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Zwischen Kunst, Kommerz und Asbestbefall
Seit Mitte letzter Woche ist die Katze aus dem Sack: das “Museum of Urban and Contemporary Art” (kurz MUCA) bekommt den Zuschlag für fünf Jahre Zwischennutzung in der Dachauer Straße 90.
Viele wollten rein, einer von insgesamt zwölf Bewerbern darf nun. Naturgemäß ist nicht jeder glücklich mit der Wahl. Kritik am Vergabeverfahren gab es vorab. Das baufällige Gebäude ist unter anderem von Asbest befallen. Eine Renovierung – auch wenn sie nur der temporären Instandsetzung dient – geht möglicherweise in die Millionenhöhe, zumindest nach Ferneinschätzung mancher Parteien. Ein Betrag, den man erst mal stemmen muss. Wie ist also die Stimmung bei den beteiligten Parteien? Wir haben die wichtigsten Akteure gesprochen.
Was habt ihr vor? Fragen an das Team MUCA
Stephanie Utz ist Mitgründerin und Pressesprecherin des MUCA. Sie freut sich logischerweise über den Zuschlag an ihr Team: „Keiner konnte bis zum Schluss mit irgendwas rechnen. Auch wir haben es erst am Mittwoch Abend erfahren, als die Entscheidung fiel. Wir freuen uns sehr, somit können wir unserem Kunstlabor in erweiterter Form ein neues Zuhause geben.“
Einschlägige Erfahrungen mit Großprojekten kann das MUCA vorweisen. Das Gesundheitshaus ist trotzdem das ehrgeizigste und langfristigste Projekt der Kunst-Crew bis dato.
Was entsteht da überhaupt?
Das MUCA hatte sich mit einem dreigliedrigen Konzept beworben. Zum einen werden Ateliers für Künstler entstehen, erfahren wir im Gespräch. Zum anderen wird das riesige Haus logischerweise auch für Ausstellungen genützt werden: MUCA ist bekannt dafür, mit Größen der internationalen Street Art- und Grafitti-Szene zu kolaborieren und diese nach München zu holen. Der Name des Vereins verrät gewissermaßen den Anspruch an sich selbst: Moderne, urbane Kunst in Ausstellungen zu überführen.
Ein Gastrobereich wird das Setting vor Ort abrunden. Die fleißigen KünstlerInnen werden schließlich auch mal Hunger verspüren – ebenso wie die BesucherInnen. Der Gastro-Part soll aber an eine externe Partei vergeben werden, verrät uns Utz.
Und ein Club? – Fehlanzeige! “Unser eingereichtes Konzept sieht einen fest installierten Club nicht vor. Ein Club war an dieser Stelle auch explizit nicht gewünscht durch die Stadt.” Mit Rücksicht auf die Anwohner könne man diese Entscheidung verstehen.
Für die Anwohner ist die Wahl eine vergleichsweise leise und verträgliche Lösung. Diese waren über den Bezirksausschuss zudem von Anfang an in den Prozess um die Vergabe involviert und konnten dem Stadtrat eine bevorzugte Lösung vorschlagen. “Das finde ich auch persönlich den richtigen Weg: „Hand in Hand“ mit den Anwohnern. Die wollen logischerweise auch wissen, was da passiert. Manchmal entstehen Probleme und Vorbehalte ja einfach, weil man die Menschen vor Ort nicht frühzeitig informiert und übergeht,” sagt Utz hierzu weiter.
Was sagt das Gewinner-Team zu den Mängeln am Bau, die von Mitbewerbern ob der gefürchteten horrenden Instandsetzungskosten deutlich kritisiert wurde? “Das sind natürlich ernstzunehmende Punkte, die da im Vorfeld angesprochen wurden. Eine abschließende, qualifizierte Einschätzung muss aber von Sachverständigen abgegeben werden. Woher die Kritik am Vergabeverfahren an sich kommt, kann ich dagegen nicht ganz verstehen. Das war ein durchaus üblicher Prozess wie er beim Gesundheitshaus stattgefunden hat, wenn man ein Gebäude ausmacht und dann eine Zwischennutzung darin installieren will,” so Utz.
Und was kostet der Spaß?
Die konkrete Erbpacht, die für die Nutzung in den nächsten fünf Jahren fällig wird, sei momentan aber auch dem MUCA noch gar nicht bekannt: “Über finanzielle Rahmenbedingungen kann ich selbstverständlich nichts sagen. Es wurde aber im Vorfeld explizit so kommuniziert, dass man nicht unbedingt große und zahlungskräftige Konzerne für die Vergabe anlocken wollte. Das muss der Stadt ja bewusst sein, dass wir als kulturelle Nutzer finanzielle Limits haben.”
Das MUCA finanziert sich wohlgemerkt komplett selbst. Fördergelder erhalten sie keine, erwähnt Utz. Daher müsse man für die Ateliers natürlich Geld verlangen – das Ziel sei aber, hierbei human und bezahlbar zu bleiben.
