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Einmal im Monat Revolution: Die Rationalversammlung ist jetzt in der Milla zuhause
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München ist vor allem für eines bekannt: für große Bühnen, große Gefühle und ein feines Kabarett-Programm. Doch es gibt auch Rebellen, die sich aktiv dafür einsetzen, mehr Abwechslung und Aufregung auf die kleinen und mittelgroßen Bühnen zu holen.
Dazu zählt auch die Rationalversammlung, eine Lesebühne, die es inzwischen seit acht Jahren gibt, München aufmischt und Münchner*innen verzückt. Jetzt ist die Show umgezogen: ab dem 12. Februar findet sie monatlich in der Milla statt.
Grund für uns, zwei aus dem Team der Rationalversammlung am neuen Ort zum Interview zu treffen, nämlich Heiner Lange und Bumillo:
MUCBOOK: Möchtet ihr unseren Lesern erst einmal erklären, was die Rationalversammlung denn eigentlich ist?
Heiner: Alles begann im Rationaltheater, da haben wir im Februar 2011 unsere erste Rationalversammlung abgehalten. Das Rationaltheater hat gut zu uns gepasst, ein Ort mit viel Geschichte, 1965 von den Eltern von Max Uthoff gegründet, als Persiflage auf das wieder erstandene Nationaltheater.
Bumillo: 2010 haben wir uns das erste Mal zusammengesetzt und beschlossen, dass wir eine monatliche Lesebühne in München gründen möchten. Klar war eigentlich, dass Philipp Scharrenberg, Heiner Lange und ich das gründen, wir waren zu der Zeit gerade erfolgreich als Poetry-Team “PauL – Poesie aus Leidenschaft” unterwegs.
Die Lesebühne selbst ist ja keine ausdrückliche Lesebühne, wie läuft ein Abend mit euch denn ab?
Heiner: Wir haben den Spirit des Rationaltheaters aufgenommen und sind politischer geworden, es gibt zum Beispiel bei jeder Show einen Vorgesetzten, haben bei jeder unserer Shows einen Vorsitzenden, der erst einmal ein Manifest vorliest.
Grundsätzlich findet jeden Abend eine Art der Revolution statt und das Publikum teilen wir in Parteien auf
Auf der Bühne sind dann die Politiker, also wir. Wir haben diese Struktur, die die Politik seit Jahrhunderten etabliert hat, sozusagen für die Bühne ausgeliehen.
Bumillo: Die Location hatte also einen sehr sehr großen Einfluss auf unsere Lesebühne. Gerade beim Rationaltheater konnte man auch die Fenster schließen, kein Sonnenstrahl Alltag konnte eindringen und der Besitzer Dietmar Höss meinte zu der Zeit immer zu uns: “Ihr dürft auf jeden Fall noch schärfer werden und noch kritischer!”
Das war natürlich super für uns, dass da jemand war, der uns noch bissiger haben wollte. Deshalb war diese großartige Location, die Heiner für uns gefunden hatte, stilprägend bis heute für die Lesebühne, die Rationalversammlung. Dazu kommt noch, dass wir alle bissi verkopft sind, von daher passt dieses rationale, dieses Dinge im Kopf lösen ganz gut zu uns.
Was genau erwartet denn die Zuschauer*innen, wenn sie bei euch eine Eintrittskarte kaufen?
Bumillo: Man kann nie so genau sagen, was wir zur Show mitbringen. Ich habe zum Beispiel viel Standup-Comedy gemacht in der letzten Zeit, Scharri (Philipp Scharrenberg, Anm. d. Red.) und ich bringen auch immer mal wieder einen Beat und einen Rap mit, Heiner spielt immer mal wieder auf dem Klavier oder macht sogar Powerpoint-Präsentationen. Elena (Elena Anais, Anm. d. Red.) zitiert oft aus Groschenromanen, die sie an Tankstellen oder Kiosken findet und verlost diese dann.
Wir sind völlig unberechenbar. Für uns selber, aber eben auch fürs Publikum.
Heiner: Das ist auch immer die Essenz des Ganzen. Auch wenn das jetzt alles ein bisschen beliebig oder zerrissen klingen mag. Aber wenn man dann abends mal dabei ist, wird einem sehr schnell klar, dass wir versuchen, die Grenzen auch auszuloten, die Grenzen des Geschmacks, die der Ästhetik. Wer mit einer ganz festen Erwartung zu uns kommt und sich auf drei Stunden Gags einstellt, kann unter Umständen auch enttäuscht werden. Das ist auch Teil unseres Plans: Dass man zu uns kommt und Dinge erlebt, die auf normalen Bühnen eher nicht passieren.
Bumillo: Das ist für uns auch immer ein guter Antrieb. Die Gewissheit: bis zur nächsten Show brauche ich zwei neue Texte oder Ideen. Es kann dann auch mal passieren, dass das nicht ganz ausgegoren ist. Aber auch das hat einen gewissen Charme, dass die Zuschauer*innen einmal etwas eckiges und nicht ganz rundes erleben, wenn nicht immer alles auf Hochglanz poliert ist. Also es gibt den einen Tag Rationalversammlung im Monat, aber die dreißig Tage davor sind wir in Gedanken auch schon dabei.
Sprecht ihr eure Show dann vorher untereinander ab?
