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Bepflanzte Fassaden und Solardächer: So war’s bei unserer LabWerkstatt zum Thema Klima und Energie am 18.01.2023

MUNICH NEXT LEVEL

Die Stadt der Zukunft muss grüner werden – gerade dort, wo sie sich jetzt noch grau kleidet. Zu diesem Schluss kommt die Runde der Teilnehmer*innen bei unserer vierten LabWerkstatt von Munich Next Level. Zusammen arbeiteten sie an kreativen, klimafreundlichen und konkreten Ideen für das Quartier am Hauptbahnhof in München. Eine von vielen Ideen ist die Stromgewinnung aus Abwärme durch ein sogenanntes Kanalisationskraftwerk.

Die erste Änderung in der mittlerweile vierten Runde unserer LabWerkstatt ist augenscheinlich: in unserer alten Location Franzi wurde es endgültig zu kalt, wir sind vorübergehend an einen anderen Ort ausgewichen. In den beheizbaren Urban Comedy Club in der Schützenstraße 12. Andere Ecke, gleiches Viertel und ein neues Thema also.

Von Low-Tech bis High-Tech

Johannes Rupp vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) macht den Auftakt mit einem Input zum Thema. Er entwickelt und begleitet am IÖW Projekte, die sich mit klimaresilienten Quartieren befassen. Zusammen mit der TU München, der Stadt München (Planungsreferat und Referat für Klima und Umwelt) und der LMU hat er etwa an dem Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ gearbeitet. Ein Projekt, das sich am Beispiel Münchens nicht nur mit den Herausforderungen, sondern insbesondere mit den möglichen Zielen von Klimapolitik in Kommunen beschäftigt. Seine Erfahrung aus Projekten wie diesem zeigt ihm: Positiv besetzte Zukunftsbilder sind oft wirkungsvoller als mahnende Szenarien. Sie zeigen Gestaltungsmöglichkeiten: „Wir haben es gemeinsam in der Hand“, sagt er. „Verschiedene Zukünfte sind möglich. Es ist nicht so, dass wir uns dem Schicksal hingeben müssen.“

Manchmal sind schon durch einfache Kniffe – Low-Tech-Maßnahmen nennt er das – spürbare Veränderungen vor Ort möglich. Auch Menschen aus der Zivilgesellschaft können das anstoßen, etwa indem sie auf Kommunen, Vereine, Unternehmen, Nachbar*innen oder Vermieter*innen zugehen. Das fängt bei Nistkästen, Hinterhofbegrünungen oder der Regenwassersammlung an. Solardachanlagen oder Dachfarmen dagegen sind schon aufwendiger und bedürfen längerer Planung und mehrerer Unterstützer*innen. Mögliche Projekte – so klein oder groß sie sein mögen – müssen von Nachbar*innen oder Bürger*innen aber verstanden und gewollt werden, weshalb auch Bürger*innenbeteiligungen ein wichtiger Aspekt sind bei der Anpassung unserer Lebenswelten an die zukünftigen Verhältnisse.

Die Folgen des Klimawandels werden nicht ausbleiben, egal wie schnell die Gesellschaft die Dekarbonisierung jetzt hinbekommt, erläutert er. Etwa in Form von Starkregenereignissen und Hitzeperioden. Boomende Städte werden weiter mit Nachverdichtung und Platzmangel konfrontiert sein. Deshalb hängt lokale Klimapolitik immer eng mit der Lebensqualität der Menschen vor Ort zusammen.

Anregungen aus der LabWerkstatt-Ideenschmiede

Um die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten von uns allen aufzuzeigen, werden vier Themenblöcke getrennt und in Gruppen bearbeitet: grüne & blaue Infrastruktur, Klima & Gesundheit, Energie erzeugen, Ressourcen schonen.

Einer der wichtigsten Hebel ist – das wird in den Gruppen und auch später bei den gemeinsamen Präsentationen deutlich – Energiegewinnung vor Ort durch Solaranlagen. Johannes Rupp hat das beim „Grüne Stadt der Zukunft“-Projekt am Beispiel des Dachs der Sabel Realschule (Schwanthalerstraße 51) schon einmal durchgespielt, eine Dach-Bar mit Aufenthaltsqualität und Photovoltaik-Anlagen inklusive. Ein Betreiber-Konzept sind sogenannte Bürgersolaranlagen – also von Privatpersonen gemeinschaftlich betriebene Photovoltaikanlagen, die klimafreundliche Stromgewinnung und Energie-Sharing möglich machen. Flachdächer sind dabei besonders geeignet, weil sie den Tag über am längsten Sonnenlicht aufnehmen.

Beim Thema Klima und Gesundheit (Hitze!) setzen die Ideengeber*innen auf grüne Fassaden, Sonnensegel, zusätzliche Bäume, Lauben und sogenannte Hanging Gardens. Letztere sorgen für etwas mehr Schatten und die Kühlung der Luft. Hängende Gärten in den Gassen? Sicher auch ein schöner Blickfang. Im historischen Reich Babylon, waren die Hanging Trees damals übrigens so betörend, dass sie als eines der sieben antiken Weltwunder galten.

