Kultur

Tukan-Preisträger Robert Hültner: “Schiller ist ein Krimierzähler”

Hannes Kerber
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Am Montag wird dem Schriftsteller Robert Hültner der Tukan-Preis verliehen. Heute spricht er hier über München, Krimis und die Zwanziger Jahre. Ein Interview.

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Der Tukan-Preis, dotiert mit 6.000 Euro, ist, nach dem Selbstverständnis der Verleihenden, “eine Auszeichnung für die sprachlich, formal und inhaltlich herausragende literarische Neuerscheinung eines Münchner Autors/einer Münchner Autorin”, der unter Berücksichtigung der Qualität der bisherigen Arbeit vergeben wird. Dieses Jahr geht der Preis an den Münchner Schriftsteller Robert Hültner, 1950 im bayerischen Inzell geboren. Ausgezeichnet wird vor allem sein neuer Roman “Inspektor Kajetan kehrt zurück”. Die Preisverleihung mit Lesung findet am Montag, den 7. Dezember, im Saal des Literaturhauses statt.

Leser wie Kritik – alle loben immer wieder ihre historischen Kenntnisse. Die Tukan-Jury nannte ihr neues Kajetan-Buch „zeitgeschichtlich geerdete“ und „akribisch recherchiert“. Wie versetzen Sie sich in das München der späten 1920er Jahre?

Das ist eigentlich gar nicht so schwer. Einerseits recherchiere ich in Archiven – da ist besonders das Münchner Stadtmuseum und das Stadtarchiv zu nennen –, andererseits, und das ist mir immer wichtiger gewesen: Ich spreche viel mit Leuten, die die Zeit noch erlebt haben und die persönliche Bezüge haben. In den 1990ern, als ich die ersten Romane geschrieben habe, gab es noch viele Leute aus dieser Zeit. Tagebücher und Zeitungen aus der Zeit zu lesen ist auch ergiebig, oft ergiebiger als in Archiven zu wühlen, weil man dort nur sehr ausgewähltes Material findet.

Die Jury verglich Sie mit einem der großen Münchner Autoren: Lion Feuchtwanger. Sein „Erfolg“ spielt auch in den Zwanziger Jahren…

Das ist natürlich zu viel der Ehre! Aber natürlich gibt es Ähnlichkeiten: Denn erstens behandle ich die gleiche Zeit. Und, zweitens, ich versuche – wie soll ich sagen? –, ich versuche, den gleichen kritischen und unsentimentalen Blick mitzubringen.

Wie stand Feuchtwanger zu München?

Es wird oft vergessen, dass Feuchtwanger Urmünchner war. Aber als Jude hat er natürlich auch unter dieser Stadt gelitten. Deshalb hatte er von Haus aus einen geschwärzten Blick auf die Stadt. Für ihn war die Stadt – das sieht man besonders am „Erfolg“ – von entscheidender Bedeutung.

Welche Rolle spielt München für ihr Schreiben?

Bei mir ist es anders: Ich bin auf dem Land geboren und als 16-Jähriger für die Berufsausbildung nach München gekommen – und dann geblieben. Ich habe deshalb einen distanzierten Blick auf die Stadt. Oft war das kein Vorteil, auch wenn ich es heute so einschätze. Mir gab München immer Anlass, sich mit Geschichten zu beschäftigen. Diese Geschichten zu suchen und verfügbar zu machen – das war für mich sehr wichtig.

Wie war es, als 16-Jähriger nach München zu kommen?

Ich habe damals eine Ausbildung als Schriftsetzer gemacht. Das war ein ganz toller Beruf, den es heute leider nicht mehr gibt. Damals, 1966, hat München noch völlig anders ausgeschaut. Der eigentliche Entwicklungssprung, den München gemacht hat, kam nach der Olympiade. Wo heute das Gasteig ist, da war damals eine einzige Trümmerlandschaft. Diese Entwicklung mitzuverfolgen war sehr spannend für mich.

Ist es interessanter geworden?

Die Stadt hat sich so entwickelt, wie sie sich entwickeln wollte. Aber was schade ist: Die Geheimnisräume, wie ich sie nenne, sind aus dem alten Zentrum verschwunden. Immer mehr Viertel werden durchkommerzialisiert. Das liegt besonders an den Mietpreisen. So gesehen ist die Entwicklung keine gute, aber: Mein Gott, Städte haben sich immer entwickelt und es kommt darauf an, dass die Leute, die in einer Stadt leben, etwas dagegen unternehmen, wenn’s ihnen nicht passt.

Sie haben etwas dagegen unternommen: Sie haben sich vom München des Jahres 2009 ins München 1928 versetzt. Weshalb noch mal Inspektor Katejan? Weshalb noch mal die späten Zwanziger?

Die Zwanziger waren eine unglaublich wichtige Zeit für die Münchener und die bayerische Geschichte. Damals ist viel gemacht und entwickelt worden, das bis heute entscheidend ist. Vor allem gab es damals einen unglaublichen Kontrast: 1918 – die Revolution. Dann: 1933. Die Zwanziger waren von der Frage bestimmt: Wie soll es weitergehen? Uns, die wir wissen, dass es 1933 bis 1945 gegeben hat, erscheinen die Zwanziger Jahre immer als „verlorene Zeit“. Aber die Leute haben das damals natürlich anders empfunden – ist ja klar. Im politischen Bereich, in der Kunst und im Theater: Überall sind Dinge entstanden, von denen wir heute noch zehren. Diese Erfahrungen und auch die, die 1933 verloren gingen, wieder verfügbar zu machen – darum ging es mir.

Und weshalb ein Krimi? Sie haben die Bedeutung der Zwanziger Jahre hervorgehoben – aber das erklärt noch nicht die Form.

Es sind natürlich Krimis, das ist schon richtig, aber es sind auch dramatische Erzählungen. Und die Ereignisse damals, die waren sehr dramatisch, und da bietet sich die Krimi-Form einfach an. Und Krimis zu schreiben macht Spaß: Man muss sehr stark mit dem Publikum kommunizieren. Ich muss mir genau überlegen, wo ich eine Information einsetze, und wo ich sie zurückhalte. Wo die Spannung drosseln, wo das Tempo erhöhen?

Ich weiß nicht genau, wie ich die letzte Frage formulieren soll: Ein Krimi ist ein nicht ganz typischer Vertreter der Tukan-Gewinner. Ich denke an Uwe Timms „Rot“ oder an Christine Wunnickes „Serenity“ oder an Maxim Billers „Land der Väter und Verräter“… Woran liegt das?

Vielleicht wurde erkannt, dass meine Bücher nicht allein Krimis sind, sondern ich in den Krimis auch sehr viel mit romanhaften Elementen spiele. Aber: Ich habe Probleme mit der strikten Trennung zwischen Krimis und der sonstigen Literatur. Große Romane und Theaterstücke sind häufig Kriminalerzählungen – Schiller ist ein Krimierzähler. Ich möchte mich einfach als Erzähler spannender und unterhaltender Erzählungen sehen.

(Foto: Privat)

Am 7. Dezember liest Robert Hültner um 19 Uhr im Münchner Literaturhaus (Salvatorplatz 1) im Rahmen der Tukan-Preisverleihung 2009. Es sprechen Stadtrat Klaus-Peter Rupp und Dr. Hans Dieter Beck, Vorsitzender des Tukan-Kreises. Die Laudatio hält Ulrich Klenner. Der Eintritt ist frei, um Anmeldung (unter Tel. 089/29 19 34-27) wird gebeten.

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