Bumillo: Nein, gar nicht. Wir schreiben unserem Vorsitzenden, welche Texte oder Bestandteile wir mitbringen, der bringt das dann in eine Reihenfolge und wir überraschen uns selbst damit. Da entsteht auch eine Atmosphäre unter uns, die sich auf das Publikum überträgt. Wir sind einfach gespannt, was als Nächstes passiert. Die Zuschauer, die schon länger dabei sind, freuen sich auch immer auf unsere Experimente, fiebern schon darauf hin, was jeder von uns mit in die Show gebracht hat.
Ihr seid ja stark vom Rationaltheater inspiriert worden. Wie ist das jetzt für euch, in die Milla umzuziehen?
Heiner: Tja, das müssen wir jetzt dann herausfinden. Wir haben ja schon einen Umzug hinter uns, vom Rationaltheater ins Import Export, aus Platzgründen. Die Show hat sich schon allein durch die veränderte Raumgeometrie verändert. Im Rationaltheater waren die Zuschauer direkt auf die Bühne ausgerichtet, das hatte für uns dann eher ein Theater-Feeling. Im Import Export konnten die Menschen von zwei Seiten auf die Bühne gucken, auch da haben wir uns dann angepasst, da muss man dann mehr Menschen integrieren. Die große Herausforderung wird hier in der Milla dann sein, dass wir den ganzen Raum bespielen.
Bumillo: Das ist für uns auch wichtig zu wissen, da wir ja keine gewöhnliche Lesebühne sind, bei der jeder von uns seine fünf Texte vorträgt.
Wir wirbeln halt Staub auf und dieser Staub fällt dann runter.
Deshalb sind die Räume, in denen wir arbeiten, extrem inspirierend und auch dominierend schon fast. Ich bin gerade total inspiriert beim Schreiben, jetzt wo ich die Milla vor Augen habe. Auch wenn ich jetzt schon fünf Jahre den Song Slam moderiert habe. Aber der Raum wird jetzt neu besetzt, weil ich weiß, dass hier jetzt die Rationalversammlung stattfindet.
Wie läuft das bei euch mit der Inspiration?
Heiner: Ganz gut eigentlich. Wir haben genau dafür Republiken gegründet, als Rubriken, die wir bespielen und mit Thematiken befüllen.
Bumillo: Also Rubriken heißen bei uns Republiken, angepasst an das übergreifende Politik-Szenario.
Heiner: Eine, die wir aktuell bespielen ist die Fröhliche Fraktion. Das ist ein absurdes Theater-Stück, das der Vorsitzende des Abends schreibt und das am Ende des Abends stattfindet. Der Punkt ist, es gibt ganz klare Regeln. So muss es beispielsweise auf zwei ausgedruckte DIN A4 Seiten passen und es darf keiner von denen, die es spielen, vorher gelesen haben. Das heißt, wir erarbeiten uns das Stück, während wir es schon spielen.
Bumillo: Wir wissen auch nicht, ob und wer mitspielt. Der Vorsitzende teilt einfach die Blätter aus, sagt Bumillo, du bist dabei, Heiner brauche ich noch und Elena. Das ist immer das Ende unserer Rationalversammlung. Dadurch, dass man das nicht für sich selbst schreibt, sondern für die anderen der Gruppe ist das natürlich noch besser. Zum Beispiel habe ich dann den Anspruch, dem Heiner einen guten Satz in den Mund zu legen.
Heiner: Oder ich möchte ihm einen ganz furchtbaren Satz geben. Beide lachen. Das ist natürlich von Charakter zu Charakter unterschiedlich.
Letzte Frage. Die Rationalversammlung ist ein Münchner Kindl. Habt ihr das Gefühl, dass die Stadt da auch einen Einfluss drauf hat? Braucht München das ganz besonders dringend, oder kommt das hier ganz besonders gut an?
Heiner: Hm, gute Frage.
Bumillo: Wir haben schon immer einmal wieder Münchentexte im Programm, wir setzen uns auch sehr stark mit der Stadt auseinander. München ist ja sehr stark vom Kabarett geprägt und im Bezug auf dieses Kabarett, auch wenn Scharri oder ich auch in anderen Häusern unser Soloprogramm spielen, sind wir hier Underground.
Heiner: Inhaltstechnisch ist es gar nicht so prägend, was ich von der Stadt in meinen Texten reflektiere. Aber die Struktur merkt man schon deutlich. In anderen Städten gibt es ja beispielsweise wöchentliche Leseshows, Berliner Lesebühnen beispielsweise. München einfach als eine Stadt, in der viel Geld da ist, aber auch mit der Strenge der Stadt, die von außen attestiert wird, von Menschen die zu Besuch kommen.
Bumillo: Aber schlussendlich ist uns die Münchner Schickeria ziemlich Wurscht. Stattdessen fühlen wir uns vor unserem Publikum sehr wohl, können auch Texte vortragen, die manchmal eher durchschnittlich sind und das Publikum verzeiht uns das dann. Schließlich wissen sie ja, wie hochkarätig unsere Texte sonst sind.
Mucbook: Vielen Dank für das Gespräch, Heiner & Bumillo!
Du merkst: hinter der Rationalversammlung steckt Kraft und vor allem viel Liebe für die (etwas abseitige) Kunst.
Also, Termine in den Kalender eintragen, denn du weißt ja: #supportyourlocalartist – und lass dich überraschen von einer Show, die sich jedes Mal neu erfindet.
In aller Kürze:
Was? Rationalversammlung
Wann? 1x im Monat: 12. Februar, 12. März, 9. April, 14. Mai
Wo? Milla, Holzstraße 28
Wieviel? 12 €, Tickets gibt es hier.
Beitragsbild: © Rationalversammlung