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Bühne frei für Münchner Kinder!

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Das Musical “Oliver!” basiert auf dem Buch “Oliver Twist” von Charles Dickens. In diesem Stück stehen neben erwachsenen Solisten 35 Kinder auf der Bühne, weil man Fagins Kinderbande natürlich nicht mit erwachsenen Profis besetzen kann. Vier Vorstellungen gibt es in der Alten Kongresshalle: 20./21. April und 12./13. Mai 2013. Wer schon mal eine Sarré-Produktion gesehen hat, der weiß: Die Kinder spielen erstaunlich professionell. Wie macht man das? Die Regisseurin Julia Riegel hat es mir erklärt:

Frage: “Wie alt sind die Kinder?”
Julia Riegel: “Ich glaube, die Jüngste ist erst sieben, und die Ältesten sind Anfang Zwanzig. Die Profis sind natürlich älter. Die meisten Kinder sind aus Münchner Schulen. Der große Kern kommt von dem Kinderchor des Gärtnerplatztheaters, den Verena Sarré leitet. Andere Kinder wurden dazugecastet. Mittlerweile wird der Schneeball immer dicker, durch den Freundeskreis der Kinder.”

Frage: “Du hast hier in München dein Theaterleben angefangen?”
Julia Riegel: “Ja, ich habe hier meine ersten Assistenzen und meine ersten Inszenierungen gemacht und lebe hier seit 1995. Ich war ganz lange Spielleiterin am Gärtnerplatztheater und bekam dann die Chance, dort auf der großen Bühne zu inszenieren. Das waren der “Werther” und “Die lustigen Weiber von Windsor”. Danach habe ich als freie Regisseurin gearbeitet, den “Maskenball” gemacht, eine Haydn-Oper, eine Operette, “Schwarzwaldmädel”, “Nacht in Venedig”, und so weiter. “Oliver!” ist nicht das erste Musical, das ich betreue, aber das erste, das ich selber inszeniere. Mein Schwerpunkt ist Oper, das ist eigentlich meine Herzensheimat. Operette auch, klar. Musical gefällt mir aber sehr gut.”

Frage: “Premiere von “Oliver!” war vor einem Jahr. Wie viele Kinder von der ursprünglichen Besetzung sind noch dabei?”
Julia Riegel: “Überschlagsweise ist höchstens noch die Hälfte dabei.”

Frage: “Eine sehr hohe Fluktuation also. Die liegt in der Natur der Sache, wenn man mit Kindern arbeitet. Das macht das Arbeiten schwieriger, oder?”

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Julia Riegel: “Ja, das macht einfach die Wiederaufnahmen ganz anders, als ich das kenne. Als Regisseurin hat man normalerweise mit Wiederaufnahmen nichts zu tun. Hier in dem Fall ist es natürlich durch die Kinder automatisch so gegeben. Da kommt dann der eine in den Stimmbruch und kann nicht mehr die Kinderrolle spielen, und der Nächste entwickelt sich so weit, dass man denkt: dem möchte man auch mal eine größere Rolle geben. Das ist dann nicht nur einfach eine Umbesetzung, sondern es geht bei diesem Projekt auch um die Kinder. Das Arbeiten an einer Rolle ist ganz entscheidend für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder.

Wir haben ja Kinder, die in den ersten Proben ganz schüchtern in der hintersten Reihe standen und jetzt sich um eine Hauptrolle reißen und gar nicht mehr von der Rampe weg wollen. Das ist ein Prozess, den finde ich wahnsinnig spannend. Ich bin in meinem zweiten Leben auch noch Coach. Insofern interessieren mich diese Vorgänge sehr: Wie kann man jemanden von seinem Platz weglocken, mal etwas Neues ausprobieren mit ihm, vielleicht eine Nuss knacken. Gerade bei denen, die sich nicht so in den Vordergrund spielen. Das ist bei den Kindern natürlich toll. Es geht nicht nur darum, dass die Rolle perfekt erfüllt wird, sondern: Wie geht der Weg von diesem Kind? Von dort, wo er startet, bis zu dem Moment der Vorstellung? Diese einzelnen Wegstrecken, die sind für mich sehr spannend. Das ist ein ganz anderer Fokus als normalerweise beim Inszenieren.”

Frage: “Was ist anders bei der Arbeit mit Kindern, im Vergleich zu der Arbeit mit Erwachsenen?”
Julia Riegel: “Gut, erst mal sind es absolute Laien. Auch die Kinder vom Gärtnerplatztheater – die haben natürlich eine gewisse Bühnenerfahrung, aber was das ganze Bewegen auf der Bühne angeht, sind es Laien. Das heißt, es geht sehr viel um Präsenz: Wie steht man auf einer Bühne? Wohin mit den Händen? Wie stützt man die Stimme durch, so dass man die auch hört? Wie artikuliert man, in welchem Tempo spricht man? In welchem Tempo bewegt man sich? Das ist wie bei anderen Laien auch. Bei den Kindern kommt noch dazu, dass die ein ganz anderes Grundtempo haben. Die spielen alles viel, viel schneller – was ja nichts bringt, denn die Musik ist ja nicht schneller geworden, nur weil Kinder es singen. Damit muss ein Regisseur umgehen. Wie man Pointen herausarbeitet, wie man das Timing gestaltet. Dann ist es natürlich ein unglaublicher Zappelladen. Man muss also gute Nerven haben und sich gut konzentrieren können, um selber im Fokus zu bleiben.

