Kultur, Nach(t)kritik

Das Husten des Hamburgers

Laura Höss
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„Hallo. Ich bin etwas erkältet.“ Einer der wenigen Sätze, die Gisbert zu Knyphausen an diesem Abend außerhalb seiner Songs von sich gab. Es verhieß nichts Gutes. Fotos: Sebastian Gabriel

Und in der Tat: Der Sänger hustet und schnieft auf der Bühne, dass man am Liebsten ein Päckchen Fishermen’s Friend auf die Bühne werfen möchte. Dennoch – er spielte sein Konzert tapfer bis zum Schluss und zumindest der Stimme konnte man dieses kleine Handicap nicht anmerken.

Wohl aber dem Auftritt an sich. Denn obwohl die Qualität des Konzerts trotz der Krankheit des Sängers und einiger Patzer der Band hoch war, wollte keine rechte Stimmung aufkommen.

Vielleicht waren eben diese wenigen Bühnenansagen der Grund, weswegen das Publikum im Ampere einfach nicht in Fahrt kommen mochte.

Selbst bei starken Songs wie „Sommertag“ fanden sich lediglich ein paar Mitwipper, getanzt wurde kaum und jeder Versuch, die Menge zu einem Mitklatschen zu bewegen blieb erfolglos. Als nach „Morsches Holz“ doch noch mal so etwas wie Jubel aufflammte, war sogar der Sänger selbst überrascht: „Was ist denn jetzt mit euch los?“, scherzte er.

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Dabei hatte alles so gut angefangen. Das Konzert des Hamburger Songwriters war restlos ausverkauft und der Andrang riesig – was sich an den zahlreichen Fans zeigte, die noch verzweifelt versuchten, vor der Halle an Tickets zu kommen.

Die Vorfreude bei denen, die Karten ergattern konnten war groß, bezeichnen doch manchen den Künstler, der im Ampere auftreten würde als den deutschen Bob Dylan – was selbigen allerdings nicht so freute, wie seine Reaktion auf den Zwischenruf eines Fans verdeutlichte.

Der Sänger gefiel sich eher in der Rolle des leidenden Poeten. Und selbst der aufmunternder Einwurf eines Fans („Du bist super!“) entlockte Gisbert zu Knyphausen lediglich ein halbherziges „Du auch“. Leid als Katalysator von Kreativiät in allen Ehren, aber ein Lächeln hätte die Fans sicher mehr gefreut.

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Unbestritten bleibt, dass Gisbert zu Knyphausens Lieder intelligente Studien zum Seelenleben desorientierter Mitzwanziger sind, deren kraftvollen Melodien und kluge Texte das Gefühl dieser Generation treffen. Ihm gelingt es, in seinen Texten die adoleszente Gefühlsachterbahn zwischen Zukunftsangst und der lebensbejahenden Lust des Jungseins einzufangen und es zu transportieren ohne dabei in Nostalgie zu verfallen.

Und so verabschiedet sich der Hamburger schließlich nach einem immerhin fast zweistündigen Auftritt ziemlich unspektakulär mit der Ankündigung, dies sei der letzte Song und danach „lege er sich ins Bett.“. Man wünscht ihm gute Besserung und sich selbst ein besseres nächstes Konzert, mit einem gesunden Gisbert.

“Melancholie, fick dich ins Knie –” so lautet die Zeile eines Liedes von Gisbert zu Knyphausen, eigentlich eine Kampfansage an das Selbstmitleid. An diesem Freitagabend wurde dieses Schlacht wohl verloren.

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