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Marschieren für welches Leben?

Karla Hamm

Am 13.4. findet in München wieder der „Marsch fürs Leben“ statt. Die Demonstration fordert extrem restriktive Regeln für Abtreibungen und Selbstbestimmung – ein Schauplatz für Diskriminierung, Bevormundung und gefährliches Gedankengut, meint unsere Autorin. 

Der „Marsch fürs Leben“ ist ein antifeministisches Event der Pro Life Szene Bayerns, bei dem gegen Abtreibungen demonstriert wird. Aber es geht um viel mehr, als nur Schwangerschaftsabbrüche: Frauenrechte, Religion und rechtes Gedankengut treffen in der Debatte aufeinander. Die Gegendemonstration des Pro Choice Bündnis München ist bereits geplant.

Der Verein hinter dem “Marsch fürs Leben”

Die Demonstration organisiert sich mit der Begründung, man wolle diejenigen schützen, die noch keine Stimme haben – die „Ungeborenen“. Daher rührt auch der Name des Vereins, der hinter der Organisation der Demo steht: „Stimme der Stillen e.V.“. Der Verein ist mit der Katholischen Kirche vernetzt. Schatzmeister des Vereins ist Andreas Wagner, CSU-Abgeordneter in Karlsfeld. Außerdem ist Wagner, genau wie die zwei Vorsitzenden, Silja Fichtner und Raphaela Nikoleiski, gut mit der „Anti-Choice“-Szene vernetzt. Diese Szene besteht aus Abtreibungsgegner*innen, die sich gegen Schwangerschaftsabbrüche und somit gegen die reproduktiven Rechte aller Gebärfähigen einsetzen.

“Pro Life” vs “Pro Choice”

“Pro Life” bezeichnet die Szene, die sich gegen Abtreibung und “für das Leben” einsetzt. Berufen wird sich hier oft auf Religion und die Unantastbarkeit der menschlichen Würde. “Pro Choice” stellt die Gegenperspektive dar und setzt sich für die reproduktiven Selbstbestimmungsrechte von Frauen ein. Diese Bewegung argumentiert für den Feminismus und die Freiheit, die Bestimmungshoheit über den eigenen Körper und das eigene Leben, und die gesundheitlichen Aspekte von Abtreibung.

Sexuelle Selbstbestimmung

Auf der Website zur Organisation des “Marsch fürs Leben” wird man mit den Worten „Gemeinsam für das Leben“ begrüßt. Scheinheilig, könnte man meinen, denn für bereits existierendes Leben, nämlich das aller gebärfähigen Personen, wird sich nicht eingesetzt. Schwangerschaftsabbrüche retten Leben. Das Reproduktionsrecht einzuschränken bedeutet, sich aktiv gegen Frauen und andere gebärfähige Personen und deren Recht auf Selbstbestimmung einzusetzen. Es bedeutet, sich aktiv gegen deren physische und psychische Gesundheit zu stellen.
„My Body, my Choice“, die Parole der Pro Choice Bewegung aus den USA, gilt auch in Deutschland. Denn darum geht es in der ganzen Diskussion: Niemand zwingt irgendwen dazu, abzutreiben, jedem*r soll die Entscheidung selbst überlassen sein.

Die Kirche und die Pro Life Szene

Auch das Bild der Frau in der Pro Life Szene ist meiner Meinung nach höchst problematisch. Im Diskurs um Abtreibung wird Frauen als primäres und höchstes Lebensziel die Reproduktion vorgeschrieben.

Zudem positionieren sich Mitglieder der Szene queerfeindlich und transphob, denn Homosexualität und Transgender werden teilweise nicht anerkannt und sogar als Sünde bezeichnet. Das gilt genau so für Mitglieder der Kirche, die sich im Verein engagieren und Genderfragen tendenziell ablehnend gegenüberstehen. Auf der Website des Marsches findet man unter anderem ein Grußwort des Bischofs von Passau, Dr. Stefan Oster. In diesem bezieht er sich vor allem auf die Unantastbarkeit der menschlichen Würde und den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens als zentralen Aspekt der katholischen Kirche. Die Teilnahme am Marsch ist laut Oster ein „persönliches Glaubenszeugnis“. Diese enge Verzahnung der Kirche mit einer so antifeministischen Agenda finde ich höchst bedenklich, vor allem wenn man den Einfluss der Kirche und der Pro Life Szene auf den bayerischen Alltag bedenkt.

Außerdem war der „Marsch fürs Leben“ in der Vergangenheit ein Event, das zur Vernetzung rechter Gruppen diente. Das Publikum der Abtreibungsgegner*innen überschneidet sich mit rechtskatholischen Kreisen, auch rechte Burschenschaften und bekannte AfD-Mitglieder sind oftmals unter den Besucher*innen. Dazu kann man hier mehr lesen.

Die Gegendemo

Natürlich wird es am 13.4. auch eine Gegendemo geben, organisiert von Pro Choice. Die Gegendemo gibt einen Raum, um für sexuelle Selbstbestimmung und gegen Bevormundung einzustehen. Ein Event, um laut zu werden für alle Frauen und gebärfähigen Personen, denen die Rechte am eigenen Körper verwehrt werden und denen die aktuelle Gesetzgebung auch schon so zahlreiche Steine in den Weg zur Selbstbestimmung legt.

Titelbild: Gayatri Malhotra / Unsplash