Aktuell, Kultur, Leben, Stadt

Vino, Perso, Impfpass – Die erste Club-Nacht nach der Pandemie

Anne Lenz

Ganz übermotiviert trinken wir Weißwein zum Abendessen. Es ist erst kurz vor sieben und wir werden noch einiges an Zeit überbrücken müssen, bis wir uns aufmachen. Die Clubs machen wieder auf und es wäre doch ein fataler Fehler, sich nicht direkt wieder ins Getümmel zu stürzen. Wir sitzen zu dritt am Küchentisch, speisen Nudeln mit Pesto und sind schon beim zweiten Glas des guten 2€ Rewe-Weins. Man muss ja schließlich eine Grundlage schaffen.

Wir haben wirklich noch einiges an Zeit. Zu früh loszugehen wäre uncool, zu spät losgehen möchten wir aber auch nicht. Wer weiß, wie viele andere Münchner*innen die erste Club-Nacht nach so langer Zeit miterleben wollen. Im Bahnwärter-Thiel feiern waren wir alle noch nie. Das Gelände kennen wir, oft genug saßen wir im Sommer an den Biertischen, spielten Karten und tranken Turbo-Mate. Den Club dort hat aber noch keiner von uns von innen gesehen. Ein klein wenig konnten wir das Münchner Nachtleben vor der Pandemie schon kennenlernen, bis wir uns mit Abenden an der Isar oder am Küchentisch in der WG zufrieden geben mussten.

Wir sind fast ein bisschen aufgeregt. Was zieht man denn überhaupt an? Sollen Bier oder Wein als Wegzehrung herhalten? Haben wir genug Nudeln für das zweite Abendessen nach dem Club übrig?

Unterwegs

Bis wir uns endlich auf den Weg machen spielen wir Karten, klimpern auf der Gitarre herum, essen Chips und trinken. Nachdem in der WG durchgehend laute Musik lief, wirkt es draußen seltsam still. Der Bahnwärter-Thiel ist nah genug, um zu laufen, nur vereinzelt treffen wir auf andere kleine Grüppchen, die sich gerade zu einer Bar oder einem anderen Club aufmachen.

Erst als wir die ruhigeren Wohngegenden verlassen, erwacht Münchens Nacht etwas mehr. Beim Gelände des ehemaligen Viehhofs angekommen sind wir fast irritiert von der Menschenmenge. 3G sei Dank ist das hier alles völlig in Ordnung, trotzdem ist es wirklich ungewohnt sich in die Schlange des Clubs einzureihen. Ein paar Minuten später haben wir brav gezahlt und unserer Impfnachweise vorgezeigt. Ein paar bekannte Gesichter haben wir auch schon gesehen und folgen ihnen nun in das Herzstück des Bahnwärter-Thiels.

Doch noch alles beim Alten

Der Bass, der bereits am Eingang deutlich zu verspüren war, haut uns jetzt um. Mit einem Bier bewaffnet schlängeln wir uns an dicht gedrängten Menschen vorbei und landen nun endlich auf der Tanzfläche. Es ist überraschend einfach, sich der Menge anzupassen und wieder richtig zu tanzen. Vielleicht sind wir auch nur betrunken und aufgeregt, aber alle anderen sind es auch. Schweiß, süßliches Parfum und der Rauch der Nebelmaschine mischen sich in der Luft und untermalen das bunte Lichtspiel im Club.

Lange dauert es nicht, bis wir das erste mal angesprochen werden. Das wird sich wohl nie ändern, allerdings fällt uns auf, dass die Anmachversuche etwas zurückhaltender sind, als wir sie in Erinnerung hatten. Vielleicht haben wir auch einfach nur Glück. Ein, zwei mal verlassen wir den stickigen Raum und gesellen uns zu den Raucher*innen draußen, an die nun nicht mehr ganz so frische Luft. Hier ist es nicht weniger laut, die Graffiti sind genauso bunt wie die Lichter drinnen und die Leute sind erst recht gesprächig.

Zeit für Frühstück

Erst als uns die Füße wehtun und uns jegliches Zeitgefühl verlassen hat, treten wir unsere Heimreise an. Der Weg zurück kommt uns jetzt doppelt so lang vor und das einzige, was uns bei Laune hält, ist der Gedanke an ein paar Pommes bei McDonalds. Diese Hoffnungen werden zerstört, als wir vor den Türen des Fast-Food-Ladens feststellen, dass dieser natürlich schon geschlossen hat. Hätten wir uns auch denken können. Noch enttäuschender wird das Ganze, als wir zuhause merken, dass unser Nudelvorrat doch schon von den Mitbewohnern entdeckt wurde. Es hilft alles nichts, todmüde warten wir um sechs Uhr morgens darauf, dass das Nudelwasser kocht und schweigen uns an. Daniel Hahn, der Betreiber des Bahnwärter-Thiels hatte recht: Die Leute wissen alle noch, wie man richtig feiert. Die Vorfreude und Aufregung hat diese Nacht vielleicht sogar ein bisschen besonderer gemacht.

Der Bass dröhnt uns noch immer im Kopf, später beim Einschlafen kehrt der Rhythmus der Musik im Club immer wieder in mein Gedächtnis zurück. Ich warte noch darauf, dass meine Freundin mir schreibt, dass sie sicher zuhause angekommen ist. Es sind zwar nur zwei Straßen, aber man weiß ja nie. Nachdem mein Handydisplay noch einmal aufleuchtet und ihr Name erscheint, nicke ich schon ein, den Geruch des Clubs in den Haaren und den Bass noch immer in den Ohren.

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons