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Die Schönheit eines Abends am Strand

Laura Höss
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Während draußen fiese Novemberkälte die Hansastraße zu einem noch ungemütlicherem Ort als sonst machte, sorgte am Mittwoch in den Räumen des Feierwerks Beach House bei ihrem Publikum für einen musikalischen Kurzurlaub im Land des Dream Pop.

Bereits zum dritten Mal war das Duo aus Baltimore in München zu Gast und auch diesmal spielten Victoria Legrand und Alex Scally in einem restlos ausverkauftem Hansa39, in dem sich schon kurz nach Einlass subtropische Temperaturen entwickelten.

Das Raumklima war jedoch nicht als eine Reminiszenz an den Namen der Band gedacht und stellte auch keine Erweiterung der Dekoration über die Bühne hinaus dar: Übergroße, langsam rotierende Ventilatoren und Holzpanellen, die von hinten angestrahlt immer wieder Muster, wie die von Lamellen einer Jalousie auf die Bühne warfen, schufen die Atmosphäre eines trägen Augustnachmittags.

Nein, es war einfach nur brechend voll und die ungünstige Architektur des Raums, die den Platz vor der Bühne und den Resonanzraum der Boxen auf einen schmalen Korridor verengte, tat dazu ihr Übriges.

Die unkonventionelle Raumaufteilung war auch eines der Dinge, die Sängerin Victoria Legrand und Gitarrist Alex Scally in ihren spärlichen Bühnenansagen kommentierten: neben dem Erstaunen, dass Menschen so viel Interesse für ihre Hintern zeigen könnten, folgte sogleich Legrands Drohung, nur ja keine Fotos zu machen. Woraufhin das Publikum pflichtschuldig lachte, unsicher ob diese Aussage nun wirklich als Scherz gedacht war.

Dann folgten, trotz der merklichen Übellaunigkeit Legrands, knapp eineinhalb Stunden hypnotisches Konzert, in denen das Publikum wie gebannt lediglich zu trancehaftem Wiegen des Oberkörpers in der Lage war, was bestimmt auch der Enge vor der Bühne und weniger mangelnder Begeisterung geschuldet war. Denn die Musik von Beach House, ihre wiederkehrenden Synthie-Themen wie bei „Myth“ und „Lazuli“ und sphärischen Melodien, wie in „Wishes“ ist keine Musik zum ekstatischen Ausrasten.

Abgesehen von einigen Zurufen und vereinzeltem Jubeln ergab sich so ein fast schon ein meditatives Konzerterlebnis, bei dem die Sängerin Victoria Legrand nur ab und an unter ihrem Vorhang aus brauen Locken hervorschaute, um dann zunächst sanft und im nächsten Moment wieder rau die minimalistischen Lyrics der Band ins Mikrophon zu hauchen.

Gerade bei Stücken wie „Norway“ oder „Irene“ zeigte sich in solchen Momenten die Stärke der Musik von Beach House: Legrand und Scally gelingt es, Melodien zu erschaffen, die sich erst leise aufbauen um dann, wenn sich das Zusammenspiel von androgyner Leadstimme, minimalistischen Gitarrenakkorden und tragendem Schlagzeugbeat zu einem tosenden Rauschen an Harmonien aufgebaut hat, wie eine Welle über dem Zuhörer zusammenzubrechen. Dieser kann in diesem Moment nichts anderes mehr tun, als sich einfach von der Musik davontragen zu lassen.

Dementsprechend euphorisch-selig war auch die Stimmung des Publikums, nachdem es nach ausreichend Zugaben wieder in die kalte Novembernacht hinausgespuckt wurde. So euphorisch-selig und entspannt wie man eben nach einem Kurzurlaub ist.

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