Aber es hat auf der anderen Seite diesen wahnsinnigen Charme, dieses ganz Unmittelbare. Es ist zum Beispiel so, dass man die Herstellung einer Haltung oder einer Rolle bei den Kindern kaum sieht. Wenn, dann wuppsen sie rein und machen es, die müssen sich nicht produzieren. Das ist ein ganz anderer Vorgang als bei erwachsenen Profis, es ist dadurch unglaublich charmant und frisch. Die sind natürlich noch viel enthusiastischer dabei, weil es für sie so toll ist, überhaupt auf der Bühne zu sein und das überhaupt machen zu dürfen. Das tut mir auch wahnsinnig gut: Diese Routine und Gewohnheit, die die Institution “Theater” mit sich bringt, was auch manchmal ein bisschen theatermüde macht … da ist das hier wie ein Entstauben. Es ist hier diese ganz pure Lust am Spielen, die ich auch immer noch in mir drin habe, warum ich auch zum Theater gegangen bin. Diese pure kindliche Lust am Rollenspiel, am Ausprobieren. Das ist sehr erfrischend. Ich bin hier völlig frei von der Frage: Wie positioniere ich mich selbst als Regisseurin, wie ist mein Marktwert, wie ist meine Marke? Das ist hier erst mal egal, denn es geht gar nicht um mich und meinen Marktwert, sondern es geht darum, dass ich mit den Kindern sauber und witzig eine Story erzähle.”

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Frage: “Ich hatte den Eindruck, die Kinder können sich ganz gut konzentrieren und setzen das auch ziemlich zackig um, was du sagst.”
Julia Riegel: “Das ist richtig. Es ist erstaunlich, wie schnell Kinder sind. Wie gut sie es abnehmen, wie gut sie es auch behalten. Das ist auch im Vergleich zu Profis erstaunlich. Es gab aber bei dieser Inszenierung durchaus Momente, wo ich dachte: O Gott, da wird nie ein Schuh draus, es hat ja kein Ende und keinen Anfang … Und dann macht es auf einmal Plopp!, da spannt sich der Bogen auf magische Weise aus, und ich habe keine Ahnung, wieso. Aber das ist wohl typisch für Kinder. Keine Ahnung, wie die das machen. Ich glaube aber auch – ohne uns jetzt zu sehr auf die Brust klopfen zu müssen – die Kinder spüren, dass wir kein Kinderbetreuungsclub sind. Ich meine, die Zuschauer, die reinkommen, die bezahlen ja Eintritt. Die Kinder sind freiwillig hier, sie lieben die Musik. Diejenigen, die hier dabei sind, sind sehr begabt, und wir nehmen sie sehr, sehr ernst. Die Kinder haben Profis, die mit ihnen arbeiten, sie haben richtiges Licht, sie haben ein richtiges Orchester. Wir machen ja hier nicht Schultheater, und ich glaube, das verstehen sie. Deswegen ist unser Ton immer sehr fordernd, mit einer gewissen Strenge, und auf Disziplin achtend, weil mir meine Zeit sonst zu kostbar ist.”

Frage: “Kann man bei den kleineren Kindern schon sagen: Der ist begabt? Oder ist das alles Tagesform?”
Julia Riegel: “Ich finde, es gibt schon Begabungen. Wobei einen auch da die Kinder überraschen können mit ihren Entwicklungen. Es gibt welche, wo ich vor zwei Jahren gedacht hatte: Hm, naja; und die kommen dann unheimlich stark. Es gibt Einzelbegabungen, die man schon sehr früh erkennt. Es gibt andere, die brauchen länger. Aber das ist trotzdem ein langer Prozess. – Doch, es gibt da Unterschiede. Es ist erstaunlicherweise bei Kindern oft auch eine Frage der Spannung. So gut die Kinder sich oft konzentrieren können, so sehr muss man oft daran arbeiten, dass sie eine Körperspannung haben. Das war für mich neu. Ich dachte, Kinder haben automatisch Körperspannung, und wir Erwachsenen sind die Schlaffis. Das ist vielleicht auch die Altersgruppe zwischen 12 und 17, die ja sowieso nicht wissen, wohin mit ihren schlaksigen Körperteilen. So “mit Schmackes” auf die Bühne zu treten, mit dem Körper irgendwie umgehen – das ist auch eine Frage von Talent, oder zum Teil auch von Erfahrung, wer das schneller in den Griff bekommt. Wer tanzt, hat es natürlich schon mal ein bisschen leichter.”
Vielen Dank! Dann wünschen wir Toi-toi-toi und viel Spaß!”

Das Kindermusical “Oliver!” wird in der Alten Kongresshalle, Theresienhöhe 15, 80339 München aufgeführt, und zwar an folgenden Terminen:
Samstag 20. April 2013 um 17.00 Uhr
Sonntag 21. April 2013 um 17.00 Uhr
Sonntag 12. Mai 2013 um 15.00 Uhr
Montag 13. Mai 2013 um 10.00 Uhr (auch Schülervorstellung)
Dauer: 2 x 45 Minuten mit 30 Minuten Pause.

Fotos © Sarré Musikprojekte

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