Nach(t)kritik

Ein r-r-r-r-iesengroßes Chaos…

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La Cenerentola 3

… war die Premiere der Kammeroper München von La Cenerentola im Hubertussaal des Schlosses Nymphenburg nicht, sondern ein triumphaler Erfolg.
Für die Inhaltsangabe zitiere ich mich mal selbst: Don Magnifico wohnt in einem völlig herunter gekommenen Palast, aber seine beiden Töchter Clorinde und Tisbe liest er jeden Wunsch von den Augen ab. Dafür verschleudert er skrupellos das Erbe seiner Stieftochter Angelina, genannt Cenerentola, die im Haushalt als Dienstmädchen und Sündenbock für alles arbeiten muss. Als sie den Philosophen Alidoro, der sich als Bettler verkleidet nach der idealen Frau für seinen Fürsten Don Ramiro umsieht, verköstigt, wird sie von ihren herzlosen Stiefschwestern geschimpft und geschlagen. Don Ramiro verkleidet sich ebenfalls und verkündet als sein eigener Diener Dandini die Einladung des Fürsten zu einem Ball, auf dem er sich eine Frau erwählen will. Er trifft auf Cenerentola und verliebt sich auf den ersten Blick in sie. Don Magnifico erlaubt Cenerentola nicht, mit auf den Ball zu kommen, aber Alidoro stattet sie prächtig aus und ermöglicht es ihr so, das Fest zu besuchen.

La Cenerentola 2

Dort muss sich Dandini als verkleideter Fürst der heftigen Annäherungsversuchen von Clorinde und Tisbe erwehren. Don Magnifico säuft sich derweil durch den fürstlichen Weinkeller und sieht sich schon als hohes Tier am Hofe. Als Dandini den Schwestern vorschlägt, die Nichterwählte möge doch seinen Diener heiraten, lehnen diese arrogant ab. Cenerentola, die mittlerweile eingetroffen ist und nun von dem falschen Fürsten ebenfalls umworben wird, erklärt ihm, dass sie seinen Diener lieben würde, denn auch bei ihr war es Liebe auf den ersten Blick. Sie gibt dem echten Fürsten eines ihrer Armbänder und bittet ihn nach ihr zu suchen. Wenn er sie an dem identischen Armband erkennt und dann immer noch liebt, wird sie seine Frau werden.

Zurück in der Bruchbude von Don Magnifico geht Cenerentola wieder in Sack und Asche, trägt allerdings den Armreif. Dandini und Don Ramiro tauschen ihre Rollen wieder zurück und nun ist der Jammer bei den bösen Schwestern groß, haben sie doch den echten Fürsten in seiner Gegenwart verspottet. Don Ramiro erkennt Cenerentola und bittet sie, seine Frau zu werden. Ihre Familie, die sie über Jahre geschunden hat, erwartet nun, dass sie es ihnen mit gleicher Münze heimzahlt, aber Cenerentola ist großherzig und vergibt ihnen.

La Cenerentola von Gioacchino Rossini ist kein Märchen, erklärten Regisseur Dominik Wilgenbus und Arrangeur Alexander Krampe bei der unterhaltsamen Einführung vor Beginn der Vorstellung. Die märchenhaften Elemente wie der Kürbis, der zur Kutsche wird und von Mäusen gezogen wird, fehlen gänzlich. Bei Rossini kommt der Zauber aus den Figuren und der Musik selbst. Und die beiden haben es verstanden zusammen mit dem Ensemble der Kammeroper München diesen Zauber einzufangen.

Aus Don Magnifico wird eine Donna Magnifica, die statt sich durch den Weinkeller zu saufen in der Küche Wunder vollbringt, wohl gemerkt immer noch gesungen von einem Bass. Das steht in der Tradition der bösen alten Frauen im Märchen und passte hervorragend. Es verlieh dem Stück eine ganz eigene Komik, die der Tradition der Commedia dell’Arte folgte. Ebenso war die Besetzung der Tisbe mit dem jungen Countertenor Thomas Lichtenecker ein besonderer Kniff, der bestens funktionierte. Bei dieser Inszenierung darf viel gelacht werden, einzig die Gewitterszene, in der Alidoro sich an Angelina zu vergreifen sucht, passte für mich nicht in dieses Stück, auch wenn ich das Konzept dahinter, dass nicht nur Prinz Ramiro und Diener Dandini in die bezaubernde Angelina verliebt sind, durchaus nachvollziehen kann. Mir waren nur die Handlungen Alidoros etwas zu drastisch, was nicht zum heiteren Ton des restlichen Abends passte.

La Cenerentola 1

Ansonsten ist dieser Abend die pure Freude. Wilgenbus, der auch für die ausgezeichnete deutsche Übersetzung verantwortlich ist, gelingt eine hervorragende Personenführung, die durch die präzise Choreographie von Bettina Fritsche kongenial begleitet wird. So wird aus dem Sextett „Questo è un nodo avviluppato“ „Jetzt weiß keiner mehr, was los ist, da das Chaos r-r-r-iesengr-r-roß ist“ und auf die besonders rollenden Rs bewegen sich die Figuren wie Marionetten an unsichtbaren Fäden. Die gelungenen Kostüme von Katja Melle in Schattierungen von weiß und grau mit wenigen Farbtupfern unterstützen ebenso das Commedia dell’Arte-Gefühl wie die mit weißem Plüsch überzogenen Bühnenpodeste und Requisiten von Udo Vollmer.

Die  Kammeroper München zeichnet sich ja insbesondere durch die Zusammenarbeit mit jungen Sängern aus und bei dieser Produktion ist es wieder gelungen, ein wunderbares Ensemble zu verpflichten. Die schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten auf der Bühne können gar nicht hoch genug gelobt werden und hatten einen erheblichen Anteil am Gelingen des Abends. Irina Nikolskaya als Angelina bezauberte mit warm timbrierten Mezzo, Maximilian Kiener als Prinz Ramiro empfahl sich nachdrücklich für weitere Rossini-Partien. Der Ungar Dániel Foki, mit zwanzig Jahren der Jüngste auf der Bühne, verlieh dem Diener Dandini Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit zugleich und Erik Ginzburg, ausgestattet mit Riesenschaumgummibusen, polterte als Übermutter Donna Magnifica mit beeindruckendem Bass durch das Stück. Gregor Einspieler zeichnete den Alidoro feinfühlig und Maria Perlt und Thomas Lichtenecker harmonierten hervorragend als böses Stiefschwesternpaar Clorinde und Tisbe. Auch der „Chor“, bestehend aus Wilko Döring, Burkhard Kosche und Andreas Schierlinger-Langeheinecke, zeigte sich in bester Spiel- und Gesangslaune. Nabil Shehata und das Orchester der Kammeroper München setzten das interessante Arrangement vom Alexander Krampe, unter anderem mit Akkordeon und Marimbaphon, präzise um. Ein heiterer Abend mit fabelhaften Leistungen aller Beteiligten.

La Cenerentola 4

Weitere Vorstellungen bis 14.09.2012 im Hubertussaal, Tickets ab 24€ bis 52€ (Schüler und Studenten die Hälfte) bei Münchenticket erhältlich.

Fotos: Bernd Schuller

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