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Der Club als Safer Space – ein Leitfaden für das Nachtleben

Florian Kappelsberger

Anstößige Anmachsprüche, rassistische Bemerkungen an der Club-Tür, übergriffiges Verhalten auf der Tanzfläche – auch das Nachtleben ist keineswegs frei von Sexismus, Diskriminierung und Gewalt. Das wollen die Fachstelle Pop und Safe the Dance ändern: Gemeinsam haben sie einen Awareness-Leitfaden für Clubs, Kollektive und Festivals erarbeitet. Der soll dabei helfen, einen Rahmen zu schaffen, in dem jede*r sicher und entspannt feiern kann.

Die Fachstelle Pop des Feierwerks versteht sich als Knotenpunkt der popkulturellen Szene in München und berät Bands und Künstler*innen. Die Agentur Safe the Dance ihrerseits bietet Vorträge und Workshops zu Themen wie Gender Equality, Diversität und Intersektionalität an.

Eine Initiative für Vielfalt und Rücksicht

Entstanden sei die Idee im Kontakt zu den Kreativen und Veranstalter*innen der Stadt, erinnert sich Jakob Döring, stellvertretender Leiter der Fachstelle Pop. Im ständigen Austausch mit der Münchner Popszene war man immer wieder auf Probleme gestoßen, die an verschiedensten Stellen auftauchen – Rassismus, Diskriminierung gegenüber Frauen, fehlende Abbildung von marginalisierten Gruppen. “Wir haben uns gedacht: Da muss man etwas tun!”

Die Initiative setzte sich also das Ziel, das Nachtleben der Landeshauptstadt inklusiver zu gestalten. Gemeinsam mit Safe the Dance wurde ein digitaler Think-Tank ins Leben gerufen, der sich den Themen Awareness und Diversity widmet. Zudem bereiteten sie einen entsprechenden Fachtag vor, unter Schirmherrschaft der zweiten Bürgermeisterin Katrin Habenschaden. Wegen der Pandemie musste diese Veranstaltung allerdings bereits zweimal verschoben werden, die Workshops fanden ersatzweise online statt. Aktuell ist geplant, sie am 27. Mai 2022 nachzuholen.

Der Club als utopischer Freiraum

Parallel dazu entwickelte Safe the Dance einen Leitfaden für das Nachtleben, der online frei zur Verfügung steht. Ziel ist es, ein Bewusstsein für verschiedene Formen von Diskriminierung zu schaffen und den Veranstaltenden zugleich Werkzeuge an die Hand zu geben, um diese zu beseitigen. Der zentrale Begriff lautet Awareness, eine verstärkte Aufmerksamkeit oder Sensibilität für Probleme dieser Art. So soll ein Klima des gegenseitigen Respekts und der Rücksichtnahme entstehen.

Dieses Konzept eines Safe(r) Space ist durchaus ambitioniert, Döring sieht es aber in der utopischen Traditionslinie des Nachtlebens: “Clubs waren schon immer eine Experimentierwiese für eine bessere Gesellschaft im Kleinen.” Der Leitfaden soll erste Überlegungen in diese Richtung anleiten: Welche Atmosphäre soll geschaffen werden? Wie wird mit Konflikten und Übergriffen umgegangen? Wie vielfältig ist die Stammkundschaft, wie lässt sie sich gegebenenfalls erweitern?

Auch räumliche Aspekte wie Barrierefreiheit, Rückzugsorte oder geschlechtsneutrale Toiletten werden dabei verhandelt. All diese Fragen sollen nicht nur reflektiert, sondern daran anknüpfend auch aktiv kommuniziert werden – etwa mithilfe von Postern, Flyern und PR-Arbeit in mehreren Sprachen.

Zwischen Aufbruch und Krisenmodus

Das Feedback zum Leitfaden innerhalb der Szene sei sehr positiv, freut sich Döring. Einzig der Zeitpunkt der Veröffentlichung war in gewisser Hinsicht unglücklich: Mehr als eineinhalb Jahre mussten die Clubs geschlossen bleiben, erst im Oktober konnte es wieder losgehen – bis die Landesregierung angesichts der explodierenden Infektionszahlen kürzlich erneut den Stecker zog. Angesichts von Personalmangel, Überbrückungskrediten und einer allgemeinen Krisenstimmung hätten viele Betriebe bisher kaum Zeit und Musse gefunden, um sich im Detail mit dem Leitfaden auseinanderzusetzen und ihn praktisch umzusetzen, so der stellvertretende Leiter der Fachstelle.

Nichtsdestotrotz sieht er sowohl einen gewissen Bedarf, als auch großes Interesse in der Münchner Popszene. Clubbetreiber*innen, Personal, Kreative und Bands: Sie alle können zu Multiplikatoren werden, um ein neues Bewusstsein in der Community zu schaffen. Auch mithilfe von Schulungen und Ressourcen wie dem Leitfaden ließen sich immer wieder Impulse und Denkanstöße bieten. Fest steht für Jakob Döring allerdings, dass es sich dabei nur um eine langfristige Zielsetzung handeln kann: “Es ist auf jeden Fall immer ein Prozess.”

So kann der Club, die Bar oder das Festival zu einem safer space werden – ein Freiraum, in dem sich jede*r wohlfühlt. Apropos: Wenn Du dich für das Thema Freiräume interessierst, wirf doch mal einen Blick in die nächste Ausgabe des Mucbook-Magazins, das im Dezember erscheint…


Titelbild: © Long Truong / Unsplash

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