Das Thema ist wichtig: Besonders alte und vulnerable Menschen gelten als empfindlich gegenüber Hitze. Durch die Bepflanzung von Straßen und Häusern wird starken Erhitzungen entgegengewirkt. Zur Bewässerung ist oft die normale Witterung ausreichend und an Fassaden zum Beispiel ist der Platzbedarf dabei gering.

Smarte Entwässerung ist ein Themenbereich der grünen Infrastruktur. Regenwasser also nicht nur ableiten, sondern auffangen und vor Ort nutzen, zum Beispiel in Zisternen. Damit einhergehend könnte man dann Brunnen und Fontänen installieren und betreiben, schwebt einigen Teilnehmer*innen vor. Das würde alleine schon die Aufenthaltsqualität erhöhen: In die Nähe eines angenehm plätschernden Brunnens setzt man sich einfach gerne und das Hupen und Klingeln der Autos und Trams würde dadurch zugleich etwas absorbiert.

Alles grün? Ein riesiges Neubauprojekt verändert die Schützenstraße

Im Anschluss daran geht es in Kleingruppen zu einer Exkursion ins Viertel vor Ort. Die Schützenstraße wird derzeit von Hotels und Gewerbe dominiert. Ein Projekt wird die Zukunft der Passage aber entscheidend prägen: Ein ganzer Häuserzug soll hier bald einem Neubau weichen, der sich fast ganz bis zum Stachus entlang zieht. An einem Infoplakat wird das Ausmaß des Projekts anhand einer großen Visualisierung sichtbar. Viele Solardachelemente werden auf dem Flachdach entstehen – die Fassaden und Dächer sind außerdem stark begrünt. Das Gebäude soll energieeffizient geplant werden und ist durch Glaselemente geprägt – Themen wie E-Mobilität und Fahrradstellplätze sind eingeplant. Viele moderne, grüne Konzepte also.

Bild vom Neubauprojekt in der Schützenstraße in München
Bildrechte: DAVID CHIPPERFIELD Architects, London / Berlin (Filippo Bolognese Images) mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin

Unter dem Aspekt der Ressourcenschonung – eines der Handlungsfelder der Klimapolitik – ist eine Kehrseite von Neubauvorhaben, dass auf bestehenden Arealen vorhandene Ressourcen weitestgehend verbraucht beziehungsweise vernichtet werden. Wird ein Gebäude gebaut, entsteht im Bauprozess eine enorme Menge CO2. Zur Einordnung: Etwa 41 Prozent des in Deutschland produzierten Treibhausgases wird durch die Baubranche verursacht. Global sind die Relationen ähnlich. Schon die Herstellung der Baumaterialien ist sehr CO2-intensiv.

Eine energie- und klimapolitische Frage ist daher, wann und ob sich Neubauten in ihrer Klimabilanz amortisieren können, wieviel Positives sie langfristig bewirken bis zu ihrem etwaigen Ende oder Umbau. Eine Anregung aus der Runde ist daher, im Zuge des Abrisses in der Schützenstraße zumindest die wiederverwendbare Materialien wieder dem Wirtschaftskreislauf zuzuführen. Etwa Brandschutztüren und Fenster, die anderswo noch verwendbar sind. Klimaschützer*innen plädieren in den meisten Fällen grundsätzlich dafür, bestehende Gebäude besser zu nutzen, wenn das möglich ist.

Geht das? Strom gewinnen durch ein Kanalisationskraftwerk

Von einer Idee haben viele schließlich noch nie gehört: Die Stromgewinnung durch Abwasserwärme. Serdar Altuntas, ein Rechtsanwalt aus dem Viertel und einer der Teilnehmer*innen der Runde, erklärt: Bei dieser Technik würde eine dünne Leitung mit Gas spiralenförmig um Abwasserrohre in der Kanalisation gelegt. Die Rohre erwärmten sich durch das Abwasser vom heißen Dusch- und Badewasser. Dadurch weitet sich das Gas in der umliegenden Leitung aus und bewegt einen Kolben, der am Ende befestigt ist, stetig in eine Richtung. Dieser erreicht irgendwann einen kritischen Punkt und schnellt zurück – wodurch Strom erzeugt wird. Strom, der abgesehen von der grundsätzlichen Installation keine zusätzlichen Ressourcen verbraucht.

Wer muss ran ans Problem? Die Stadt beziehungsweise die Stadtwerke betreiben das unterirdische Rohrsystem. Sie sind also die Ansprechpartner Nummer eins in der Umsetzung. Erst mal muss aber das Potential im konkreten Anwendungsfall geprüft werden und gut vernetzte Fürsprecher*innen gewonnen werden. Also Stadträt*innen und Personen aus den zuständigen Referaten. Sollte sich diese Idee als brauchbar und effizient erweisen, darf ihr eigentlich nichts im Wege stehen.


Lust auf unsere kommende und letzte Munich Next Level LabWerkstatt zum Thema FREIRAUM UND ÖFFENTLICHER RAUM? Dann melde dich hier an!

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