Kultur, Nach(t)kritik

Ein namenloser Meilenstein

Nora Niedermeier
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Von lauen Merchandise-Ständen sollte man sich nicht täuschen lassen: Es sind nicht immer die Bands mit den auffallendsten T-Shirts, die wirklich die Bühne rocken. Zwar war das Kalifornien-Logo auf fast jedem der Shirts zu sehen, doch mit ruhig am Strand liegen, sich bräunen lassen und verträumten Sonnenuntergängen hat “No Use for a Name” nichts zu tun.

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Das ließ sich schon an der Vorband, den Münchner Punkrockern “Screed”, erahnen, die dem Publikum schon vor dem Mainact kräftig einheizten und den ein oder anderen zu beherzten Pogen animierten. Wie wichtig “No Use for a Name” (von Fans auch zärtlich “No Use” gerufen) wirklich für die Punkszene ist, lässt sich spätestens im Gespräch mit “Screed” erkennen, die ihr Glück über den ergatterten Auftritt kaum fassen können: “Das ist wie wenn man als Rockband vor Bon Jovie auftreten darf. Diese Band ist ein Meilenstein!”

Und so ist auch ihr Auftritt: Die vier gut gelaunten Kalifornier betreten die Bühne und die kleine Halle des “Hansa 39” beginnt zu kochen. Es ist eine Stimmung wie vor zehn Jahren, als der Streetpunk noch seine Höhepunkte feierte und Bands wie “No Use for a Name” Stadien füllten. Ab jetzt herrscht für alle Besucher unter 70 Kilo Bühnennäheverbot. Denn jetzt wird der vordere Bereich zum Moshpit. Es wird geschubst und getanzt und das alles mit dem Punk-Ehrenkodex: Wer hinfällt wird binnen einer Sekunde wieder hochgezogen und wer nicht mitmacht binnen zwei Sekunden nach draußen katapultiert.

Der Spaß am Spielen ist der Band deutlich anzumerken, bestens gelaunt werden die untersten Deutschkenntnisse ausgegraben (“Uh, my shirt smells like scheiße!”) und auch die Vorband kann sich über Lob in den höchsten Punktönen freuen (“You guys were fucking awesome!!”).

Und dass diese Bands auch nach mehr als zwanzig Jahren ihre Fannähe nicht verloren hat, beweisen die Jungs indem sie zwischendurch zwei Mädels auf die Bühne holen. Dass sich diese allerdings als größere Kuschelmonster herausstellen und die Jungs einen nach dem anderen beim Spielen umarmen wollen und auch nur noch schwer wieder von der Bühne herunterzukriegen sind, konnte ja niemand ahnen. Schön wenn man auch noch mit über vierzig junge Groupies hat.

Doch so durchwachsen und unterschiedlich wie das Publikum ist auch die Diskografie der Band, die seit 1990 neun Studioalben auf den Markt gebracht hat, wobei die letzten auch gut für Nicht-Hardcore-Punker hörbar sind, so dass auch der Abend ein bunter Mix aus fast allen dieser Alben wird und mit ein bisschen Timing beim Bierholen kann man dieses auch wirklich bei einem ihrer ruhigeren Songs trinken und kriegt es nicht durch einen aus dem Moshpit Geschleuderten übers Shirt gegossen.

So rocken die Jungs fast zwei Stunden lang die Bühne, kleinere Pannen mit der Stimmung der Gitarre werden genutzt um sich ein musikalisches Battle um die coolere Hälfte des Konzertsaals zwischen rechten Gitarristen und linken Bassisten zu liefern (“My side is better than your side!” – “Have you seen my side at all? They are cooler than your side!”) und so gibt es noch eine lange Zugabe, die umso euphorischer gefeiert wird.

Hier kam jeder auf seine Kosten: Harte Punker, extatische Poger, treue Fans und sogar Menschen, die mit dem Punk noch nicht so vertraut sind, denn bei diesem Konzert ist für jeden etwas dabei. Und so boomt am Ende sogar der einfallslose Merchandise-Stand, hier haben Tony Sly und seine Jungs mal wieder ganze Arbeit geleistet.

Böse Zungen sagen, dass der Streetpunk sein Zenith erreicht hat und nun dem New Metal weichen muss, allerdings demonstrieren “No Use for a Name” mit Songs wie “Why doesn´t anybody like me?”, “Dumb Reminders” und “Let me Down”, dass es im Punkrock nicht immer nur um Chaos und Härte gehen muss (aber kann), sondern dass gerade ein solcher Facettenreichtum eine wirklich legendäre Rockband ausmacht. Somit hatten wohl sowohl die Band als auch die Zuschauer einen rockigen Abend, nur das Groupiemädchen musste vor der Zugabe von der Bühne gebuht werden, da die Band wohl mit so viel Liebesüberschuss nicht mehr klar kam. Man ist halt auch keine zwanzig mehr.

Nachtkritik geschrieben von Nora Niedermeier

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