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Decolonize München – Das Problem mit den Straßennamen

Yannik Gschnell

Mit dem Beginn der weltweiten Black Lives Matter Demonstrationen im Frühjahr kam sie wieder auf, die Forderung nach der Aufarbeitung von Kolonialverherrlichung im Münchner Stadtbild. Wie bereits im Juni berichtet, finden sich in München über dreihundert als bedenklich eingestufte Straßennamen.

Doch trotz des Rückwindes durch diese revolutionäre Grundstimmung ist wieder ein knappes halbes Jahr verstrichen, ohne dass Kolonial- und Kriegsverbrecher wie Friedrich Von-Erckert oder Hermann von Wißmann einen angemessenen und ungeschönten Platz im Münchner Stadtbild eingenommen hätten. Von der Ehrung zur Mahnung. Statt blinder Geschichtsverdrehung, die kritische Aufarbeitung dieses Teils unseres Kollektivgedächtnisses.

Aktion zur Kolonialstraßenumbennung

Aus diesem Grund rief das Netzwerk Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern zusammen mit dem AK Panafrikanismus München, München Postkolonial, dem Migrationsbeirat der Stadt München, der  Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, dem Netzwerk MORGEN, der Afrojugend München, Black Live Matter München und die N-Wort stoppen Initiative letzten Sonntag zu einer Aktion zur Kolonialstraßenumbennung in München auf.

Decolonize München – NS-Verbrecher, ihre Sympathisanten sowie Kolonialverbrecher und Mörder haben keinen Straßennamen verdient!

Als Teil der Protestaktion liefen die Teilnehmer in Trudering-Riem von der Von-Erckert-Straße über die Von-Heydebreck-Straße bis zur Von-Gravenreuth-Straße. Im Anschluss ging es nach Bogenhausen, auch hier hängt die Kolonialverherrlichung noch über ganzen Straßenzügen. Angefangen wurde bei der Lüderitzstraße. Die Tour führte dann über Nettelbeck-, Gröben-, Leutwein-, Dominik- und Wißmannstraße bis zur Bennigsenstraße, wo sich die Veranstaltung auflöste.

Das Thema ist kein Neues und wurde so zum Beispiel zuletzt 2015 durch einen Stadtratsantrag „für die Untersuchung historisch belasteter Straßennamen“ der Münchner SPD diskutiert. Das Stadtarchiv München erstellte daraufhin eine Liste mit über dreihundert bedenklichen Straßennamen, bei rund vierzig davon besteht besonderer Diskussionsbedarf. Wenn du dich tiefergehend damit beschäftigen willst informiere dich bei den oben verlinkten Organisationen und Initiativen.

München, wie heißt du?

Unser Stadtbild entwickelt sich historisch evolutionär weiter. Straßennamen sind ein Spiegel der Prioritäten unserer Gesellschaft. In der Nachkriegszeit wurde bereits ein Großteil der Straßennamen mit Nazivergangenheit aus dem Stadtbild entfernt. Diese Umbenennungen waren nicht nur als Mittel der Entnazifizierung zu verstehen, sondern boten gleichzeitig Chancen zur Öffnung für unterdrückte Ideen und Anerkennung für humanistische VordenkerInnen aus einer inhumanen Zeit.

Nun zeigt sich dank der vorwährenden Black Lives Matter Demonstration erneut das Verlangen nach einer Aufarbeitung und Perspektiverweiterung der historischen Komplexität. Mit welchen Namen wollen wir unsere Stadt schmücken? Welche Namen verunstalten das Stadtbild? Wie wollen wir in Erinnerung bleiben?


Beitragsbild: © Max Emrich

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