Kultur, Was machen wir heute?

Der Blick einer Fotografin

Charlotte Frey
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Das Münchner Stadtmuseum/Sammlung Fotografie zeigt unter dem Titel “Mein Blick” eine umfassende Werkschau von Herlinde Koelbl. Sie ist  eine der renommiertesten deutschen Fotografinnen und Dokumentarfilmerinnen.  Mit rund 300 Arbeiten aus mehr als drei Jahrzehnten wird die Ausstellung am Freitag, den 10. Dezember eröffnet mit einem Künstlergespräch am selben Abend. 

Von Beginn an wählte die Fotografin ihre Themen selbst und arbeitete an ihren Fotoserien oft jahrelang, um das für sie Essentielle herauszufiltern. Es geht ihr nicht um den schnellen Blick, sondern um das Erkennen von Strukturen und Verborgenem. Herlinde Koelbls Projekte tragen eine eigenwillige und unverwechselbare künstlerische Handschrift. Couragierte Offenheit und eine schnörkellose Klarheit kennzeichnen ihren Stil. In ihren Bildern spürt man dieses intensive Einlassen, erlebt intime Momente und ist fasziniert von der Eindringlichkeit der Bildprache.

Das deutsche Wohnzimmer, Walter L., Deutschland 1978 - 1980

Das deutsche Wohnzimmer, Walter L., Deutschland 1978 - 1980

Die ausstellung  ist in einzelne Themenblöcke gegliedert, die sämtliche Facetten ihres Werks präsentieren. Das Besondere an Herlinde Koelbl ist, dass sie Themen konzeptionell gestaltet und künstlerisch mit ihrem ganz eigenen Blick umsetzt. Einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet die ab 1980 entstandene Fotoserie Das deutsche Wohnzimmer. Herlinde Koelbl porträtiert Menschen aus allen sozialen Schichten – vom Filmemacher, Künstler, Arbeiter oder Beamter, Landwirt oder Minister – in ihren Wohnzimmern. Ein vergleichbares Thema griff die Fotografin nochmals 2002 in der umfangreichen Arbeit Schlafzimmer auf. Hierzu bereiste sie zahlreiche internationale Metropolen, um die Bewohner in ihrem privatesten Refugium zu porträtieren.

Starke Frauen, Susan, Cincinnati 1993

Starke Frauen, Susan, Cincinnati 1993

Sie ist einer der ersten Fotografinnen, die sich der männlichen Aktdarstellung gewidmet hat. In ihrem 1984 veröffentlichten Buch Männer verbindet sie Sinnlichkeit und Aggressivität der Sexualität in der Darstellung des männlichen Körpers. Eine ungewöhnliche Sicht des nackten Frauenkörpers entwickelt die Fotografin in dem Buch Starke Frauen. Sie zeigt nicht das gängige Bild der schönen schlanken Frau, sondern kreiert eine völlig neue Form der Ästhetik mit der Inszenierung der Körperfülle, Vitalität und Präsenz ihrer Modelle. Mit den Aktportraits der russischen Gräfin Nina schuf die Fotografin abstrakte Körperlandschaften, die das Alter voller Würde in seiner Zerbrechlichkeit und der ihm eigenen Schönheit wiedergeben.

Lebensspuren,Nina, München 1991

Lebensspuren,Nina, München 1991

In Feine Leute (1986) entwirft Herlinde Koelbl ein sezierendes Sittengemälde der High Society. Die im Blitzlicht gefrorenen Gesten demonstrieren, wie wenig fein und feinsinnig die höheren Kreise sich in der Öffentlichkeit geben.

Feine Leute, Frankfurt 1985 (

Feine Leute, Frankfurt 1985 (

Wenige Jahre später entsteht 1989 die Fotoserie Jüdische Porträts. Die Künstlerin porträtiert weltweit jüdische Persönlichkeiten der deutschen Geistesgeschichte in Bildern und Texten. Herlinde Koelbl bezeichnet diese Erfahrungen als Markstein in ihrem persönlichen Leben: „In den Gesichtern habe ich soviel Spuren von einem schwierigen Leben entdeckt, soviel Traurigkeit, aber auch soviel Weisheit und Bescheidenheit.“ Ende der 90er Jahre entsteht die Arbeit Im Schreiben zu Haus – Wie Schriftsteller zu Werke gehen.

Jüdische Portraits, Grete Weil, München 1987

Jüdische Portraits, Grete Weil, München 1987

Die Ausstellung zeigt, wie Herlinde Koelbl arbeitet und welchen Prinzipien sie sich verpflichtet fühlt. So lautet ihr Credo: „Die Freiheit des Denkens, die Freiheit für meine Arbeit war und ist mir ganz entscheidend wichtig. Bei meiner Arbeit selbst dazu zu lernen, meinen Horizont zu erweitern und darüber hinaus mit jedem Thema sozusagen ein geistiges Abenteuer zu beginnen – mit offenem Ende.“

Sein und Schein, Louis Bourgeois, New York 2001

Sein und Schein, Louis Bourgeois, New York 2001

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