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Demonstrationskultur in Zeiten von Corona: Was macht eigentlich Fridays for Future gerade?

Barbara Manhart

Irgendwer demonstriert immer. Die Corona-Pandemie hat auf den Wahrheitsgehalt dieser Binsenweisheit bisher nur bedingt Auswirkungen gehabt. Während das öffentliche Leben in gewissen Bereichen vollständig zum Erliegen kam, versiegten die Proteste nie ganz. Gründe zum Protestieren gibt es schließlich, wie Sand am Meer, welches dieses Jahr wegen der Pandemie so unerreichbar scheint. Proteste gegen Rassismus, für Toleranz, gegen Corona-Maßnahmen, für Freiheit.

Eine Krise wartet nicht, bis die andere vorbei ist

Doch was ist eigentlich mit einem der meist und kontrovers diskutiertesten Themen der letzten Jahre passiert? Um die Klimabewegung ist es in den vergangenen Monaten ruhiger geworden. Viele kleinere Ortsgruppen von Fridays for Future (FFF) haben ihre Konsequenzen aus der angespannten Corona-Lage gezogen und aus Infektionsschutzgründen keine neuen Demonstrationen veranstaltet. Der für den 13.03. bayernweit angekündigte Protest vor den Kommunalwahlen wurde kurzfristig abgesagt. Auch die in regelmäßigen Abständen bundes- oder weltweit stattfindenden Großstreiks wurden eingestellt. Doch der Klimawandel hört aufgrund des Ausbruchs einer Pandemie leider genauso wenig auf zu existieren, wie der bereits genannte Rassismus. Eine Krise wartet nicht brav in der Schlange, bis die Krise vor ihr ,der Welt ihren Tribut abverlangt hat.

Umdenken und -planen ist gefragt

Deswegen blieb Fridays for Future auch während der Lockdownphase aktiv. Streiks wurden unter dem Hashtag #netzstreik in den Cyberspace verlegt, genau wie Workshops zu unterschiedlichsten Umweltthemen. Seltener fanden auch Aktionen im öffentlichen Raum statt. Mittlerweile nehmen jedoch immer mehr Ortsgruppen den „Streikbetrieb” wieder auf. Auch die Ortsgruppe München, die ebenfalls von Corona in die Zwangspause geschickt wurde, geht seit Anfang Juni wieder auf die Straßen. Bisher sind diese Demonstrationen jedoch (sinnvollerweise) sehr beschränkt. Neben den üblichen Infektionsschutzmaßnahmen dürfen die Veranstaltungen beispielsweise nicht länger als eine Stunde dauern oder eine gewisse Personenzahl überschreiten.

Klimacamps ergänzen die „normalen“ Freitagsstreiks

Parallel zu den wieder ins Rollen kommenden Protesten organisieren einige Ortgruppen zudem Klimacamps. Dabei handelt es sich um Lager, welche meistens durch ein Zelt überdacht sind und unter dem sich Versorgung und Schlafplätze der Aktivist*innen befinden. Nicht selten stellt das Camp den Ausgangs- oder Endpunkt für Demonstrationen dar. Auch in München befindet sich ein solches seit dem 30. Juli im Aufbau. Als Vorbild gilt das Augsburger Klimacamp, das bereits seit Anfang Juli besteht, stetig Zuwachs verzeichnet und welches sich gegen den Beschluss zum Kohleausstieg im Jahr 2038 richtet. Fridays for Future spricht sich gegen den Kohleausstieg aus? Weit gefehlt. Eher sehen die Streikenden das Problem darin, dass der Ausstieg nicht schnell genug vollzogen wird, sodass die Ziele des Pariser Klimaabkommens verfehlt werden.

