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Kaiserschmarrn – süß und fluffig

1349859350_roessl_schell-79Die Stimmung war bestens, der Funke sprang über. Das Singspiel “Im Weissen Rössl”, quirlig und herrlich überdreht, ist gut fürs Gemüt, wenn die Tage wieder kühler und kürzer werden. Andere mögen Kriege führen;  im glücklichen Österreich wird einfach geheiratet – “tu felix Austria nube” – wobei sich diese scheinbaren Gegensätze ja bekanntlich durchaus verbinden lassen, aber davon handelt das “Weisse Rössl” nicht. Wir befinden uns im Jahre 1930. Der Mann von Welt fährt von Berlin in die Sommerfrische an den Wolfgangsee, gekleidet in eine Hemdhose Modell “Apollo” oder “Attila”, die vorne bzw. hinten zu knöpfen ist, je nachdem, was man an diesem Abend vorhat. Es ist ferner die Rede von einem vielversprechenden neuen Patent, mit dem sich auch die verschlossenste Frau zügig aufreißen lässt. Die Herren sind elegant, die Touristen im schneidigen Anzug und mit Gel in den Haaren, die Einheimischen mit Lederhosn und Wadlstrümpf. Die Damen tragen Wasserwelle und Charlestonkleid, oder aber Zopffrisur und Dirndl. Das ist was fürs Auge, so oder so.

Eine halbe Stunde vor dem Beginn der Vorstellung ging es im Foyer los mit einem Rahmenprogramm: Kinderchor, Trachtentänzer, und Susanne Heyng vom Ensemble des Gärtnerplatztheaters, die im Laufe des Abends immer wieder als “Reiseleiterin” eines Touristenbusses auf der Bühne zu sehen ist. Hier fängt sie schon mal damit an, ihren “Sommerfrischlern” einige grundlegende Informationen zu verabreichen. Sie machte ihre Sache allerdings etwas zu gut: Ich beobachtete ein nettes Ehepaar, das den Inspizienten dazu bewegen wollte, ihnen schon vorab den Einlass zu öffnen. Dieser zeigte freundlich auf Frau Heyng, die ihre Texte über das schöne Salzkammergut auf Deutsch und Filser-Englisch abspulte (“the salt chamber good”), und sagte: “Wir warten jetzt noch eben, bis die Dame fertig gesprochen hat.” – “Aber nein, das betrifft uns überhaupt nicht”, versicherten ihm die beiden Besucher, “wir gehören ja gar nicht zu dieser Reisegruppe …!” Der Theatermitarbeiter war zwar sehr nett, aber nicht wirklich einsichtig (aber dann wurde der Einlass sowieso geöffnet). – Es ist ja heutzutage so schwierig, gutes Personal zu finden! Das ist auch das Problem von Josepha Vogelhuber (Sigrid Hauser): Da hat sie für ihr Hotel “Zum weissen Rössl” einen neuen Zahlkellner eingestellt, und der tut nichts anderes als ihr schöne Augen zu machen. Diese beiden Hauptrollen sind genial besetzt: Das Herumgebalze ist mal urkomisch, mal romantisch, oft auch beides gleichzeitig. Daniel Prohaskas kräftiger Tenor klingt auch dann noch perfekt, wenn er seiner Angebeteten hinterherwetzt und währenddessen singt.

Auch der Rechtsanwalt Dr. Siedler (Tilmann Unger) kommt der Idealvorstellung vieler Frauen gefährlich nahe: ausgesprochen gutaussehend, charmant, schicker Anzug – und eine sehr schöne, volltönende Stimme. Das Duett mit seiner angebeteten Ottilie klang toll: “Mein Liebeslied muss ein Walzer sein”. Iva Mihanovic ist hier die perfekte Besetzung für die Ottilie, stilvoll, zuckersüß, aber doch in den richtigen Momenten energisch, und ihre Stimmfärbung passt auch noch zu der seinen. Das ist Luxus! Sigismund und Klärchen waren ebenfalls große Klasse (Michael von Au und Bettina Mönch), und Klärchen nimmt den Heiratsantrag natürlich begeistert an, auch wenn sie weiß: “Schöne Männer sind selten zuverlässig.”

Auf der Bühne wetteifert der Chor mit den Tänzern um die besten Plätze, es werden schwarzbunte Kühe gemolken, und im Hintergrund veranschaulicht ein überdimensionaler Rahmen das Postkartenidyll, mit Anklängen von rabenschwarzem Humor: Da sieht man nicht nur die Bimmelbahn, sondern auch Bergsteiger, vom Blitz daschlogn, und die Briefträgerin, vom Förster daschossn. Der Auftritt des Kaisers bringt ein wenig Ruhe, sogar Melancholie, in die Aufführung. Da gibt es unterschiedliche Reaktionen: Manche Leute fallen vor Langeweile fast vom Sessel, anderen stehen die Tränen in den Augen. Ich fand es tatsächlich auch sehr berührend: Maximilian Schell als Kaiser ordnet die Liebeswirrungen mit ruhiger Hand und singt ein Lied. Der Titel heißt nicht “Ich will alles, und zwar sofort!”, sondern es war irgendetwas mit “bescheiden sein” – dieses Singspiel ist schließlich im letzten Jahrtausend entstanden, die Uraufführung in Berlin war kurz vor dem zweiten Weltkrieg, das waren andere Zeiten. Die Rössl-Wirtin sieht das ein und bescheidet sich in Gottes Namen mit dem Zahlkellner Leopold. Deswegen muss man sie aber nicht bemitleiden: Diesen Leopold würden auch andere gerne in ihr Nachtgebet einschließen.

1349704901_imweissenroessl-867Ich besuchte die zweite Vorstellung, am 12. Oktober 2012 im Theaterzelt in Fröttmaning. Die Stimmung war noch besser als bei der Premiere am Vortag, und das will ja wirklich etwas heißen. Es gab einen großen Schlussapplaus für alle Darsteller, und dann – wie heißt das Gegenteil von Ouvertüre? Kuvertüre? Jedenfalls spielte das Orchester zum Schluss, als Rausschmeißer sozusagen, mit einem Potpourri all der Ohrwürmer auf, die dieses Stück enthält. Das Publikum war begeistert. Das war ein gelungener Einstieg des neuen Intendanten des Gärtnerplatztheaters, Josef E. Köpplinger, in die neue Spielzeit. Wer eine passende Gelegenheit sucht, seine Oktoberfestkluft vor dem Frühlingsfest noch mal auszuführen, dem kann man das “Weisse Rössl” nur empfehlen … und auch alle anderen werden sich bestens unterhalten fühlen.

Weitere Vorstellungen bis 11.11.12 jeweils Dienstag bis Sonntag (außer 01.11.12) und vom 29.12. bis 31.12.12. Die Vorstellungen am 27.10. und am 30.12.12 sind Sing-Along-Vorstellungen.

Fotos © Thomas Dashuber

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