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Frei&Liebe (4): Das Spiel, unentschieden
Während mein Fuß Millimeter über dem Boden schwebt, eine Millisekunde bevor der nächste Schritt vollends gegangen ist, frage ich mich, warum ich nicht einfach aufgebe. Von außen wirkt das ganze Spiel absurd, abstrus, selbstzerstörerisch. Die Spielregeln habe ich immer noch nicht ganz verstanden, kann als Figur auf dem Feld nicht begreifen, ob ich Dame oder Bauer bin. Du schiebst mich über schwarze, über weiße Flächen, Hochs und Tiefs. Ständig das Risiko für deinen Spaß geopfert zu werden. Außer Frage, dass ich den König beschütze. Vernebelt von der Idee von dir, manisch an dich gekettet, what a wicked game.
What a wicked game
Ich frage mich, wann es denn so verkorkst wurde. Warum ich mich auf diese Spiel eingelassen habe, wenn ich doch niemals zu den Zockern gehörte? Wenn es für mich wohl Nichts zu gewinnen gab? Riesige Augen passen nur mittelmäßig in ein Pokerface. Ich denke an jene Frauen, die Männer am langen Arm verhungern lassen können. Überlege, ob ich einen Kurs in Russland besuchen sollte, in dem man lernt kühl und abweisend zu sein. Gibt es wirklich. Nun ja, habe ich eben noch nicht gelernt, gehöre im Spiel der Liebe wohl eher zu denen, die unverhofft einen Pasch würfeln, so ganz ohne Strategie und Anfängerglück. Ach, war die erste Liebe leicht.
Doch so zerreißt du mich mit jedem deiner Manöver ein bisschen mehr. Ein Teil in mir versteht sehr wohl, dass du mir nicht gut tust. Zumindest in dieser Konstellation ist dein Charme egoistisch, deinen Küssen fehlt Verlässlichkeit, dein Blick zieht mich aus und sieht mich doch nicht. Es wäre leichter, würde ich dich nicht in deiner Ganzheit sehen. Ich bitte um mehr Polarität, liebes Herz, verehrter Verstand! Dann würde ich wenigstens blindlings und unverschuldet in mein Unglück rennen. Oder alternativ dazu, arrogant das Weite suchen.
Doch bei aller selbstgewählten Machtlosigkeit, einen Vorwurf kann ich dir nicht machen. Nichts zu tun ist nicht weniger Aktion – dank dieser grotesken Selbstanalyse stehe ich schon wieder matt. Karten auf dem Tisch. No, I don’t wanna fall in love, I don’t wanna fall in love, I don’t wanna fall in love…
This girl is gonna break your heart
Doch Schachmatt möchtest du auch nicht, ziehst das Ende der Partie genauso in die Länge – ist auch das nur Teil des Spiels? Du kannst genauso wenig gehen, genauso wenig aufhören, unentschieden zwischen dir und mir. Ein Zweifel. Schwebst auch du über Schachfeldern, verwirrt von uns, vom Spiel?
An deinen Zügen hängt genauso viel Schmerz, wie an meinen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Angst zu verlieren und nicht der Wunsch zu gewinnen, das Spiel dominiert. Du willst dich schützen, ich muss mich schützen – als würden wir nicht um eine Sekunde Ewigkeit und Glücksgefühle spielen, sondern um Leben und Tod. Ich bin etwas bestürzt darüber, dass mich keiner vor dem Suchtcharakter des Spiels gewarnt hat. Darüber, dass man die Perspektive des anderen mitdenkt, wenn man ihn mag. Und ohne jemals Gewissheit darüber zu haben, das Beste im anderen sieht. What a wicked thing to do to make me dream of you.
Denn während ich so über dem Boden schwebe, verstehe ich, wann es so verkorkst wurde. Unsere Leichtigkeit war mit deiner ersten Kränkung verflogen. Als du merktest, es ist kein Spiel mehr. Game over.
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Eine monatliche Liebeskolumne.
Fotocredit: Porsche Brosseau by CC2.0