Fokus des Münchner Klimacamps: Umweltsünden von Großkonzernen wie Siemens

Demonstrierende Jugendliche vor der Siemenszentrale im Januar diesen Jahres

Auch das Klimacamp in München setzt sich thematisch damit auseinander. Wie schon im Januar hat die Ortgruppe ihre Zelte vor der Siemenszentrale im Herzen der Stadt aufgeschlagen. Die Standortwahl fiel dabei sehr bewusst. Siemens möchte seit Jahren “grüner” werden. Gleichzeitig unterstützt das Unternehmen aber immer wieder umweltfragliche Unternehmungen. Diese Doppelmoral kritisiert Fridays for Future scharf und bemäkelt, dass Großkonzerne wie Siemens umweltschädliche Projekte unterstützen. Im Januar ging es dabei zum Beispiel um die Lieferung einer Signalanlage für die Zugstrecke, welche von einer Kohlemine des indischen Adani-Konzerns zum Hafen Abbot Point in Australien führen soll. Die Entscheidung um diesen Deal fiel zeitlich mit den Großbränden zusammen, die in Australien aufgrund der Hitze und Trockenheit wüteten. Die Nachwirkungen des Feuers sind auch jetzt noch bemerkbar. Menschen haben ihre Häuser verloren, manche Tierarten sind nun vom Aussterben bedroht, ganze Landstriche verwüstet. Kein Wunder also, dass die Kooperation von Adani und Siemens Klimaschützer auf den Plan rief und noch zusätzlich Benzin ins bereits brennende Feuer der Aufregung goss.

Anlass für das jetzige Klimacamp ist ein Projekt des Unternehmens “Siemens Energy”, in welches die Energie-Sparte von Siemens Anfang April ausgelagert wurde. Die Firma möchte sich an einem Kohleprojekt in Indonesien beteiligen, indem es die Infrastruktur zur Verfügung stellt. Konkret geht es dabei um die Lieferung von Turbinen für zwei Kohlekraftwerksblöcke auf der Insel Java. Die Aktivist*innen von Fridays for Future möchten diese Kooperation nicht hinnehmen und wollen die Zelte erst dann wieder abbrechen, wenn Siemens auf ihre Anliegen eingeht. Dafür sind in der nächsten Zeit unter anderem Gespräche mit Mitarbeitern der Firma geplant. In den Gesprächen soll es jedoch nicht nur die Forderungen von FFF gehen, sondern auch um die Angestellten der Firma.

Klimagerechtigkeit ist mehr als Umweltschutz

Laut Fridays for Future gehe es nicht darum Menschen durch Stellenkürzungen den Arbeitsplatz wegzunehmen. Vielmehr solle das Ziel sein die Stellen, welche durch den Umbau der Firma verloren gehen würden, durch neue im Bereich Nachhaltigkeit zu ersetzen. Diese und weitere Vorschläge werden wohl in dem Forderungspapier zu finden sein, für das Fridays for Future München eine Übergabe an der Siemenszentrale plant. Neben dieser sowie Gesprächen sind für die Zeit im Klimacamp zudem weitere Veranstaltungen wie Workshops, Sprechchöre und weiteres geplant. Aktuelle Informationen und Updates dazu findet man auf den Social Media Kanälen der Bewegung und ihrer Website.

Corona verändert aber stoppt nicht

Demoschild mit Zitat Elvis Presleys: "A little less conversation, a little more action, please!"

Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit, die den Freitagsprotesten und Aktionen von FFF im letzten Jahr zugute kam, durch Corona klar eingeschränkt wurde, so war die Bewegung in den letzten Monaten alles andere als inaktiv. Neue Wege mussten erwägt und beschritten werden, doch damit scheint Fridays for Future keine Probleme zu haben. Vielleicht wird in dieser Situation genau die Jugendlichkeit der Organisation, die nicht selten als Anlass zur Kritik genutzt wurde, zu ihrem Vorteil. Sie ist anpassungsfähig, technikaffin und daran gewohnt Probleme effektiv und effizient zu lösen. Anlässlich des für den 25.09. angekündigten Großstreiks und der weiter bestehenden Pandemie dürften diese Fähigkeiten ebenfalls wichtig werden. Egal wie sich die Virus-Situation entwickelt: Ein Blick auf die weitere Arbeit von FFF lohnt sich.


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