Kultur, Live

Totgesagte leben länger

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Wie oft wurde schon das Ende der Operette vorausgesagt und tatsächlich kränkelt die häufig als kleine Schwester der Oper ein bisschen vor sich hin. Große Häuser sind sich zu fein, Operetten zu spielen, selbst wenn sie eine lange Tradition im Haus hatten.

So wurde in der Staatsoper bereits im letzten Jahr die Faschings-Fledermaus und jetzt auch die Silvester-Fledermaus vom Spielplan genommen. Die Kammeroper München, die ja schon mit Die lustigen Nibelungen und Die schöne Galathée & Häuptling Abendwind bewiesen hat, dass sie das Genre beherrscht, springt in die Bresche und bringt mit der Uraufführung von Charleys Tante den Witz und den musikalischen Schwung nach München zurück.

In den Sechzigern erfolgreich mit Peter Alexander verfilmt, hat das Schauspiel von Brandon Thomas viel mehr zu bieten, wenn man es in seiner Entstehungszeit, dem vitorianischen England, belässt. Charley ist verliebt, doch seine Angebetete droht ihm zu entgleiten, muss sie doch am nächsten Tag mit ihrem doofen Herrn Papa ins langweilige Schottland aufbrechen. Da will er wenigstens noch schnell einen Heiratsantrag loswerden, hat aber keinen Plan, wie. Er kann die gute Amy nicht einfach so zu sich einladen, das gebietet der Anstand.

Da kommt das Telegramm der bisher unbekannten reichen Erbtante aus Brasilien gerade recht, die sich zum Lunch ankündigt. Das ist doch die Gelegenheit! Unpassend kommt allerdings Onkel Chesney, der leider, leider das Studium von Charley nicht mehr finanzieren kann. Der denkt ein bisschen nach und fasst den Plan, Onkel und Tante miteinander zu verkuppeln, dann wären alle Probleme gelöst. Dumm nur, dass die Tante dann doch nicht kommt. Also gleich, jedenfalls. Was tun, sprach Zeus? Da stolpert ein weitere Gast herein: Lord Fancourt Babberly, ebenfalls Student mit Hang zum Theater und Charleys Freund. Der ist stinksauer auf Amys alten Herrn, der als Vizedekan der Uni eine Aufführung verboten hat, in der er als Frau verkleidet auftreten wollte. Und weil ihm die Bühnenbretter versagt bleiben, lässt er sich von Charley breitschlagen, seine große Show in dessen Speisezimmer als alte Schachtel Tante aus Brasilien abzuziehen. Es kommt, wie es kommen muss, der Onkel verliebt sich und der Vater von Amy gleich mit. So ist Charleys Tante vor allem damit beschäftigt, die unwillkommenen Verehrer abzuwehren. Richtig rund geht es, als doch noch die richtige Tante auftaucht, in Begleitung von Ela, in die wiederum die falsche Tante schwer verliebt ist. Ob sich nach dem turbulenten Lunch mit anschließendem Tee und Abendessen die richtigen Paare zusammenfinden, schaut man sich am Besten selbst an.Charleys1

Regisseur Dominik Wilgenbus, der als rühriger Butler Brasset selbst auf der Bühne stand und auch die Gesangstexte schrieb, zeigte einmal mehr, dass die Operette ihm liegt. Zusammen mit Choreografin Bettina Fritsche bringt er Tempo und Witz auf die Bühne, ohne dabei ins Lächerliche abzurutschen. Die Gesangstexte sind witzig und ironisch, es ist zum Beispiel wirklich zu köstlich, was sich außer Tequila und Lila noch alles auf Ela reimt. Man leidet mit Charley, hinreißend gespielt und gesungen von Maximilian Kiener, wenn er sich mit einem Liebesbrief abmüht, man möchte am Liebsten mit der falschen Tante schäkern, auch wenn man weiß, dass es eine falsche ist. Da geht es Schlag auf Schlag, da sitzt jede Bewegung und das Publikum kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus. Das wirklich wunderschöne Bühnenbild von Peter Engel offenbart noch das ein oder andere Geheimnis, wie zum Beispiel Brasiliens Dschungel. Maximilian Nowka glänzt sowohl als Lord Babberly als auch als falsche Tante, er treibt die Komik auf die Spitze mit exaktem Timing und einem unnachahmlichen Augenaufschlag.

Charleys2Die Musik von Ernst Fischer ist zwar erst später entstanden, in den Vierziger und Fünfziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts, passt aber durch mit ihrem Swing und dem Ballroomfeeling genau zum Stück. Manchmal fühlte ich mich auch an die Comedian Harmonists oder die Musik der Stummfilmaera erinnert. Dass dieser Komponist so in Vergessenheit geraten ist, ist unverständlich. Nabil Shehata brachte das Orchester der Kammeroper München zum Swingen, Alexander Krampe hatte die Musik dafür bearbeitet und arrangiert. Gesungen wurde an diesem Abend hervorragend, lediglich Katharina Blaschke als die richtige Tante ging manchmal etwas unter, machte das aber mit ausgezeichnetem, inspiriertem Spiel wieder wett. Torsten Frisch gab den Onkel Chesney mit genau jenem Grandeur, den man von einem Colonel aus Indien erwartet und Stefan Kastner verkörperte den moralinsauren Vater der süßen Amy (bezaubernd: Anne-Katrin Steffens) so überzeichnet, dass es eine wahre Freude war. Katharina Konradi als Ela komplettierte das mal wieder herausragende Ensemble.

Weitere Termine: 23., 24., 25. Januar 2014 14., 15., 16. Februar 2014 2., 3., 4. März 2014 um jeweils 19.00h, Künstlerhaus am Lenbachplatz, Festsaal, Karten von 20€ bis 60€ bei München Ticket, Schüler und Studenten 50% ermäßigt

Fotos: Sabina Tuscany

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