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Bekommt München den Gelben Sack?

Caroline Priwitzer

Als ich zum Studium von München in eine nordbayerische Kleinstadt zog, waren meine Kommiliton*innen stark verwundert, dass ich noch nie etwas vom Gelben Sack gehört hatte. Darin werden unter anderem Plastikverpackungen, Milchtüten oder Konservendosen gesammelt und dann wird er – das ist das besondere – direkt am Haus abgeholt. Nach etwas Zeit in der Kleinstadt, lernte ich das neue Müllsystem kennen und lieben. Je öfter ich Freund*innen besuchte, die wiederum selbst in andere Städte gezogen waren, merkte ich: Die haben auch alle den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne.

Münchens Sonderweg

Deutschlandweit ist beinahe in jeder Stadt eines dieser beiden Mülltrennungssysteme Standard. Warum also fährt München eine andere Linie? Bisher nämlich geht die Landeshauptstadt mit ihren knapp 1.000 Wertstoffinseln, wo man seinen Plastik- und Verpackungsmüll selbst hinbringen muss, einen Sonderweg.

Eigentlich kümmert sich die Abfallwirtschaft München (AWM) hier um die Müllentsorgung. Beim Verpackungsmüll aber sind das primär private Unternehmen. Denn vor über dreißig Jahren, 1991, wurden durch eine bundesweite Müllreform auch private Firmen für die Entsorgung von Verpackungsmüll vorgesehen – und damit ein duales Plastikmüllsystem eingeführt. Jedoch durfte jede Kommune für sich entscheiden, wie die separate Müllentsorgung gestaltet werden sollte. München entschied sich damals für das Bringsystem, statt dem bundesweit vorherrschendem Holsystem. Damit sind wir übrigens die einzige Großstadt in Deutschland, die das so handhabt.

© Tamara Ehm

Pro und Contra Argumente für den gelben Sack?

Damals konnte man nicht voraussehen, welcher Weg welche Vor- oder Nachteile mit sich bringen würde. Das ist mittlerweile anders. Es gibt Untersuchungen, die aufzeigen, dass München im Vergleich zu anderen bayerischen Städten und Kommunen in Punkto Leichtverpackungsentsorgung abgeschlagen ist. Zur Erklärung: Das sind die Verpackungen, die anderswo in den Gelben Sack kommen. Zum Beispiel gab es im Jahr 2020 pro Münchner*in nur 6,0 Kilogramm an Leichtverpackungen zu verzeichnen. Der Landesdurchschnitt in Bayern lag allerdings bei über 21 Kilogramm pro Bürger*in. Vermeiden die Münchner*innen also soviel Müll? Wohl kaum. Vielmehr scheint der Weg zur Wertstoffinsel nicht besonders attraktiv zu sein.

Von den Münchner*innen kommt ebenso Kritik: Überfüllte Wertstoffinseln und zu weite Wege werden immer wieder beklagt.

Trotzdem zeigt sich die Stadt in Punkto Reform zögerlich. Über dreißig Jahre herrscht hier das Bringsystem. Macht der Gewohnheit oder echte Überzeugung? Diese Frage stellt sich. Die Stadt hatte in der Vergangenheit öfter ihre Bedenken gegen einen Systemwechsel kundgetan. Zwar würde mehr gesammelt, wenn der Verpackungsmüll abgeholt werde, allerdings würde auch nicht mehr so sauber getrennt werden. Denn: Die Abholung der Restmülltonne kostet jeden Haushalt Geld, die des Gelben Sacks hingegen nicht. Aus Faulheit könnte man seinen Restmüll – illegalerweise – in der Gelben Tonne verschwinden lassen. Beim Gang zur Wertstoffinsel würde erwiesenermaßen bewusster und sauberer getrennt. Außerdem würde die separate Abholung an den einzelnen Haushalten zu mehr LKW-Verkehr in der Stadt und somit zu höheren Kosten führen.

Der Durchbruch?

Trotz Bedenken, beugt sich die Stadtverwaltung jetzt scheinbar der Kritik und folgt den Anträgen aus Stadtrat, Bezirksausschüssen und Bürgerschaft. Die Stimmung aus dieser Richtung zeigt schon lange in Richtung einer Wertstoffreform. Der sich vorsichtige Plan der Stadt sieht daher wie folgt aus: In einem Pilotprojekt soll nun sowohl die gelbe Tonne als auch die Wertstofftonne getestet werden, um zu sehen, welche der beiden Optionen sich besser für München eignet. In fünf Gebieten, in denen die Dichte an Wertstoffinseln besonders niedrig ist, will man die verschiedenen Möglichkeiten testen. Unterschieden wird dabei zwischen typischen Kleintonnengebieten (Hausbebauung) und typischen Großtonnengebieten (Geschosswohnungsbau) in denen jeweils die Gelbe Tonne und die Wertstofftonne getestet werden. Außerdem soll in einem Innenstadtgebiet der Gelbe Sack ausprobiert werden. Zudem soll das Projekt wissenschaftlich begleitet werden, um dann nach einer Evaluation ab 2027 das beste System münchenweit auszurollen.

Warten auf den gelben Sack

So zumindest der Plan. Weil sich aber eben der AWM nicht alleine um den Sektor der Abfallentsorgung kümmert, muss er mit seinem Vertragspartner, dem Dualen Systemen Deutschland (DSD) in die Verhandlung für die nächste Vertragslaufzeit (von 01.01.2024 bis 31.12.2026) gehen. Ob diese den Pilotversuch mittragen, wird sich Ende 2022 zeigen. Wie so oft bei Stadtthemen heißt das also: Es dauert alles noch ein bisschen. Bei alledem könnte man sich natürlich fragen, warum nicht die Erfahrungswerte aus zahlreichen anderen Städten und Kommunen genügen.


Beitragsbild: Pawel Czerwinski via unsplash

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