Kinogucken

Ein ewiger Kreislauf

Thomas Empl

Indische Tänzerinnen tanzen. Ein Vulkan bricht aus. Kinder werden getauft. Buddhistische Mönche legen in unendlicher Kleinstarbeit aus Sand und winzigen Steinchen ein Gemälde zusammen. Keine Dialoge, keine Kommentare, überhaupt niemand redet. Nur atemberaubende Aufnahmen und Musik. Ein Filmteam ist dafür fünf Jahre lang durch 25 Länder von einem Kontinent zum nächsten gereist; im Gepäck eine hochmoderne 70mm-Kamera, die jede Einstellung zum Erlebnis macht. Es ist schwierig, diesen Film und das was er zeigt, zusammenzufassen, aber der Titel trifft es ganz gut. Samsara: Der Kreislauf des Lebens. In all seinen Facetten.

indienWEB

Der schönste Bildschirmschoner der Welt läuft auf der Leinwand. Wüsten, Tempel, Kathedralen, Canyons, Vulkane, Hochhäuser… man gewöhnt sich an all die großartigen Postkartenmotive und sehnt sich nach einem Indiana Jones, der durch die Canyons reitet oder einem Tom Cruise, der sich vom Burj Kalifa schmeißt. Auch noch so wunderschöne Landschaften werden irgendwann langweilig.

Es dauert bis man sich in diese Bilderflut hineinfindet. Klar, sieht alles sehr nett aus, aber die Gedanken schweifen ab. Gerade die Smartphone-Generation wird Probleme haben durchzuhalten. Doch dann… Szeneriewechsel, von all dem Ursprünglichen, Traditionellen und der Natur hinein in die Großstadt. In großartigen Zeitraffersequenzen lässt Samsara das hektische Stadtleben vorbeirasen, zeigt den Verkehr der Metropolen und die überfüllten U-Bahnen. Und man merkt langsam, warum der Film so beginnt wie er beginnt.

Ein “Wie kommt der Burger auf den Teller?” – Schnelldurchlauf wirkt fast wie aus der Sendung mit der Maus. Nur natürlich drastischer. Und “Wie kommt die Kugel in die Pistole?” hätte die Maus wohl eher nicht gefragt. Massentierhaltung, Prostitution, Waffenfabriken, eine Sexpuppenwerkstatt… Irgendwie hat sich der Mensch in eine komische Richtung entwickelt. Die Bündelung dieser so oft gehörten Themen hätte man sonst wohl als Gutmenschentum abgetan. Durch den unausgesprochenen Kontrast zur friedlichen Ursprünglichkeit entwickeln sie aber eine ganz andere Wucht. Niemand sagt uns, dass das, was wir sehen, verabscheuungswürdig sei und wir alle Vegetarier werden müssen. Samsara lässt den moralischen Zeigefinger unten und seinem Publikum die Freiheit, das Gesehene selbst zu bewerten. “Angenehm” ist noch ein viel zu schwaches Wort dafür.

Denn möglicherweise wird sich sowieso wieder alles zurückdrehen. Das Tempo nimmt wieder ab, die Kamera fliegt erneut über hochaufgelöste Landstriche und nicht mehr über Menschenmassen, in denen der Einzelne klein und unbedeutend scheint. Die Mönche betrachten schweigend ihr Mosaikgemälde. Und machen es wieder kaputt. Sammeln den Sand ein und sind zufrieden. Wir finden’s schade um das schöne Bild. Wahrscheinlich haben wir beide Recht.

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(Kinostart ist der 23. August. In München läuft der Film für’s Erste wohl nur im Monopol)

myanmarWEB

(Einen Trailer könnt ihr euch hier anschauen)

möncheWEB

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