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Metamorphose 2.0

Laura Höss
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O.R.pheus Re-Opening_PR_01

Hermes ist pink, schleimig und verspricht ewige Jugend. Dies zumindest behauptet die Krankenschwester, die einem aus der süßlich riechenden Brühe entgegen steigt. Doch wie kommt man nun in den Genuss dieses Wundermittels und was hat es damit auf sich?

Das erfährt der Besucher am Ende der multimedialen Installation O.R.pheus, die derzeit in einem Tiefenbunker am Alten Botanischen Garten zu sehen ist. Aufgebaut wie ein Videospiel, inszeniert die Künstlerin Evelyn Hribersek dort eine grenzüberschreitende Kunstaktion der besonderen Art.

In Anlehnung an die Figur des Orpheus, der einst in den Hades hinabstieg um seine Geliebte Eurydike zu retten, begibt sich der Besucher ebenfalls in die Dunkelheit. Dort unten, im alten Atombunker der Stadt München muss er sich in einer Videospielsimulation per Smartphone durch eine kalten Klinikwelt navigieren, deren unterschiedliche Räume angeordnet sind wie die Level eines Hit-and-Rum-Games. Doch anstatt Goldmünzen werden hier schwarz-weiße Quadrate gesammelt. Diese ermöglichen mit Hilfe des Handyscanners das Weiterkommen im Spiel – wenn man sich traut den nächsten Raum zu betreten. Denn die Bunkergewölbe sind ausgestattet mit allerlei morbidem medizinischen Gerät: Alte Apothekerflaschen und Schränke stehen herum, aber auch Beinsägen und Aderklemmen, fein säuberlich aufgereiht auf alten Behandlungstischen.

Das Environment spielt mit der Krankenhausästhetik der Fünfziger- und Sechzigerjahre, einer Zeit, in der die ersten Schönheitsoperationen aufkamen. Jedem der „Anatomie“ gesehen hat, dürfte die Vorstellung leerstehender Operationssäle ohnehin einen kalten Schauer über den Rücken jagen, doch auch ohne entsprechende mediale Prägung ist “O.R.pheus” eine höchst beklemmende Erfahrung, die bei jedem „Weiterkommen“ erneut Ãœberwindung kostet.

So hinterfragt die Künstlerin, die ursprünglich aus dem Bereich Bühnen- und Kostümbild kommt, in ihrer Installation O.R.pheus nicht nur den heutigen Umgang mit Medizin, die auf den Wunsch nach ewigem Leben oder zumindest ewiger Jugend mit immer neueren Techniken und Behandlungsmethoden antwortet, sondern auch die Medien der Darstellenden Kunst an sich.

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Denn O.R.pheus ist weder reines Theaterstück, Videospielsimulation noch Kunstinstallation. Bei Hribersek verschmelzen diese klassischen Darstellungsformen zu einem Hybrid. So gelingt es ihr, auf eine emotionale erfahrbare Art und Weise Ovids Metamorphosen in die Gegenwart zu transportieren.
Denn das individuelle Erleben der Installation bedeutet eine sehr persönliche Auseinandersetzung des Betrachters mit dem Thema. Durch das Betreten der Räume erspielt sich der Besucher den Stoff des Orpheusmythos selbst.

Die Grenzen, die es hier zu überschreiten gilt, sind nicht konkret wie der Totenfluss Styx, sondern stellen sich für jeden Besucher neu und individuell. Der Feind erwächst aus der persönlichen Geschichte: es sind unsere Ängste und Verhaltensmuster, die wir immer wieder aufs Neue überwinden müssen.

Wer sich ebenfalls auf die virtuelle Schnitzeljagd begeben will, kann dies noch bis zu. 11. November tun. Zusätzlich dazu findet heute ebenfalls noch ein “Halloween-Special” statt.
Die Installation ist täglich von 13 bis 23 Uhr geöffnet, Tickets können nur über Münchenticket bestellt werden und kosten 15 Euro.

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