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Die lustigen Nibelungen

Über uns selbst lachen können wir Deutschen ja eher schlecht. Da muss schon ein Österreicher kommen, um sich über den deutschesten aller Stoffe, das Nibelungenlied, lustig zu machen.

Siegfried ist ein Schaumweinfabrikant und züchtet Drachen, schließlich braucht er ja auch Nachschub für seinen Nebenjob als Drachentöter. Er hat ein Auge auf Kriemhild geworfen, die ihm sogleich zu Füßen liegt, ihm gehört der Nibelungenschatz und damit ist er eine gute Partie. Außerdem ist er unwerwundbar, seitdem er in Drachenblut gebadet hat und hilft Kriemhildens Bruder Gunther bei der Brautschau. Seine Angebetete ist nämlich nicht ganz leicht zu erringen, Brunhilde steht auf kräftige Jungs und nur wer sie besiegt, darf sich Hoffnungen machen. Also fix die Tarnkappe auf und ran an die Frau. Als Siegfried Gunther dann aber auch noch im Schlafzimmer vertritt, geht die Sache doch zu weit, außerdem ist der Hunnenkönig Etzel sowieso die bessere Partie für Kriemhild. Siegfried muss weg. Aber wie?

Diese und andere Fragen werden im Laufe des Abends auf äußerst vergnügliche und humorvolle Weise geklärt. Regisseur Dominik Wilgenbus wies in der Einführung darauf hin, dass der Text nicht übertrieben modernisiert wurde, viele direkte und griffsichere Pointen sind schon im Originallibretto enthalten. So spricht man in fast schon prophetischer Weise in diesem 1904 uraufgeführtem Werk vom Kurssturz der Nibelungenaktien und vom Untergang der Rheinischen Bank. Zur Erheiterung tragen auch die vielen Wortspiele und Anspielungen auf die Nibelungensage bei, die man aber auch versteht, wenn einem das Epos nicht ganz so geläufig ist.

Die Bühne von Peter Engel besteht aus dem Mittelgebirge, in dem das Orchester sitzt, einer offenen Fläche mit Hockern und Stühlen sowie zwei “Nebenbühnen”. Da stehen dann so nette Ortsbezeichnungen wie “Baumwipfel südlich von Worms” oder “Noch ne Schlucht”. Die Kostüme von Uschi Haug unterstützen den karikierenden Charakter der Operette. als besonders gelungen empfand ich die Choreografie von Caroline Finn, sie hört sehr genau auf die Musik und setzt sie punktgenau in Bewegung um.

Das Arrangement von Alexander Krampe, das den Walzerkängen eine sehr jazzige Note verleiht, fand ich, nachdem ich die Originalmusik noch im Ohr hatte, gewöhnungsbedürftig. So hört man das Akkordeon und das Schlagwerk sehr heraus und damit geht das Ganze schon eher in Richtung Musical. Allerdings muss man natürlich bedenken, dass auf der Bühne des Künstlerhauses kein Platz für ein großes Orchester ist, somit lässt es sich mit dieser Zwischenlösung ganz gut Leben. Witzige fand ich auch die musikalischen Zitate wie zum Besipiel aus “Peer Gynt”, das ist eine Melodie, die wirklich jeder, und sei es nur aus der Bierwerbung, kennt. Oleg Ptashnikov leitete das kleine Orchester der Kammeroper souverän und spritzig.

Die große Entdeckung für mich war an diesem Abend die einzige Umbesetzung gegenüber der Premiere am 7. Januar 2010. Burkhard Kosche sang den Hagen mit bis in die tiefsten Tiefen kräftiger Bassstimme und fühlte sich in dem spielfreudigen Ensemble sichtlich wohl. Das ist umso erstaunlicher, weil er im Hauptberuf im Chor der Bayerischen Staatsoper singt und der ist ja eher für sein Steh-Vermögen bekannt. Die Damenriege, Beata Marti als Kriemhild, Anna Silvia Lilienfeld als Brunhilde und Katharina Preuß als Giselher/Waldvogel, war ideal besetzt. Der bekannte Countertenor Thomas Lichtenecker war wieder in der Rolle der Ute zu sehen, er sang nicht nur ganz ausgezeichnet, sondern spielte die Rolle auch mit viel Hingabe, so dass es eine Freude war, ihn zu beobachten, auch wenn das Bühnengeschehen nicht auf ihn fokussiert war. Wolfgang Wirsching glänzte als Gunther mit herrlichem Spiel und schönem Bariton. Bernhard Hirtreiter überzeugte als Held Siegfried und Florian Weber als Volker sowie Stefan Kastner als Dankwart ergänzten das bestens aufgelegte Ensemble prächtig.

Am Ende gab es tosenden Beifall für alle Beteiligten. Das Stück kommt jetzt noch zweimal in München, am 23. und 24.2., danach sind Gastspiele geplant, eine weitere Wiederaufnahme wird es wohl nicht geben. Karten gibt es online bei der Kammeroper oder über Münchenticket, sie kosten zwischen 19 € und 48 €, Schüler und Studenten zahlen die Hälfte.
Foto Tobias Melle

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