgarne sucht, um kuschelige Pullover, Jacken oder Schals zu stricken, ist bei Rosy Green Wool genau richtig. Das Unternehmen, das vor rund neun Jahren gegründet wurde, achtet auf höchste ökologische Standards. Damit grenzt es sich vom Großteil der Wollindustrie ab, wo katastrophale Bedingungen und brutale Praktiken wie das Mulesing bis heute üblich sind. Wie Mitgründer Patrick Gruban erklärt, wird die Merino-Wolle in biologischer Tierhaltung produziert und in drei kleinen Manufakturen innerhalb Europas verarbeitet; sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Auswahl von Farben und Chemikalien werden dabei streng kontrolliert. Zudem werden die Treibhausgase, die bei Herstellung und Transport entstehen, durch CO2-Zertifikate ausgeglichen.

Einen Teil der Gewinne spendet das Unternehmen an die Albert-Schweitzer-Stiftung, die sich für Tierwohl und gegen Massentierhaltung einsetzt. Zudem engagiert es sich im Kampf gegen Malaria und hat die Spendeninitiative Knitters against Malaria ins Leben gerufen, an der Garnfirmen und Strickbegeisterte aus der ganzen Welt teilnehmen. “Das ist wirklich etwas, was uns als Inhaber, aber auch unseren Mitarbeitern und Kunden einen übergreifenden Sinn gibt”, so Gruban.

Auch Rosy Green Wool ist Mitglied der Münchner Lokalgruppe der Gemeinwohl-Ökonomie Bayern. Co-Geschäftsführer Patrick Gruban sieht in der Vorreiterrolle einzelner Unternehmen den Schlüssel zu einem größeren Umdenken in der Wirtschaft. Zugleich müssten auch staatliche und gesellschaftliche Akteure dazu beitragen, beispielsweise durch Bildungsarbeit oder Erleichterungen für Firmen mit einer vorbildlichen Gemeinwohl-Bilanz. In diesem Sinn hofft er, dass der Antrag von SPD und Grünen einen größeren Prozess in der Stadtpolitik in Bewegung bringt.


Beitragsbild: Angela Benito / Unsplash

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