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deepdive – eine Ausstellung mit Vision

Im Glockenbachviertel findet vom 02. bis zum 05. April die Ausstellung deepdive der Kommunikationsdesignerin Susi Luger in der Hans-Sachs-Straße 9 statt. Die Ausstellung entführt Gehörlose und Hörende jeden Abend zwischen 18 und 22 Uhr in die Welt des Tauchens und macht die Kommunikation in der Unterwasserwelt für beide Gruppen gleichberechtigt erlebbar. Was diese Ausstellungen von anderen unterscheidet und inwieweit Ausstellungskonzepte zukünftig neu gedacht werden müssen, um kulturelle Angebote für Gehörlose barrierefrei zu gestalten, erklärt die Designerin in diesem Gastbeitrag.

Verdrehte Welt

Bei meinem ersten Besuch einer Veranstaltung für Gebärdensprach-Nutzer:innen im letzten Herbst habe ich erlebt, wie es ist, in der sprachlichen Minderheit zu sein. Ich hatte mir ein Ticket für das 8. DEGETH, das Deutsche Gebärdensprach-Theaterfestival in München gekauft. Ich wollte Kunst- und Kulturinteressierte zum Thema Barrierefreiheit in Ausstellungen im Rahmen meiner Bachelorarbeit befragen. Weil die Gebärden der Schauspieler:innen auf der Bühne übersetzt wurden, konnte ich den Handlungen der Theaterstücke problemlos folgen. Im Gespräch mit anderen Besucher:innen wurde mir jedoch noch einmal verdeutlicht, wie sehr die kulturelle Teilhabe und der Austausch mit anderen Menschen durch eine Sprachbarriere erschwert werden kann, wenn die Übersetzung zwischen beiden Sprachen fehlt.

Spontan ins Museum – gar nicht mal so einfach

Obwohl sich Deutschland seit 15 Jahren, mit der Unterschrift der EU-Behindertenrechtskonvention, dazu verpflichtet, den Zugang zu kulturellen Einrichtungen barrierefrei zu gestalten, stellen bisher nur ca. 12% der Museen hierzulande Angebote für Schwerhörige und Gehörlose bereit. Angesichts von 80.000 Gehörlosen in Deutschland darf man sich die Frage stellen, warum die vorhandenen Barrieren im kulturellen Raum bislang nicht abgebaut wurden? Wer ist für den Abbau von Barrieren zuständig? Der Staat, die Kommunen, die Museen oder liegt es in der Hand der Ausstellungsdesigner:innen, Kurator:innen und Künstler:innen selbst? Fehlen den Einrichtungen schlichtweg die finanziellen Mittel oder müssen wir uns noch mehr über die unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen mit und ohne Behinderung austauschen, um Barrieren zu erkennen und diese in der Gesellschaft abzubauen?

Sichtbarkeit schafft Akzeptanz

Auch außerhalb von Ausstellungen treffen Gebärdensprach-Nutzer:innen tagtäglich auf Kommunikationsbarrieren und Ausgrenzung, sei es in der Schule, bei Freizeitaktivitäten oder am Arbeitsplatz.
Ich bin der Überzeugung, dass Berührungsängste vor allem dann abgebaut werden können, wenn Minderheiten und ihre Bedürfnisse im Alltag sichtbar werden.
Diese Möglichkeit, durch sichtbare Angebote, Akzeptanz und Empathie in der Gesellschaft zu verbreiten, bieten vor allem Museen, denn sie sind ein Ort, an dem alle gesellschaftlichen Gruppen aufeinandertreffen. Ausstellungen bieten die perfekte Gelegenheit, sich neuen Themen zu öffnen, aus seiner Bubble auszubrechen und das Alltägliche kurz hinter sich zu lassen.