Wer darf rein?
Eine weitere Frage, die sich stellt, ist natürlich die der Kuration der KünstlerInnen und Ausstellungen. “Wichtig ist uns hier zunächst ein fairer und transparenter Bewerbungsprozess. Wir stehen für ein Projekt, bei dem lebende KünstlerInnen mit eigenen Visionen ausstellen, was einen dialogischen Prozess mit sich bringt. Wir verstehen uns als Gestalter und nicht als Verwalter von Kunst. Bei uns gibt es ein internes MUCA-Gremium das solche Entscheidungen trifft.”
Mit einer Eröffnung darf man – wenig überraschend – in diesem Jahr nicht mehr rechnen. Zu viel ist noch zu tun: “Die Instandsetzung wird Monate dauern. Wir besprechen uns jetzt mit unseren Architekten und Sachverständigen, wie die nächsten Schritte aussehen.” Außerdem haben die umtriebigen MUCA-Leute auch dieses Jahr noch einige Projekte zu wuppen: “Wir haben im Herbst mit der Ausstellung von Swoon und unseren anderen laufenden Projekten – zum Beispiel der Eröffnung des Bunkers in der Hotterstraße – noch viel zu tun.”
Zwischennutzungsroutinier Zehra Spindler
Das Vergabeverfahren und die unwägbaren Kosten waren ihr bekanntermaßen ein Dorn im erfahrenen Veranstalter-Auge. Münchens “Zwischennutzungskönigin” (sz.de) zog sich mit ihrem Team von der Bewerbung um das Gesundheitshaus zurück. Wir wollten von ihr als erfahrene Akteurin persönlich hören, was sie nun zum Verfahren und zur Wahl von MUCA sagt.
Bedenken wegen der unwägbaren Kosten für ihr Team und die potentiellen Mieter äußerte Spindle erneut: „Wenn ich als Zwischennutzerin keine genauen Angaben beispielsweise zum Umgang mit der Asbestentsorgung oder den Auflagen bezüglich des Legionellenvorkommens habe, ist mir das Risiko was die Gesundheit der Mieter wie auch der Besucher auf der einen Seite und die Kosten auf der anderen Seite, einfach zu groß. Die enormen Zusatzkosten hätten wir vermutlich auf die Mieten der KünstlerInnen und Startups abwälzen und durch etliche lukrative Firmenevents wieder reinholen müssen. Das wollten wir von vorn herein ausschließen. Dass wir dadurch vielleicht eine Chance verpasst haben ist zwar schade, aber es war uns wie gesagt zu riskant. Dass man die Punkte nachverhandeln kann, ging aus der Ausschreibung leider nicht hervor.”
Spindler freut sich aber, dass die Wahl auf das MUCA fiel: „Eine sehr gute Wahl! Ich gratuliere den Machern und freue mich auf viele spannende Veranstaltungen und Aktionen“.
Hierzu sei gesagt, dass die Stadt sich von finanziellen Risiken weitestgehend frei gesprochen hat. Förderungen können allenfalls durch das Kulturreferat erfolgen, nicht direkt durch das Kommunalreferat. Der Erbpächter ist also mit der Instandsetzung betraut – folglich auch mit den Kosten. Auch für Zwischennutzungen können bei Sicherheit und Gesundheit der Besucher keine Abstriche gemacht werden. Genehmigungsprozesse sind hier also im Regelfall genauso streng und oft träge wie in anderen Fällen auch. Geradezu ironisch wäre es ja, wenn vom ehemaligen Gesundheitshaus eine Gefahr für die Besucher ausginge. Herausforderungen, die das MUCA-Team offenbar bereit ist, aufzunehmen.
Das sagt das Kommunalreferat
Kristina Frank, die Leiterin des Kommunalreferats (und OB-Kandidatin der CSU) sagt zur Vergabe: “MUCA hat inhaltlich voll überzeugt, da es den Kunst- und Kreativschaffenden viel Raum für ihre Arbeit und Werke lässt. Die vorgegebenen Kriterien wurden durch MUCA am besten erfüllt.” Inhaltlich wolle das Kommunalreferat keinen Einfluss nehmen, wobei im Erbpachtvertrag die konkrete Nutzung grundsätzlich festgehalten werde. “Das Angebot wird die Umgebung mit öffentlich zugänglichen Ausstellungen sowie einer Gastronomie außerordentlich kunstvoll, aber zugleich maßvoll bereichern.”
Man darf also gespannt sein, was uns da kommendes Jahr erwartet. Der Ball liegt nun beim Team MUCA.
Eine Notiz am Rande: Am Gebäude selber prangt seit 2017 ein riesiges, dreiteiliges Werk des Streetart-Künstlers Skullphone. Ermöglicht hat dies der gemeinnützige Verein Positive Propaganda e.V., der im ganzen Stadtgebiet verteilt immer wieder große Namen der weltweiten Streetart-Szene nach München holt. Was mit dem Werk geschehen soll, ist noch offen.
Fotos: © Sophia Hösi
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