Meine Halte: Großmarkthalle
Aktuell, Kolumnen, Leben, Meine Halte, Stadt

Meine Halte: Großmarkthalle – Peoplewatching und Pause machen

Karla Hamm

Um meine Halte richtig kennenzulernen, muss man die Reise am Ende beginnen, und zwar am Ende meines Tages. Es ist 6 Uhr Abends, ich komme von der Arbeit nach Hause, kutschiert vom 132er Bus, der viele meiner Freund*innen und mich seit Jahren zuverlässig nach Hause bringt. Ich steige also aus, am Ende der Bergschräge, und ein paar Fahrradfahrer*innen, die die grüne Welle noch mitgeschwemmt hat, fahren keuchend neben mir die letzen Meter nach oben. Das sind die ersten Sendlinger*innen, die man abends trifft, erschöpft und müde, die meisten lächeln einem beim Vorbeifahren trotzdem zu. 

Meine Bank

Meine Bank

Gegenüber der Bushaltestelle, vor den neuen 130 Metern Wand, die die Stadt der Sprayerszene zu Verfügung gestellt hat, steht eine Bank. Meine Bank. Ich sage meine Bank, weil diese Bank mein selbstgewählter Lieblingsort in Untersendling ist. Sie markiert einen Knotenpunkt für alle, die von dort aus in die Stadt wollen, sowie andersherum. Außerdem hat man eine weite Aussicht, man sieht das Volkstheater, die Bahngleise und zu Wiesnzeiten sogar die hohen Fahrgeschäfte. Ich setze mich also auf meine Bank und beobachte die Menschen, die an mir vorbeilaufen. Da sind einmal die Spaziergänger*innen, die zu jeder Jahreszeit zur Isar pilgern, Menschen, die von der Arbeit kommen, und die Freundesgruppen und Familien, die in Richtung Dreieck zum Abendessen laufen. Das Dreieck, auch zu sehen von meiner Halte, ist ein – du ahnst es – dreieckiger Gebäudekomplex mit Restaurants und Cafés. Hier sind unter anderem das Bussone und das Un po’ die tutto sesshaft, zwei kleine Läden mit großer Karte, hier finden alle was zu essen.

Kunst und Szene

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Das KloHäuschen (@das.klohaeuschen)


Andere Leute bleiben in der Nähe meiner Bank stehen und begutachten das Klohäuschen, ein kleines Stückchen Kunst am Rande des Großmarktgeländes. Wieder andere Leute spazieren an mir und dem Dreieck vorbei, bewundern die Graffiti, die auch im Straßenlaternenlicht noch beeindrucken, und treffen nach ein paar Metern auf den Gotzinger Platz. Tagsüber ein Ort für Familien und Anwohner*innen, die auf den Holzpaletten lesen oder mit ihren Kindern auf der neuen Boulebahn spielen, abends ein Ort um Nachbarschaftsbekanntschaften zu schließen, mit seinem Hund über die Wiese zu laufen, oder im Saluki Pizza zu essen. Am Gotzinger Platz sitz es sich auch gut, Peoplewatching funktioniert auf meiner Bank jedoch besser.

Ab und zu kommen hier nämlich auch Skater*innen vorbei, sie kommen von der Berufsfachschule für Kinderpflege, ein beliebter Spot, fahren entlang des Bahnwärter Thiels und der Hall of Fame, einem weiteren Spot für Sprayer, unter den Bahngleisen hindurch und kommen bei mir wieder raus. 

Meine Halte bei Nacht

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Seefotograf (@wolfibehm)

Auch die Feierbrigade kommt gerne an meiner Bank vorbei, sie laufen und fahren Richtung Bahnwärter Thiel, Zur Gruam und Alte Utting, und wenn man lange genug sitzen bleibt, sieht man sie auch auf ihrem Heimweg. Die besonderste Zeit an meiner Halte ist aber, wenn man selber als Teil der Feierbrigade spät nachts ankommt, denn wenn Untersendling sich ins Bett begibt, erwacht auf dem Großmarktgelände das Leben. Von meiner Bank aus sieht man dann die LKWs kommen und gehen, Männer in Warnwesten, die auf kleinen weißen Fahrrädern Schlüssel und Nachrichten von A nach B bringen, und manchmal trifft man jemanden, der sich für fünf Minuten zu mir setzt, um das geschäftige Treiben still mit mir zu beobachten. 

Denn meine Haltestelle ist ein Ort zum Ankommen, zum Innehalten, um sich in der Hektik Zeit zu nehmen und zu beobachten. Ein Ort für kurze Begegnungen auf der Straße und lange Gespräche mit alten Freunden. Alles in allem ein Ort, an dem man sich zu Hause fühlt.