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“Künstler*innen sind großartig darin, sich unter Wert zu verkaufen!” – Pho Queue vs. Gans Woanders

Yannik Gschnell

Das Hexenhäusl Gans Woanders am Kolumbusplatz hat sich seit Pandemiebeginn schnell zu einer Konstanten im Münchner Kulturleben etabliert. Auf der Bühne des Kulturcafés mitten in Giesing spielt die Live-Musik weiterhin eine zentrale Rolle vor einem interessierten und heterogenen Publikum. Mit einem großen Haken: Das Gans Woanders zahlt den Künstler*innen keine Gage.

Auch die Band Pho Queue bekam eine Anfrage der Zwischennutzung. Die Reaktion der Band postete Pho Queue Mitglied Adriano Prestel auf Facebook und bringt darin ihre Empörung und Unverständnis zum Ausdruck. Wir haben mit beiden Parteien gesprochen. Mit der Band, die für bessere Konditionen und Anerkennung ihrer Arbeit plädieren und mit Julian Hahn, dem Mann hinter dem Gans Woanders, der vom Spannungsverhältnis zwischen der Rettung der Kulturbühne und derer Wirtschaftlichkeit erzählt – ein Konflikt ohne Gewinner.

Missverstandene Künstler*innen

Schämen muss sich Julian Hahn seiner Meinung nach nicht. Für ihn stellt die Kleinkunstbühne einen Kompromiss dar. Während Konzerthäuser geschlossen bleiben, bietet er Künstler*innen eine Bühne, die entweder auch ohne Corona Schwierigkeiten hätten, Konzertsäle zu füllen, oder mangels Alternativen die Möglichkeit Aufzutreten dankend in Kauf nehmen.

„Wo sollen die Menschen eine Auftrittsmöglichkeit finden, die sich ausprobieren wollen, Erfahrungen sammeln oder noch unbekannt sind, wenn nicht auf einer kleinen Kulturbühne vor einem Publikum, das ohnehin dort ist?“

Für Pho Queue ist das verklärte Künstler-Romantik, die sich in den Köpfen der Musiker*innen und Veranstalter*innen festgesetzt hat. Sätze wie ‚Ist ja alles nur Hobby…‘ und ‚Es macht Euch doch Spaß‘ oder ‚Ihr könnt Euch hier präsentieren und Eure Reichweite verstärken‘ zählen für die Münchner Band wenig.

„Wir investieren viel Arbeit und Geld, um auf ein entsprechendes Auftrittsniveau zu kommen. Auch wir haben Fixkosten wie Miete, Steuern, Krankenversicherung und so weiter, wie jeder andere Selbständige auch.“

Die Zukunft der Kleinkunstbühne

Aus Sicht des Veranstalters werden diese Kosten gedeckt, nicht durch eine Gage, sondern durch den berühmt berüchtigten Hut, der nach dem Konzert die Runde macht. Schließlich bietet die Kleinkunstbühne erlebbare Kunst und Kultur für alle. Eine Plattform für Künstler*innen vor einem breiten Publikum, das sich so vielleicht für etwas ihnen noch Unbekanntes begeistern kann.

Rein wirtschaftlich wagt das Gans Woanders eine Gratwanderung: Ein kulturelles Rahmenprogramm ohne Eintrittspreis mit fairen Preisen für Getränke und Speisen. Außerdem herrscht kein Konsumzwang. „Jede*r kann sich das Programm ansehen und muss sich nichts kaufen. Das ist der Grund, warum bei uns so ein gemischtes Publikum ein und aus geht und niemand ausgeschlossen wird.“

„Künstler*innen sind großartig darin, sich unter Wert zu verkaufen!“

Einbuße auf allen Seiten, um den Laden am Laufen zu halten, so lässt sich Julian Hahns Appell an Veranstalter*innen und Künstler*innen verstehen. Er geht sogar noch weiter. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Künstler*innen mit dem Hutmodel oftmals sogar besser fahren, als wenn die Gage mit Eintrittsgeldern bezahlt wird. Es ist ein schöner Ansatz, etwas freiwillig zu geben und führt oftmals dazu, dass das Publikum mehr gibt, als ein Eintrittsgeld eigentlich gekostet hätte.“

„Ich finde nicht, dass man uns vorwerfen kann, irgendwen auszunutzen.“

Doch Pho Queue geht diesen Schritt nicht mit. „Künstler*innen sind großartig darin, sich unter Wert zu verkaufen, aus Angst, sonst nicht auftreten zu können.“ Für sie sollte der Hut lediglich als Werkzeug verstanden werden, um mit Trinkgeld die Festgage aufzubessern. Dabei wagen sie auch den Vergleich zu Bedienungen in der Gastro, von denen auch nicht verlangt werde, einzig und allein auf Trinkgeldbasis zu arbeiten.

„Niemand sollte in Clubs zu solchen Konditionen spielen. Der Club verdient gleichzeitig Geld mit Getränken und womöglich Speisen. Als Künstler*in sorgst du für Stimmung und Umsatz im Sinne der Location.“

“Wer das macht, verschlechtert die Konditionen für alle.”

An dieser Stelle muss nun wieder Julian Hahn widersprechen. Für ihn stellt eine Kleinkunstbühne grundsätzlich und gerade am Beispiel des Gans Woanders kein Geschäftsmodell dar. „Ich habe unsere Projekte nicht ins Leben gerufen, um eine reine Gastronomie zu eröffnen. Aber eine Gastronomie ist die Art von Kultur, die am besten mit einer Kleinkunstbühne harmoniert.“

Doch die Kritik von Pho Queue richtet sich nicht nur an Veranstalter, sondern auch an die Musik-Kolleg*innen: „Für umsonst oder ein bisserl Trinkgeld spielen, in Locations, die gleichzeitig Geld verdienen ist ein absolutes NO-GO! Wer das macht, verschlechtert die Konditionen für alle.“

Gleichzeitig bietet Julian Hahn Künstler*innen eine Bühne, die sie anderweitig kaum bekommen würden. Deshalb entschärft die Band ihren ‚Ganz oder gar nicht’ noch leicht. „Es geht uns nicht darum, Amateurmusiker*innen ihre Gigs streitig zu machen. Wir wollen nur faire Konditionen für alle. Wir müssen auch leben von dem, was wir tun. Wenn solche Locations die für Musiker*innen prekären Verhältnisse Berlins nach München importieren, wird’s problematisch.

Irgendwo zwischen ganz oder gar nicht

An dieser Stelle wäre das Kulturreferat ein willkommener monetärer Moderator, doch auch hier werden gerade erhebliche Einsparungen vorgenommen. „Dort ist man gerade eher darum bemüht, bereits bestehende Förderungen aufrecht zu erhalten, als neue dazu zu nehmen,“ so Hahn. „Bis dahin sind wir aber darauf angewiesen, dass Initiatoren und Künstler an einem Strang ziehen und beide Seiten Abstriche machen.“


Beitragsbild: ©Martin Robles on Unsplash