Kultur, Was machen wir heute?

Fernweh und Sehnsucht in der Weltraum-Galerie

Die Weltraum-Galerie zeigte bis gestern Bilder aus nächtlichen Traumphasen, bunte Naturstudien und Landschaftsfotografien, die Fernweh wecken. Für alle, die die sehenswerte Schau verpasst haben, hat Fotografin Wanda Luesst ein paar Einblicke.

Michalis Mersinis und Max Reitmeier präsentierten ihre großflächigen Bilder im Rahmen der Ausstellung BASIC RESEARCH_beobachtungen höherer art.

Die Sehnsucht ist eine paradoxe Sucht: die nach der Ferne befällt einen ausschließlich Zuhause und die nach Zuhause überkommt einen ausgerechnet in der Ferne. In beiden Fällen treibt die Sehnsucht zur Suche nach dem einen und einzigen Ort, wie die Sucht einen Abhängigen nach Stoff. Sie treibt einen zur Hoffnung, Verklärung, Illusion und Imagination, zur Täuschung und Enttäuschung, zur Wut, Weißglut und Verzweiflung. Vor allem aber treibt sie einen von der Mitte an den Rand und wieder zurück, treibt umher und zur bloßen Bewegung, so als treibe einen die reine Odyssee des Lebens um. Abendländischer könnte ein Stoff kaum sein.

                    

                    

In Athen haben sich die Fotografen Michalis Mersinis und Max Reitmeier beim Studium kennen gelernt, im WELTRAUM stellten sie erstmals zusammen aus. Mersinis greift in seinen kleinformatigen Arbeiten die Odyssee Homers auf. Er geht auf Spurensuche nach dem historischen Ithaka und macht sich damit auf den geistigen Heimweg des Abendlands. Seine schwarz-weißen Landschaftsfotografien könnten Bilder aus der nächtlichen Traumphase sein, reich an Details und zugleich illusorisch entrückt, wie der geografisch bis heute strittige Ort Ithakas selbst. Die Wirkung seiner latent schwebenden Motive erreicht Mersinis durch ein selbst entwickeltes, doppelstufiges Verfahren. Als traue er dem Negativ des aufgenommenen Landschaftsbilds nicht, scannt er es im Studio ein und fotografiert es nochmals ab. Erst das zweite Negativ entwickelt Mersinis in der Dunkelkammer und beschichtet die Rückseite mit Sterlingsilber. In der Ausstellung liegt das Bildpositiv hinter Glas und die eigentlich weißen Bildstellen schimmern für unser Auge silbergrau von der Rückseite her.

Anders als bei Mersinis basieren Reitmeiers Arbeiten auf der digitalen Fotografie. Seine großformatigen Landmarken sind farbige Naturstudien und Ausschnitte von Innenräumen, durch die Erinnerungen und Stimmungen wach werden. Ein warmes, aber diffuses Licht gestaltet die Bilder und in diesem gedämpften Lichtschein klingen Gedanken und Gefühle des Fernwehs an. Reitmeiers Arbeiten sind keine Fotoabzüge eines Bildes im Ganzen, sie setzen sich vielmehr aus kleinen Einzelbildern wie in einer Kachelung zusammen. Die Mikrostruktur der kleinen Bilder ist von einem Raster schwarz-weißer Punkte geprägt. In der Makrostruktur bildet sich jedoch ein Gesamtmotiv heraus, das Reitmeier zusätzlich malerisch mit Tusche hervorhebt. Die Oberfläche der Arbeiten versiegelt er mit Lack, unter dem die kleinen Einzelbilder Folienfalten werfen und an fragile Abziehbilder erinnern. Reitmeier wurde 1979 in Trostberg/Bayern geboren und lebt in München und Zürich. Mersinis (*1978) stammt aus Athen und lebt derzeit in Glasgow.

Text: Christina Maria Pfeifer
Bilder: Wanda Luesst

Weltraum
Rumfordstraße 26
www.weltraum26.de

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