Aktuell, Kolumnen, Leben, Meine Halte, Stadt

Meine Halte: Untermenzinger Bahnhof – Wo cornern noch rebellisch ist

Moritz Müllender

Und? Wie ist München so? Diese Frage wirft mir irgendwer aktuell zuverlässig, mehrmals die Woche vor die Füße. Da liegt sie dann so rum. Wir gucken betreten. Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Ich wohne seit etwa einem Monat in Untermenzing. Acht Gehminuten, drei Klappradminuten vom Untermenzinger Bahnhof entfernt. Gefühlt ist alles, was in München zum Verweilen einlädt, mindestens eine halbe Stunde entfernt. Auf die Frage antworte ich also meist in etwa so: „Keine Ahnung, wohne noch nicht so lange hier, aber die Wohnung gefällt mir – aber ist natürlich viel zu teuer“. Mit dieser oder einer austauschbar öden Antwort, schaffe ich es meist zuverlässig, das Thema abzuwürgen, ohne wirklich etwas gesagt zu haben. Sorry dafür! Ich verstehe, dass ihr fragt. Ich habe nur keine besonders aufregenden Antworten zu bieten.

Untermenzing langweilig?

Ich will mir nicht eingestehen, wie spießig ich mich fühle, wenn ich sage: Ich finde Untermenzing großartig! Es ist ruhig, grün und es gibt ein paar Spielplätze. Das „Herrenbräustüberl“ bietet Pizza to go bis 12 Uhr nachts. Und wenn meine Freundin, unser Kind und ich mit einem Getränk vor dem Edeka in Untermenzing cornern, fühle ich mich noch richtig rebellisch. Nimm das Berlin!

Wenn es mich doch mal in das hippere Münchener Stadtleben zieht, schwinge ich mich eben auf mein Klapprad, stopfe mir die Ohren mit Kopfhörern, bin froh, dass ich eine mittelschwere Podcast-Sucht entwickelt habe und radele die 30 bis 45 Minuten. Wenn ich faul bin, was oft vorkommt, stelle ich mein Klapprad am Bahnhof Untermenzing ab und setze mich in die nächste S2, die mich stadteinwärts trägt und im Trubel wieder ausspuckt.

Maracuja-Limo vor dem Supermarkt

Ich bin ehrlich: Da wo ich herkomme, aus dem hohen Norden (Köln), weiß man nicht viel über die Vorzüge von München. Die Wohnungssuche hilft dabei auch nicht. Nachdem wir die nun aber gemeistert und eine kleine Wohnung gefunden haben, freue ich mich jetzt auf ein neues, schönes, ein überraschendes und hoffentlich auch mal dreckiges und schockierendes München. Vor allem auf die Menschen, die diese Stadt jeden Tag gestalten.

Ich mag den Trubel der Großstadt, bin froh wieder in einer zu leben. Ich mag es mittlerweile aber auch in meinem Untermenzinger Nest anzukommen, auf dem Rückweg vom Bahnhof vielleicht noch eine Maracuja–Limo vor dem Edeka zu trinken und dann von meinem Balkon auf Bäume zu starren. Klar, wenn die Entfernung zwischen diesen beiden Welten etwas kürzer wäre, wäre das praktisch. Doch man kann bekanntermaßen nicht alles haben. Deswegen fange ich schonmal an, mich mit dem grauen Beton, der Schnellstraße und den rot-rostigen Zeitungsständern am Untermenzinger Bahnhof anzufreunden. In der tröstlichen Monotonie darf ich hoffentlich noch oft das Klapprad – ebenfalls grau – parken und mich von von der vertraut in DB-Rot bepinselten S-Bahn ins Bunte tragen lassen.

Wie ist München so? Ich weiß es noch nicht. Ich bin gespannt, es herauszufinden. Ich weiß aber schon: Untermenzing ist meine Oase, von der ich mich ins Getümmel werfe.
Zeig mir was du kannst München.