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Meine Halte: Donnersbergerbrücke – Melancholische Momente zwischen acht Spuren Straße

Anjuscha Nitsche

Die Donnersbergerbrücke ist für mich das Tor zur Welt und Hölle zugleich. Zwar kommt man von dieser Halte schnell in so ziemlich jeden Stadtteil Münchens, jedoch ist es dort meist etwas überfüllt und der Lärm des Verkehrs nur schwer auszublenden. Und trotzdem, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt (und gute noise cancelling Kopfhörer hat), bekommt sie einen besonderen Platz im Herzen.
Mitten an der dreckigsten Straße Deutschlands gelegen (ja, kein Witz!), lädt diese Haltestelle nicht wirklich zum Verweilen ein. Auch für mich ist sie eher so ein Ort der Durchreise, ob mit der S4 zu meinen Eltern aufs Land, mit der 53er Linie zu meinen beiden besten Freundinnen oder auf der Stammstrecke Richtung Innenstadt. Es ist laut, es ist voll, aber manchmal auch unerwartet schön auf der Donnersbergerbrücke. Denn wenn ich zwischen S-Bahn und Bus mal wieder warten muss, hab ich vor mir zwar acht Spuren Straße, aber auch den schönsten Sonnenauf- oder untergang der Stadt. In der Ferne die Frauenkirche vor pinkem Himmel und dazu ein trauriges Liebeslied auf meinen Ohren, gibt mir das immer mal wieder den Melancholie-Kick, den ich brauche.

In Neuhausen-Nymphenburg nix Neues – auf eine schöne Art und Weise

Zehn Minuten Fußmarsch oder zwei Busstationen weiter finde ich mich an dem Ort wieder, den ich wirklich Zuhause nenne. Neuhausen-Nymphenburg ist das erste und bisher einzige Viertel, in das es mich in München hin verschlagen hat. Der Weg führte mich durch drei verschiedene WGs, aber immer wieder bin ich aus Versehen in der selben Ecke gelandet. Und ich liebe sie. In Neuhausen-Nymphenburg ist die Welt nämlich irgendwie noch schwer in Ordnung. Verlässt man hier die dreckigste Straße Deutschlands und verirrt sich in eine der kleinen Nebenstraßen, findet man ein paar meiner persönlichen München Highlights.

Den besten Kaffee im Viertel gibt es bei Kaffee & Espresso Kolonial. Hier habe ich schon Herzschmerz bekämpft, Verschnaufpause zwischen Umzügen eingelegt oder endlich mal wieder ein Buch gelesen. Schräg gegenüber findet man mich immer dann, wenn ich ein schnelles Frühstück auf die Hand oder ein langes für die ganze WG brauche. Denn die Bäckerei Zöttl hat die besten Laugenzöpfe der Stadt und unschlagbare Caprese Stangen. Im Neuhauser bekommt man jeden Dienstag eine große Pizza zum Preis einer normalen und der Neuhauser Fruchtmarkt versorgt einen mit Obst, Gemüse, Börek und ein bisschen Türkei-Feeling in München.  

Neuhausen-Nymphenburg lebt nicht vom Trubel. Hier kommt man her, wenn man entspannen möchte und das auch gerne mal von Oma und Opa oder Kind und Hund umgeben. Hier haben die Cafés noch kein W-Lan, Brunchen gehen kann man ohne Reservierung und um 22 Uhr sind die Straßen weitestgehend leer. Wenn man trotzdem ein bisschen Nachteule sein möchte und gleichzeitig – Bayern halt – Bierdurst hat, lädt der Irish Pub ‚Ryan’s Muddy Boot‘ zum Verweilen ein. Und ja, hier bekommt man auch ein Augustiner Helles, wenn nur Bayrisches Bier wahres Bier für einen ist.

Es ist New York, wenn du die Musik ausmachst

Die Donnersbergerbrücke ist wahrlich nicht der Ort mit dem meisten Charme in München, aber irgendwie hat diese Halte einen Platz in meinem Herzen. Sie gibt mir manchmal ein Gefühl von Aufbruchsstimmung, wenn ich auf dem Weg zum Flixbus oder ICE bin. Ein Gefühl des Ankommens, wenn ich meinen Koffer aus der S-Bahn hieve und endlich wieder da bin. Ein Gefühl von Lebendigkeit, wenn ich am Morgen nach der Party den ersten Schluck vom Spezi nehme, das ich mir noch am Kiosk gekauft habe. Und manchmal, nur manchmal, ist da kurz das Gefühl von New York, wenn ich mitten im abendlichen Straßenverkehr die Musik abschalte und das Rauschen und Hupen dröhnt, während ich auf den Bus warte.

Also hey, liebe Donnersbergerbrücke: Du bist manchmal das Tor zur Hölle, aber auch das Tor zu meiner kleinen Welt.

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