Museum Signers – Angebote in Deutscher Gebärdensprache

Die Arbeit der Museum Signers ist ein Paradebeispiel, wie die Sichtbarkeit der deutschen Gebärdensprache (DGS) im musealen Raum erhöht wird. Durch Führungen in ihrer Muttersprache, der DGS, ermöglichen sie gehörlosen Menschen in München und Bayern seit 2019 die Teilhabe an kulturellen Angeboten. Dieses Angebot bildet einen wichtigen Schritt zum barrierefreien Erleben von Ausstellungen für die Gehörlosen-Community in München. Da die überwältigende Anzahl von kulturellen Angeboten aber nicht mit der begrenzten Verfügbarkeit der Museums Signers bewältigt werden kann ist es umso wichtiger, Ausstellungen bereits in der Konzeption und Umsetzung barrierefrei zu gestalten. Dazu gehört unter anderem die Einplanung von Projektionsflächen, Bildschirmen oder anderen digitalen Bildträgern, auf denen die Besucher:innen die Inhalte in DGS aufnehmen können. Doch auch die Beteiligung von Menschen aus der Community am Prozess ist ausschlaggebend für den Erfolg echter Inklusion.

Ganz nach dem Motto: NICHT ÜBER UNS OHNE UNS!

Schriftsprache als Fremdsprache

Wieso braucht es überhaupt den Einsatz der Museum Signers oder Videos in DGS? Reichen Beschriftungen nicht aus? Die Antwort ist: NEIN. Leider ist vielen Menschen nicht bewusst, dass die DGS einer anderen Grammatik unterliegt als die deutsche Laut- und Schriftsprache. Vor allem lange, verschachtelte Sätze können deshalb eine Barriere für Nutzer:innen der DGS darstellen. Man muss es sich vorstellen, wie beim Lesen einer Fremdsprache, bei der man die ganze Zeit die Worte innerhalb eines Satzes umstellen muss.

deepdive – Ein Versuch Berührungsängste abzubauen

Mit der interaktiven Ausstellung deepdive will ich einen Begegnungsraum für Hörende und Gehörlose schaffen. Durch das Tragen von Gehörschutz bleibt allen Besucher:innen der gleiche Kommunikationskanal, nämlich der der visuellen und haptischen Kommunikation. Da beim Tauchen die Kommunikation fast ausschließlich visuell funktioniert, lassen sich aus diesem Bereich Tools und Kommunikationstechniken anwenden, um den Besucher:innen zu zeigen, wie die Verständigung trotz fehlender akustischer Wahrnehmung funktionieren kann. Mit Hilfe von interaktiven Installationen werden die Besucher:innen angeregt, sich miteinander zu verständigen. Alle Inhalte der Ausstellung werden sowohl in textlicher als auch in gebärdensprachlicher Fassung für alle Besucher:innen zu sehen sein. So soll die DGS im kulturellen Raum an Sichtbarkeit gewinnen.

Das Ziel der Ausstellung ist, Hörende für die Bedürfnisse der visuellen Kommunikation von Gebärdensprach-Nutzer:innen zu sensibilisieren und Gehörlosen das Erlebnis einer Ausstellung zu bieten, in der die Lautsprache nicht vorherrschend ist.

Neugierig geworden? Auf der Instagram Seite @deepdive_ausstellung bleibst du auf dem Laufenden. Ich freue mich auf neugierige Gesichter die einen deepdive wagen wollen 🙂


© WE ARE VIDEO

Über die Autorin:

Susi Luger studiert Kommunikationsdesign an der Design Fakultät der Hochschule München. Die gelernte Mediengestalterin beschäftigte sich in ihrem Studium zunehmend mit der Gestaltung von interaktiven Objekten, Ausstellungsräumen und zuletzt mit der Gestaltung und Planung der Jahresausstellung der Design Fakultät. Neben der Entwicklung von Corporate Designs und Printprodukten, arbeitet die 28-jährige als freie Fotografin und ist zudem Teil des Münchner Künstlerkollektivs WE ARE VIDEO, welches für seine interaktiven Installationen und Projektionen auf Fassaden der Münchner Innenstadt bekannt ist. Nach ihrer Ausstellung deepdive will Susi weiterhin im kulturellen Bereich als Ausstellungs- und Kommunikationsdesignerin arbeiten und neue Konzepte für die Museumswelt erarbeiten.

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