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Gelbe Tonne: Her mit dem Holsystem

Laura Siegenführ

Wir kennen das Dilemma: die eigene Plastikmüllsammlung platzt aus allen Nähten. Nimmt man dann den Weg zur nächsten Wertstoffinsel endlich einmal auf sich, um brav seinen Müll zu trennen, findet man oftmals einen traurigen Anblick vor: bereits überquellende Container und daneben trotzig abgeworfenen Müllsäcke.

Unbeholfen versucht man noch, ein paar leere Milchbeutel in die viel zu kleine Öffnung zu quetschen. Bis man schließlich aufgibt und seinen Müll wieder nach Hause trägt. In der Hoffnung, beim nächsten Mal mehr Glück zu haben.

Hol- statt Bringsystem

Lästig findet dieses Konzept auch Tamara Ehm. Die 26-jährige Physik-Doktorandin zog vor fünf Jahren von Pullach nach München und ärgerte sich immer wieder über ihren weiten Weg zur nächsten Wertstoffinsel. Während des ersten Lockdowns im letzten Jahr nahm sie das Problem dann selbst in die Hand und startete die Petition für eine Gelbe Tonne in München. Darin wird gefordert, dass das 2017 vom Stadtrat verabschiedete Bringsystem zu Wertstoffinseln zu einem Holsystem mit gelben Tonnen verändert wird. Tamara Ehm erhofft sich daraus, dass es den Münchner*innen einfach gemacht wird, Verpackungsmüll zu trennen. Und dass somit auch mehr recycelt werden kann.

30 Kilo Verpackungsmüll pro Kopf und Jahr wird in anderen Großstädten gesammelt. In München sind es gerade einmal 5 Kilo. Laut Ehm liegt das aber nicht daran, dass Menschen in München mehr Plastik einsparen, sondern dass einfach nicht richtig getrennt wird. Es mag Faulheit sein, zu wenig Zeit, ein zu weiter Weg, zu wenige Wertstoffinseln. Oder auch die nicht inklusiv konzipierten Wertstoffcontainer, die insbesondere für alte Menschen oder Menschen im Rollstuhl eine Hürde darstellen. Aber die Zahlen sprechen für sich.

Was hat es eigentlich mit den Wertstoffinseln in München auf sich?

Wir fangen von vorne an: Laut der Verpackungsverordnung von 1991 ist die Wirtschaft dazu verpflichtet, in Umlauf gebrachte Verpackungen wieder einzusammeln und zu verwerten. Demnach geht beim Kauf eines verpackten Produkts ein kleiner Anteil an das sogenannte Duale System und finanziert somit die Entsorgung. Das bedeutet aber auch, dass die Müllentsorgung und somit auch die Müllverbrennung oder das Recycling privatwirtschaftlich geregelt wird.

Laut Sabine Schulz-Hammerl des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM) ist das ein rein privates System, in dem der kommunale Entsorger, in diesem Fall also der AWM, nur eine Einflussmöglichkeit hat: die Entscheidung zwischen einem Holsystem wie dem gelben Sack oder der gelben Tonne – oder eben einem Bringsystem wie Wertstoffinseln.

Bisher bevorzugte der AWM das Bringsystem aufgrund eines deutlich geringeren Sammelaufwands, mit weniger Emissionen und Verkehrsbelastung in der Innenstadt. Zudem sei das Sammeln der Verpackungsabfälle in Wertstoffcontainern gemäß AWM im Allgemeinen sortenreiner und somit besser zu recyceln.

Was passiert mit unserem Müll?

Womit wir auch schon beim Thema sind: Nachdem wir unseren Müll vorbildlich in allerlei verschiedene Container oder Tonnen sortiert haben, wird dieser recycelt und wieder verwendet, oder?

Naja, fast. Bei Bioabfällen, Altpapier, Glas, Metall und PET-Flaschen funktioniert der Sortier- und Recyclingsprozess nach Angaben der AWM schon ganz gut, nicht aber bei Kunststoffverpackungen. Studien besagen, dass daraus maximal 17-18 Prozent Rezyklat entsteht. Für Sabine Schulz-Hammerl steht bei der gelben Tonne somit ein geringer Rezyklat-Output einem deutlich höheren Sammelaufwand gegenüber. “Hier muss sich also am Ausgangsmaterial etwas ändern, und zwar grundlegend. Der AWM setzt sich ein für: Mehrwegverpackungen, die am Ende ihres Produktlebenszyklus gut recycelbar sind”, erklärt sie.

Einen weiteren Grund für die niedrige Recyclingquote sieht Dr. Thorsten Kellermann, der stellvertretende Vorsitzende vom BUND Naturschutz, der ebenfalls die Petition von Tamara Ehm unterstützt, im bayerischen Abfallwirtschaftsgesetz. Das Gesetz sorge seit seiner Verabschiedung im Jahr 1996 für eine Zunahme von Müllheizkraftwerken in Bayern: “Durch das bayerische Abfallwirtschaftsgesetz werden Müllverbrennungsanlagen stark bevorzugt, beziehungsweise auch der Handel mit Wertstoffen oder Abfällen wurde ermöglicht, um diese effektiv zu betreiben” erklärt Kellermann. Mit anderen Worten: Eine Verbrennungsanlage ist am rentabelsten, solange der Ofen brennt.

Was nun?

“Mir ist klar, dass das ganze Problem mit Recycling noch nicht gelöst ist, wenn es eine Gelbe Tonne gibt”, beteuert Tamara Ehm. Sie sieht die Lösung in einem dreistufigen Konzept, in dem

  1. unnötige Verpackungen vermieden werden,
  2. die Barriere so gering wie möglich ist, Müll richtig zu trennen
  3. und anschließend ordentlich recycelt wird.

Ob nun ein Hol- oder Bringsystem eingesetzt wird, in einem Punkt sind sich Tamara Ehm, Dr. Thorsten Kellermann und Sabine Schulz-Hammerl einig: effizientes Recycling erfordert, dass auch recyclebare Verpackungen hergestellt werden.

Falls auch du dir die gelbe Tonne in München wünschst, kannst du Tamaras Petition noch bis zum 22.06. unterschreiben.


Fotos: ©Tamara Ehm

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